Zeitschrift für Klassische Homöopathie 2003; 47(S1): 50-53
DOI: 10.1055/s-2003-38979
Originalia

Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Zincum metallicum „bei Reisekrankheit”

Will Klunker
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Publication Date:
30 April 2003 (online)

Zusammenfassung

Während bei einem Patienten mit Kinetose das aufgrund der „bewährten Indikation” verordnete Mittel Cocculus indicus erfolglos blieb, heilte das streng homöopathisch verordnete Mittel Zincum metallicum. In einem Kommentar wird versucht, den Wesensunterschied zwischen empirischer und wissenschaftlicher Arzneimedizin anhand des Fallbeispiels herauszuarbeiten.

Summary

A patient with motion sickness was empirically treated by Cocculus indicus, but that remedy failed. Only the homoeopathic remedy Zincum metallicum exactly corresponding to the symptoms cured promptly.

This case demonstrates the fundamental difference between the empirical and scientific therapeutics.

Anmerkungen

01 Eine ausführliche Darstellung dieses Unterschieds findet sich bei Klunker, Selbstverständnis, 1979 (mit Berücksichtigung der naturwissenschaftlichen Arzneimedizin) sowie bei Klunker, ZKH 23 (1979) (in Hinblick auf die Lage innerhalb der Homöopathie).

02 Immer wieder wird heute in der Diskussion die Homöopathie als „Erfahrungsheilkunde”, „Empirie”, „reine Empirie”, „reine Erfahrung” usw. bezeichnet, ja sie sogar der „Wissenschaft”, entgegengesetzt. Dabei beruft man sich mitunter auf Hahnemann selbst („Heilkunde der Erfahrung”). Dadurch wird mangels klarer Begriffe der Autoren die Homöopathiediskussion vollends verwirrt. Einmal sollte der Wesensunterschied zwischen empirischer und wissenschaftlicher Heilkunst aus unserem Fall und dem Kommentar nun wirklich klar hervorgehen. Diese Unterscheidung betrifft also den Charakter der Heilungsgewissheit von Therapiemethoden selbst („Vermutungskunst” bzw. „echte Heilkunst”). Unter diesem Aspekt steht die Homöopathie als Wissenschaft zum Beispiel der naturwissenschaftlichen Arzneimedizin als Empirie gegenüber! Und zwar gerade weil sie Naturwissenschaft ist, ist sie therapeutisch Empirie (vgl. Klunker, Selbstverständnis 1979)! Im Hinblick auf die Bereitstellung der konkreten Indikationen und Indikate, also z.B. Krankenuntersuchung und Arzneiprüfungen, ist die Homöopathie jedoch Wahrnehmung, Erfahrung der Phänomene und, da sie dabei jeden Rückgriff auf Theorien und Spekulationen, insbesondere auf die nicht zur Erfahrung gehörende „Ursachenerkenntnis” (vgl. Hahnemann 1921, § 1 Anm.), abweist, „reine”, „bloße” Erfahrung. Dies aber ist wieder die Bedingung dafür, dass sie als Heilkunst wissenschaftlich ist!

03 „Beweisen” im eigentlichen Wortsinn lässt sich statistisch überhaupt nichts. Statistik erbringt immer nur Wahrscheinlichkeiten für die angesetzten Hypothesen innerhalb willkürlich gesetzter Signifikanzschranken und Irrtumswahrscheinlichkeiten.

04 Hahnemann 1921. LXXI.

05 Hahnemann 1829. 80.

06 Die Frage nach diesen expliziten sowie impliziten Voraussetzungen der Homöopathie stellen, heißt die Grundlagenfrage der Homöopathie stellen. Diese ist von Hahnemann ausdrücklich nur teilweise und zum Teil auch ungenügend gestellt worden. Sie ist aber einer Hermeneutik seiner Schriften zugänglich, wobei der Homöopathie die Aufgabe einer wiederholenden Aneignung (nicht einer historischen Verrechnung oder einem Wortglauben) übertragen ist. Die Unterlassung der Grundlagenfrage unterminiert das Selbstverständnis und die Selbstbehauptung der Homöopathie und setzt sie unsachgemäßer Einmischung von außen aus. Die Grundlagenfrage ist außerdem, wie oft gemeint wird, keine Theorie, sondern die Aufweisung dessen, was die Homöopathie als die, die sie ist, möglich macht. Hier werden Seinsverhältnisse angesprochen (Ist, Möglichkeit).

07 Hahnemann 1921. § 3. Vgl. die eingehende Interpretation dieses Paragraphen bei Klunker, DHH 5 (1982).

08 Hahnemann 1921. § 2.

Literatur

  • 01 Kent J. T.. Repertory of the Homoeopathic Materia Medica. 6th Ed. Chicago; 1957
  • 02 Hahnemann S.. Heilkunde der Erfahrung. Berlin; 1805
  • 03 Hahnemann S.. Organon der Heilkunst. 6. Aufl. Leipzig; 1921
  • 04 Hahnemann S.. Auszug eines Briefs an einen Arzt von hohem Range, über die höchst nöthige Wiedergeburt der Heilkunde. In: Kleine medicinische Schriften. Hrsg. E Stapf. Bd. 1. Dresden u. Leipzig; 1829: 79-88
  • 05 Klunker W.. Homöopathie als Erfahrungsheilkunde und als Wissenschaft.  Zeitschrift für klassische Homöopathie (ZKH). 23 1979;  115-120
  • 06 Klunker W.. Das Selbstverständnis der naturwissenschaftlichen Arzneimedizin und die Homöopathie. In: Homöopathie in der Diskussion. Leer 1979: 185-204 (Sonderdruck Leer 1979)
  • 07 Klunker W.. Hahnemanns Bedingungen wissenschaftlicher Arzneiheilung. In: Documenta Homoeopathica (DHH). Hrsg. M. Dorsci. Bd. 5. Heidelberg; 1982: 75-88

Dr. med. Will Klunker

(aus: ZKH 1987; 31: 74-78)

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