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DOI: 10.1055/s-2003-39247
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Artifizielle Störungen im Bereich der Gynäkologie - eine interdisziplinäre Herausforderung
Facticious Disorders in Gynecology - An Interdisciplinary ChallengePublication History
Eingang Manuskript: 25. Februar 2002
Eingang revidiertes Manuskript: 6. März 2003
Akzeptiert: 11. März 2003
Publication Date:
20 May 2003 (online)
Zusammenfassung
Fragestellung
Artifizielle Störungen stellen eine der größten klinischen Herausforderungen dar. Da es sich um Einzelfälle handelt, sind viele Ärzte mit dieser Störung wenig vertraut. Der typische, oft komplikationsreiche Krankheitsverlauf ist jedoch oftmals darauf zurückzuführen, dass eine Selbstmanipulation gar nicht oder erst nach jahrelangem Krankheitsverlauf in Erwägung gezogen wird. Eine spezifische pathologische Patienten-Arzt-Interaktion unterhält die Störung und macht den Umgang mit Artefaktpatienten zu einem schwierigen Unterfangen. In dieser Studie wird deshalb exemplarisch der Behandlungsverlauf einer Patientin mit artifizieller Mastitis, die zuerst nur gynäkologisch, später jedoch in Zusammenarbeit mit der Frauenklinik stationär psychosomatisch behandelt wurde, untersucht. Möglichkeiten eines konstruktiven Umgangs mit diesen Patienten werden diskutiert und über die psychodynamische Bedeutung der weiblichen Brust als Ort der Selbstverletzung reflektiert.
Methodik
Die stationäre Psychotherapie wurde durch Prä-post-Vergleiche mit Hilfe standardisierter Fragebogendaten evaluiert. Außerdem wurden die somatischen Befunde sowie die Inanspruchnahme von Bedarfsarznei und Notfallgesprächen ausgewertet.
Ergebnisse
Zu Beginn der Behandlung gab die Patientin einen geringen Leidensdruck, jedoch interpersonelle Probleme an. Zum Ende zeigte sich ein gegenläufiges Bild: Eine verringerte interpersonelle Problembelastung sowie eine rückläufige Tendenz zur Selbstverletzung gingen mit einer erhöhten psychosozialen Belastung einher. Auch die somatischen Befunde und das Inanspruchnahmeverhalten unterstützender Angebote standen in einem umgekehrten Verhältnis: Eine Verschlechterung des Lokalbefundes war mit geringem und eine Verbesserung mit hohem Inanspruchnahmeverhalten verbunden.
Schlussfolgerung
Die stationäre Behandlung führte zwar zur Bewusstwerdung der der Selbstmanipulation zugrunde liegenden psychischen Probleme, eine ausreichende Bearbeitung dieser wird aber einer längerfristigen Psychotherapie vorbehalten sein. Deshalb ist bei Artefaktpatienten eine durchgängige, oft über Jahre bestehende Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Fachgebieten erforderlich.
Abstract
Purpose
Factitious disorders are a clinical challenge. Because these are individual cases, physicians are often not familiar with the problem. The clinical course is often protracted and complicated. Typically the possibility of a fictitious disorder is considered only after a considerable delay. A specific, abnormal patient-physician interaction maintains the disorder. We describe a woman with factitious mastitis who at first was treated only for the presumed clinical condition and later psychosomatically on an inpatient basis. We discuss the possibilities for constructive interaction with these patients and the psychodynamic implications of self-injury of the breast.
Methods
Inpatient psychotherapy was evaluated with standardized questionnaires pre and post treatment. Somatic findings, medication requirements, and the use of emergency services were noted.
Results
Initially the patient reported little distress but admitted interpersonal problems. After treatment she reported fewer interpersonal problems and a reduced tendency to self-inflicted injury but increased psychosocial strain. Similarly, worse local findings were associated with less use of support services and improved local findings with more use of these services.
Conclusion
Inpatient treatment led to increased awareness of the psychologic problems leading to self-injury but adequate control will require long-term psychotherapy and interdisciplinary cooperation.
Schlüsselwörter
Artifizielle Störung - artifizielle Mastitis - gynäkologische Patienten - psychosomatische Komorbidität - Arzt-Patientin-Beziehung
Key words
Factitious disorder - factitious mastitis - gynaecological patients - psychosomatic co-morbidity - patient-doctor-relationship
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Dr. biol. hum. Regina A. Kurth
Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Justus-Liebig-Universität
Paul-Meimberg-Straße 5
35385 Gießen
Email: regina.a.kurth@psycho.med.uni-giessen.de