Der Klinikarzt 2003; 32(5): 155
DOI: 10.1055/s-2003-39449
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Osteoporose im Krankenhaus - Eine unverstandene Erkrankung

Johannes Pfeilschifter1
  • 1Bochum
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Publikationsdatum:
26. Mai 2003 (online)

Ein Blick auf die jährliche Bettenstatistik der Patienten mit Schenkelhalsfrakturen und anderen niedrigtraumatischen Frakturen sollte eigentlich ausreichen, um das erschreckende Ausmaß der Osteoporose zu verdeutlichen. Unfallchirurgen fühlen sich aber selten für die Osteoporose zuständig. Daher erhält kaum einer dieser Patienten eine strukturierte Diagnostik und Nachsorge. Auch in den internistischen Abteilungen sieht es nicht viel besser aus. Zufällig auf Thoraxaufnahmen entdeckte osteoporotische Sinterungsfrakturen führen selten zu weiteren diagnostischen und therapeutischen Empfehlungen. Genauso selten wird man die Begleitdiagnose „Osteoporose” in Arztbriefen finden. Und dies, obwohl die im Durchschnitt immer älter werdenden stationären Patienten häufig osteoporotische Frakturen haben.

Die dadurch bedingte Komorbidität - chronische Schmerzen und funktionelle Einschränkungen - wird häufig fehlgedeutet oder noch öfter ignoriert. Stürzt ein Patient während des stationären Aufenthalts und erleidet eine Fraktur, wird er in die Chirurgie verlegt. Spätestens nach der Verlegung in ein Pflegeheim entzieht er sich dann endgültig dem internistischen Blickwinkel. Wie viel anders ist das doch bei anderen Begleiterkrankungen, wo im Entlassungsbrief der Begleitdiagnose „Gastritis” oder „Hyperlipidämie” prompt der Therapievorschlag folgt.

Die Osteoporose hat in Deutschland ein „Imageproblem”. Mit dem wachsenden Markt diagnostisch und prognostisch oft wenig evaluierter ambulanter Früherkennungsmaßnahmen hat sich das nicht gerade gebessert. Das Verständnis für die eigentliche Problematik dieses in seiner vollen Komplexität gerade im stationären Bereich häufig zu beobachtenden Krankheitsbildes ist dagegen noch wenig in unseren Klinikalltag eingedrungen. Neuromuskulärer Status, Gewicht, Knochenmasse, Komorbiditäten und sturzbegünstigende (zum großen Teil im Krankenhaus verordnete!) Medikamente bestimmen aber maßgeblich darüber, ob die 80-jährige Patientin, die wegen einer chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung systemische Glukokortikoide bekommt, ihre Selbstständigkeit als eines ihrer wichtigsten Güter behalten wird oder nach einem kleinen Bagatelltraumata durch die Frakturfolgen dauerhaft pflegebedürftig wird.

Viele stationäre Hochrisikopatienten würden von einer ergänzenden strukturierten Abklärung und Therapie der Osteoporose im Krankenhaus profitieren und sind dem auf diesem Sektor oft großen fachärztlichen „Hürdenlauf” einer ambulanten Abklärung schlecht gewachsen. Es sind strukturelle Ursachen, die mangelnde Vergütung, eine unzureichende Definition der Zuständigkeit und ein unzureichendes und wenig geschultes Verständnis für eine komplexe Erkrankung, die eine Abklärung allzu häufig verhindern.

In der Tat hätte die Osteoporose ein besseres Management verdient. Mit der bloßen Erstellung von Leitlinien ist es da nicht getan. Trotzdem ist es ein „Meilenstein”, wenn es nun gelungen ist, nach dreijähriger harter Arbeit Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der wichtigsten Formen der Osteoporose zu entwickeln, die nicht nur der bestmöglichen, wissenschaftlichen Evidenz entsprechen, sondern auch einem breiten Konsens der unterschiedlichsten Fachgruppen - und zudem noch kosteneffektiv sind.

Die vom Dachverband Osteologie in Auftrag gegebenen Leitlinien wurden am 26. März dieses Jahres verabschiedet. Sie sind unter http://www.bergmannsheil.de/ leitlinien-dvo zu finden. Drei der folgenden Beiträge befassen sich mit Grundsätzen der Leitlinien. Der vierte Artikel geht auf die selteneren Formen der Osteoporose ein, welche die Leitlinien nicht abbilden. Es ist den betroffenen Patienten zu wünschen, dass die in diesen Beiträgen gemachten Empfehlungen nicht nur im ambulanten Bereich, sondern gerade auch in der Klinik Beachtung finden.

Prof. Dr. Johannes Pfeilschifter

Bochum

(Gasteditor)