ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2003; 112(6): 288-290
DOI: 10.1055/s-2003-40419
Praxisjournal
Prophylaxe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

„Prophylaxe interaktiv” - das diagnosezentrierte Therapiekompendium

L. Laurisch
  • Korschenbroich
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 July 2003 (online)

Präventive Maßnahmen sollten bedarfsgerecht und individuell erbracht werden. Der erste Schritt zur bedarfsgerechten Prävention ist daher die Bestimmung des Karies- bzw.

Parodontitisrisikos des Patienten. Entsprechend des ermittelten Risikos werden dann die präventiven Maßnahmen für den Patienten ausgewählt. Präventive Leistungen allein nach ihrer Abrechenbarkeit einzuordnen (also: Was muss ich bei der IP1, IP2, IP3 usw. an Leistungen erbringen, um diese abrechnen zu können), hilft hier nicht weiter. Zahnmedizinische Behandlungskonzepte sollten nach fachlichen Erwägungen und nicht nach dem Gesichtspunkt der Abrechenbarkeit als Kassenposition erstellt werden. In einer präventiv ausgerichteten Praxis sollte vor der Durchführung von restaurativen Maßnahmen immer die Prophylaxe stehen - übrigens ein schon vor mehr als 15 Jahren aufgestelltes und auch heute hoch aktuelles Postulat von Axelsson.

Die CD „Prophylaxe interaktiv” gibt auch dem „Prophylaxeanfänger” die Möglichkeit, aus den ermittelten Risikofaktoren direkt zu den benötigten prophylaktischen Leistungen zu finden. Im Brennpunkt des Interesses liegt hierbei die Kariesprophylaxe. Da sich jedoch in der Regel die subgingivale Plaque aus der supragingivalen entwickelt (gekennzeichnet durch den Shift von grampositiv zu gramnegativ, bzw. durch den Shift von aerob zu anaerob), liegen hier Berührungspunkte auch mit der Parodontalprophylaxe beim Gesunden vor.

Am Anfang steht die Risikodiagnostik mit einer Einstufung des Patienten in eine „Kariesrisikoklasse”. Die Ermittlung der Kariesrisikoklasse kann auf zweierlei Arten erfolgen: durch Ermittlung klinischer Parameter und/oder durch Ermittlung subklinischer Parameter. Idealerweise liegen beide Parameter vor.

Die klinischen Parameter werden durch die klinische Untersuchung bestimmt, die subklinischen Parameter durch eine Untersuchung der mikrobiologischen (Anzahl an Streptococcus mutans und Laktobacillus casei) und funktionellen (Sekretionsrate, Pufferkapazität und pH-Wert) Speichelfaktoren. Es werden unter klinischen und mikrobiologischen Aspekten 3 Risikoklassen definiert: „geringes Risiko”, „Risiko” und „hohes Risiko”.

Wenn die funktionellen Parameter nicht den Normwerten entsprechen, wird noch eine gesonderte Risikoklasse aufgeführt: „Nichtbakteriologische Speichelparameter”. Diese Risikoklasse muss immer dann berücksichtigt werden, wenn Pufferkapazität, Sekretionsrate oder Speichel-pH -Wert risikobehaftet sind, und zwar unabhängig davon, ob in den klinischen oder bakteriellen Parametern ein Risiko ermittelt wurde oder nicht.

Um eine Einordnung in eine bestimmte Risikogruppe zu erleichtern, wurden bei den klinischen Parametern bestimmte klinische Erscheinungsformen vorgegeben, welche sich in der Regel in diesen bestimmten Risikogruppen finden. Zur weiteren Erklärung und Erläuterung finden sich neben der Beschreibung der klinischen Situation für die einzelnen Risikoklassen entsprechende Abbildungen. Beispielhafte Bilder für die einzelnen Risikoklassen zeigen [Abb. 1], [Abb. 2], [Abb. 3] (Auswahl der hier gezeigten Bilder ist nicht vollständig).

Stellt man klinische Befunde bei geringem Risiko, Risiko und hohem Risiko gegenüber, so sieht man, dass die Einordnung in eine bestimmte Risikogruppe leicht fällt. Hier wird die bereits eingetretene Erkrankung sozusagen zur „nachträglichen Risikoeinstufung” herangezogen. Die Risikoeinteilung kann also auch aufgrund eines schon eingetretenen Schadens stattfinden.

Geringes Risiko klinisch gesund kein Anzeichen für akute Karies kein Anzeichen für Parodontitis evtl. verfärbte Fissuren bei Erwachsenen evtl. Randkaries evtl. insuffiziente Füllungen

Risiko verfärbte bzw. kariöse Fissuren bei Kindern Verdacht auf „hidden caries” (versteckte Karies) bzw. Kariesprogression bei DIAGNOdent-Werten > 20 (Erwachsene) bzw. > 15 (Kinder) • vereinzelte Kreideflecken Glattflächenkaries in hygienischen Problembereichen vereinzelte Approximalkaries erhöhter API u/o SBI positiver BOP „bleeding on probing” bei Kindern: aufgebohrte und trepanierte Milchzähne Approximalkaries im Milchgebiss

Bei hohem Risiko verfärbte bzw. kariöse Fissuren, evtl. plaquebedeckt klinisch und/oder röntgenologisch sichtbare akute Approximalkaries ausgedehnte Demineralisationen, vor allem im Zahnfleischrandbereich, evtl. plaquebedeckt akute Glattflächenkaries offene, unversorgte Karies erhöhter API u/o SBI positiver BOP „bleeding on probing” bei Kindern: Nursing-Bottle-Syndrom („early childhood caries”) ausgedehnte Karies im Wechselgebiss mit aufgebohrten und trepanierten Zähnen

Ebenfalls einfach ist die Einteilung nach dem mikrobiologischen Befund: hierbei muss nur das Ergebnis der mikrobiologischen Speicheluntersuchung (CRT® Fa. IvoclarVivadent) mit den entsprechenden Abbildungen verglichen werden:

Die Einteilung in eine Risikogruppe ist also sowohl aufgrund der Ermittlung klinischer als auch aufgrund subklinischer Parameter möglich. So zeigt sich in der Gruppe „Geringes Risiko” folgender Befund:

Geringes Infektionsniveau mit Streptococcus mutans in Verbindung mit geringen Laktobazillenzahlen [Abb. 7].

In der Risikogruppe liegen entweder hohe Mutans-Zahlen oder hohe Laktobazillenzahlen vor [Abb. 8].

In der Hochrisikogruppe sind sowohl Mutans- als auch Laktobazillenzahlen hoch [Abb. 9].

Die Einteilung in nicht ausreichende funktionelle Parameter geschieht nach folgenden Kriterien:

Sekretionsrate < 1 ml/min Pufferkapazität < pH 5 pH-Wert < 7

Ist die Risikoklasse bestimmt, kann man das gesamte präventive Therapiespektrum für die vorliegende Gefährdungsklasse interaktiv abfragen. Hierbei wird grundsätzlich immer unterschieden zwischen den professionell durchzuführenden und den häuslichen Maßnahmen. Fachlicher Hintergrund wird dadurch vermittelt, dass für jede präventive Maßnahme sowohl der wissenschaftliche Hintergrund, die Anwendung in der Praxis und die dazu benötigten Materialien abgerufen werden können. Zahlreiche Videos unterstützen die Wissensvermittlung.

So werden prophylaktische Maßnahmen nicht nur ausgewählt, sondern gleichzeitig in ihrem wissenschaftlichen Hintergrund erläutert und ihre Anwendung in der Praxis erklärt. Dadurch wird die CD „Prophylaxe interaktiv” zu einem diagnosebezogenen Präventionskompendium mit einer neuen Sichtweise der Prävention: Einzelne präventive Maßnahmen werden nicht mehr isoliert dargestellt, sondern fügen sich in ein Gesamtkonzept ein. Aus der Vielzahl der Möglichkeiten werden die für das vorliegende Risiko zur Anwendung kommenden präventiven Maßnahmen ausgewählt, auf Wunsch des Anwenders entsprechend erklärt und in ihrer praktischen Anwendung vorgestellt.

Dies stellt sicherlich eine weitere Qualitätsverbesserung der Prävention in der Zukunft dar.

Korrespondenzadresse

Dr. Lutz Laurisch

Arndtstraße 25

41352 Korschenbroich

Fax: 02161/643020

Email: Lutz@Dr-Laurisch.de