NOTARZT 2003; 19(4): 158-159
DOI: 10.1055/s-2003-41167
Fortbildung
Der toxikologische Notfall
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schwangerschaftskomplikationen?

F.  Martens1
  • 1Charité, Campus Virchow Klinikum, Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. Ulrich Frei), Berlin
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Publication Date:
05 August 2003 (online)

Der Fall

Die Notärztin wird zusammen mit dem RTW in eine 2-Zimmer-Wohnung unter dem Stichwort „Schock” gerufen. Die dort vorgefundene, etwa 30-jährige Wohnungsinhaberin habe in den vergangenen drei Stunden wiederholt rötlich erbrochen, ihr sei schwindelig geworden und sie schlafe ständig dazwischen ein. Auf den ersten Blick fällt bei der mit einem Pyjama bekleideten Patientin eine deutliche Vergrößerung des Abdomens auf. Die Frage nach einer etwaigen Schwangerschaft wird bejaht. Laut Mutterpass ist die Patientin in der 30. Woche schwanger. Die zwischenzeitlich gemessene pulsoxymetrische Sättigung beträgt 95 %, der Blutdruck wird mit 110/65 mm Hg und die Pulsfrequenz mit 110/min bestimmt. Die weitere körperliche Untersuchung ergibt bis auf das schwangerschaftstypisch veränderte Abdomen keine Auffälligkeiten. Am rechten Unterbauch ist eine Narbe nach lange zurückliegender Appendektomie erkennbar.

Während der Untersuchung betritt ein älterer Herr die Wohnung und stellt sich als Psychotherapeut der Patientin vor. Er berichtet, sie habe ihn vor etwa einer Stunde angerufen und ihm mitgeteilt, dass sie zusammen mit ihrem Baby jetzt aus dem Leben scheiden werde. Dazu habe sie alle verfügbaren Medikamente im Haushalt eingenommen. Am Ende des längeren Telefonates habe er schließlich den Rettungsdienst alarmiert und sich auf den Weg zu seiner Patientin gemacht.

Auf erneutes Befragen der Patientin gibt diese zu, etwa 80 Tabletten eines Eisenpräparates, das sie zur Blutbildung einnehmen müsse, eine halbe Flasche promethazinhaltiger Tropfen sowie diverse Tabletten gegen Sodbrennen vor etwa drei Stunden eingenommen zu haben. Aus den Angaben der Tablettenschachtel errechnet die Notärztin eine Einnahme von etwa 8000 mg Eisen als Fe2+-Salz sowie von etwa 300 mg Promethazin. Die Tabletten gegen Sodbrennen werden als untoxisch eingestuft.

Nach Legen einer Verweilkanüle und Infusion einer isotonen Kochsalzlösung wird die Patientin wegen der offenbar vorhandenen Suizidalität und den nicht sicher einschätzbaren Auswirkungen der Intoxikation in Begleitung der Notärztin in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht.

Nach Aufnahme auf der dortigen Intensivstation wird neben anderen Parametern die Eisenkonzentration im Serum zu 500 µg/dl bestimmt. Laut Einschätzung der Giftinformationszentrale handelt es sich bei dem Körpergewicht der Patientin von 54 kg dabei um eine bedrohliche Vergiftung. Daher wird sie mit einem eisenbindenden Chelat behandelt. Darunter und unter der Infusion von isotoner Kochsalzlösung fallen die anfänglich stark erhöhten Eisenkonzentrationen innerhalb von drei Tagen auf physiologische Werte ab. Eine Gastroskopie zeigt bräunlich gefärbte Schleimhauterosionen im Magen, jedoch keine Ulzerationen. Die Untersuchung des Feten mittels Ultraschall und die Wehenschreibung erbringen keinerlei pathologische Befunde. Drei Tage nach Einlieferung auf die Intensivstation kann die Patientin bei weiter bestehender, latenter Suizidalität ohne Zeichen einer Organschädigung in eine psychiatrische Klinik verlegt werden.

Literatur

  • 1 Tran T. et al . Intentional iron overdose in Pregnancy - management and outcome.  J Emerg Med. 2000;  18 225-228

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens

Charité, Campus Virchow Klinikum · Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin · Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin

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Email: frank.martens@charite.de