Laryngorhinootologie 2003; 82(10): 713-714
DOI: 10.1055/s-2003-43237
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Tierexperimentelle und klinische Untersuchungen zur Sekretionshemmung der Kopfspeicheldrüsen durch Botulinum Toxin A

Experimental and Clinical Investigations on the Inhibition of Secretion of the Major Salivary Glands with Botulinum Toxin AM.  Ellies1
  • 1HNO-Klinik der Georg-August-Universität Göttingen
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Publication Date:
31 October 2003 (online)

In der vorliegenden Arbeit wurde sowohl tierexperimentell als auch klinisch die Wirkung der lokalen Applikation von Botulinum Toxin A auf die Sekretion der Kopfspeicheldrüsen untersucht. Es ließ sich eine zuverlässige Hemmung der cholinerg gesteuerten Sekretion der Speicheldrüsen sowohl im Tierexperiment als auch am Patienten nachweisen.

Im Rahmen der tierexperimentellen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die lokale Applikation von Botulinum Toxin A in die Kopfspeicheldrüsen der Ratte zu einer immunhistochemisch nachweisbaren Herabsetzung der Acetylcholinesteraseaktivität in diesen Organen führt. Die Verminderung war sowohl in der Gl. submandibularis als auch in der Gl. parotis nachzuweisen. Bei unbehandelten Kontrolldrüsen und mit physiologischer Kochsalzlösung behandelten Drüsen trat dieser Effekt nicht auf, so dass davon ausgegangen werden muss, dass durch die erfolgte Toxininjektion eine Verminderung der freien Acetylcholinkonzentration erreicht worden ist.

Durch morphometrische Untersuchungen ließ sich die unveränderte Integrität des Drüsenparenchyms nach der erfolgten Toxininjektion nachweisen; Veränderungen der Drüse im Sinne einer Degeneration des Parenchyms oder einer Apoptosereaktion auf die Toxinapplikation ließen sich nicht erheben. An untersuchten Gll. parotideae ließ sich temporär eine geringe Zunahme des Zellvolumens nachweisen, eine mögliche Erklärung für diesen Befund könnte in einer passageren Retention von Exkretionsprodukten bestehen.

Aufgrund des Nachweises von neuronaler NO-Synthetase (nNOS) in den Kopfspeicheldrüsen der Ratte und einer Herabsetzung deren Aktivität nach intraglandulärer Injektion von Botulinum Toxin A muss eine mögliche Beteiligung dieses Immunmodulators am Sekretionsprozess der Speicheldrüse diskutiert werden.

Im Rahmen der klinischen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die lokale Applikation von Botulinum Toxin A bei einer Vielzahl von otorhinolaryngologischen und neurologischen Indikationen zu einer zuverlässigen Sekretionshemmung der Kopfspeicheldrüsen führt. Damit bieten sich bei zahlreichen mit einer Hypersalivationsstörung einhergehenden Krankheitsbildern durch den lokalen Einsatz von Botulinum Toxin A verbesserte oder neue Therapiemöglichkeiten. Insbesondere stellte sich heraus, dass auf dem Gebiet der Otorhinolaryngologie zahlreiche neue Einsatzmöglichkeiten bestehen, welche oftmals eine Alternative zur operativen Therapie darstellen oder diese ersetzen können.

Die untersuchten Patienten gaben ausnahmslos eine Besserung ihres Beschwerdebildes an, mögliche Nebenwirkungen der Therapie waren nicht zu verzeichnen. Durch die Einführung der sonographisch gestützten intraglandulären Injektion konnte die Sicherheit der Anwendung des Toxins verbessert werden; die sonographische Verlaufskontrolle erlaubte darüber hinaus eine sichere Beurteilung der Integrität des Drüsenparenchyms.

Die sialometrische Untersuchung konnte einen objektiven Parameter für den Erfolg der Injektion in die Verlaufskontrolle einführen; durch die sialometrische Messung ließ sich die Tendenz der Wirkdauer einer Toxininjektion von etwa drei Monaten charakterisieren, es sind jedoch auch vereinzelt wesentlich längere Wirkungszeiträume ermittelt worden.

Durch die sialochemischen Untersuchungen ließ sich mittels der Bestimmung von Exkretionsprodukten wie Protein und Amylase die Integrität des adrenerg innervierten Sekretionsprozesses der Speicheldrüsen nachweisen, eine mögliche Nebenwirkung der Toxininjektion auf die Speichelbestandteile konnte somit ausgeschlossen werden.

Als Ergebnis der vorliegenden Untersuchung kann festgestellt werden, dass die lokale Injektion von Botulinum Toxin A bei einer Vielzahl von Erkrankungen, welche mit einer Hypersalivationsstörung einhergehen, zuverlässig therapeutisch genutzt werden kann. Die Injektion ist mit nur einer geringen Belastung für den Patienten verbunden. Sie ermöglicht, das für den betroffenen Patienten oftmals quälende „Sabbern” („drooling”) suffizient zu behandeln. Für zahlreiche Krankheitsbilder ist damit erstmals die Möglichkeit einer Behandlung geschaffen worden, für weitere kann eine Alternative zu invasiven und stark belastenden Verfahren angeboten werden.

Priv.-Doz. Dr. med. Maik Ellies, Jahrgang 1967.

Priv.-Doz. Dr. med. Maik Ellies

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