Zusammenfassung
Im Zusammenhang mit einer systematischen Replikation der 1994 in den USA durchgeführten
Consumer-Reports-Study für Deutschland, untersuchten die Autoren mithilfe des ins
Deutsche übersetzten Originalfragebogens auch 191 Patienten, die wegen psychischer
Beschwerden ausschließlich durch ihren Hausarzt behandelt worden waren. Einzig für
das Verhalten bzw. die Haltung des behandelnden Arztes ließ sich dabei ein signifikanter
Einfluss auf das Behandlungsresultat, die Besserung der Beschwerdesymptomatik und
die Behandlungszufriedenheit der Patienten ermitteln. Eine supportive ärztliche Haltung
erhöhte die Chance auf eine Symptombesserung und Therapiezufriedenheit deutlich. Darüber
hinaus gaben Patienten, die sich durch ihren Arzt unterstützt fühlten, auch eine wesentlich
bessere Wirksamkeit einer möglichen medikamentösen Begleitbehandlung an und klagten
über deutlich weniger unerwünschte Nebenwirkungen als die Patienten, die sich durch
den Arzt nicht unterstützt fühlten.
Abstract
The authors investigated 191 patients with psychological disorders that had been treated
exclusively by their family doctor. They used a questionnaire which systematically
replicated the Consumer-Reports-Study executed in the USA in 1994. The investigation
came to the conclusion that only the behavior and the attitude of the treating doctor
showed influence on the result of treatment, the improvement of the symptoms and the
satisfaction with the treatment. A supportive attitude increased the chance of improvement
of the symptoms and the patients' satisfaction clearly. In addition, patients who
felt supported by their doctor also indicated a significantly better effectiveness
of a supplementary medication and complained clearly less about unwanted side effects
than the patients who felt not supported by the doctor.
Key words
Effectiveness - psychological disorders - treatment by family doctors
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A1728
1 Die Outcomekriterien sind in beiden Studien nicht völlig kongruent: Die Gegenüberstellung
von „erfolgreich” (BMG-Studie) und „symptombessernd” (unsere Untersuchung) scheint
deshalb zulässig, weil aus der Sicht der Patienten beide Begriffe im Zusammenhang
mit Behandlungsresultaten eine sehr ähnliche Bedeutung haben dürften. Analoges gilt
für die Begriffe „Verständnis” und „Support”, denn „Support” meint in unserer Untersuchung
die Kombination aus Interesse des Arztes an den psychischen Problemen des Patienten
und einer darin wurzelnden emotionalen Unterstützung durch den Arzt, was gemeinhin
als „Verstandenwerden” bezeichnet wird. Ferner - und deshalb hatten wir keine methodischen
Bedenken - handelt es sich bei der Gegenüberstellung beider Untersuchungen nicht um
einen statistischen Vergleich, sondern um einen deskriptiven.
2 Allerdings ließ sich die Umkehrhypothese, dass erfolglos behandelte und unzufriedene
Patienten im Nachhinein ihren Arzt als weniger supportiv einschätzten als die erfolgreich
behandelten und zufriedenen Patienten, in einer solchen retrospektiven Untersuchung
statistisch nicht ausschließen, weil die zeitliche Reihenfolge zwischen der Einschätzung
des ärztlichen Verhaltens und der Einschätzung des Behandlungserfolgs durch den Patienten
retrospektiv nicht zu klären war. Befunde aus anderen Untersuchungen [24]
[25]
[26], wonach sich zwischen 69 und 93 % der Patienten in allgemeinärztlichen Praxen über
eine unzureichende Gesprächsbereitschaft und emotionale Unterstützung durch den Arzt
beklagen, sprechen allerdings dafür, dass auch die negative Einschätzung des ärztlichen
Verhaltens durch etwa 44 % der Patienten aus der vorliegenden Untersuchung wohl mehrheitlich
dem tatsächlichen Verhalten der behandelnden Ärzte entsprach; insofern scheint die
Annahme der Ursprungshypothese, dass das ärztliche Verhalten das Behandlungsergebnis
beeinflusste, legitim.
Dr. med. Sebastian Hartmann
Universitätskliniken des Saarlandes · Institut für Psychoanalyse, Psychotherapie und
Psychosomatische Medizin
Haus 2
66421 Homburg/Saar
eMail: s.hartmann@rz.uni-sb.de