Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(45): 2368-2371
DOI: 10.1055/s-2003-43432
CME
Intensivmedizin
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Septischer Schock und systemisches Entzündungsreaktions-Syndrom - Diagnostik

Septic shock and systemic inflammatory response syndrome - diagnosticsU. Müller-Werdan1
  • 1Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III, Halle-Wittenberg
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Publikationsverlauf

eingereicht: 31.7.2003

akzeptiert: 24.9.2003

Publikationsdatum:
06. November 2003 (online)

Aktuelle Sepsis- und SIRS-Definitionen

Das facettenreiche klinische Bild der Sepsis kann die Diagnosestellung schwieriger als erwartet machen. Noch mehr ist dies der Fall, wenn man den Schweregrad abschätzen und den Erfolg der durchgeführten Therapie beurteilen will. Dies trifft in noch stärkerem Maße für das systemische Entzündungsreaktions-Syndrom (SIRS) nicht-infektiöser Genese zu.

Aus diesem Grunde war es zu begrüßen, dass die intensivmedizinischen Gesellschaften die in Tab. [1] aufgeführten Sepsis- und SIRS-Definitionen präzisiert haben [9]. Für den Praktiker sind diese Definitionen qualitativer Art aufgrund der geringen Spezifität allerdings nur eine bedingte Hilfe [18], und zur Schweregradeinschätzung und Verlaufsbeurteilung sind sie überhaupt nicht geeignet. Im Verständnis der deutschen Medizin kommt diese Sepsisdefinition darüber hinaus einer Inflation des Sepsisbegriffes gleich. Für unser Verständnis ist Sepsis nach wie vor eine schwere, lebensbedrohliche Erkrankung. Diesen Charakter verliert die Sepsis jedoch, wenn man der Definition der Konsensus-Konferenz folgt. Viel eher würden wir die Diagnose einer Sepsis stellen können, wenn die Situation der „severe sepsis” in der Definition der Konsensus-Konferenz vorliegt. Der schwere Verlauf wird durch Manifestation von Hypotension/Minderperfusion und/oder Dysfunktion vitaler Organsysteme definiert. Hypotension/Hypoperfusion kann bis zum Bild des manifesten septischen Schocks fortschreiten, aus der initialen Dysfunktion vitaler Organsysteme kann sich ein manifestes Organversagen entwickeln. So können infektiöses und nicht-infektiöses SIRS in Schock oder Multiorgan-Dysfunktionssyndrom münden (siehe unten).

Tab. 1 Terminologie und Definitionen. Infektion: Entzündliche Gewebereaktion auf Mikroorganismen oder Invasion von Mikroorganismen in normalerweise steriles Gewebe. Bakteriämie: Vorhandensein vitaler Bakterien im Blut; die Anwesenheit von Viren, Pilzen, Parasiten oder anderen Pathogenen in der Blutbahn sollte entsprechend benannt werden. SIRS („systemic inflammatory response syndrome”, „systemisches Entzündungsreaktions-Syndrom”): Systemisch-entzündliche Reaktion auf verschiedene schwere klinische Insulte, charakterisiert durch zwei oder mehr der folgenden Symptome: Körpertemperatur > 38,0°C oder < 36,0°C, Herzfrequenz > 90/min Atemfrequenz > 20/min oder paCO2 < 32 mmHg Leukozyten > 12000/mm3 oder < 4000/mm3, oder > 10% unreife (stabförmige) Formen CARS („compensatory anti-inflammatory response syndrome”): Kompensatorisches anti-inflammatorisches Reaktions-Syndrom, das sich - im Anschluss an die proinflammatorische Phase - als Anergie, als erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Infektionen oder als beides manifestiert. MARS („mixed antagonistic response syndrome”): Antagonistisches Reaktionssyndrom, das sich aus mehreren SIRS- und CARS-Phasen zusammensetzt. Sepsis: Systemische Reaktion auf eine Infektion, charakterisiert durch zwei oder mehr der folgenden, durch die Infektion hervorgerufenen Symptome: Körpertemperatur > 38,0°C oder < 36,0°C, Herzfrequenz > 90/min Atemfrequenz > 20/min oder paCO2 < 32 mmHg, Leukozyten > 12000/mm3 oder < 4000/mm3, oder > 10% unreife (stabförmige) Formen Schwere Sepsis: Sepsis, assoziiert mit Organdysfunktion, Minderperfusion oder Hypotonie. Minderdurchblutung und Durchblutungsstörungen können beinhalten, sind aber nicht beschränkt auf: Laktatazidose, Azidose, Oligurie oder eine akute Änderung der Bewusstseinslage. MODS: („multiple organ dysfunction syndrome”): Dermaßen geänderte Organfunktion bei Akutkranken, dass die Homöostase ohne Intervention nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Sepsis-induzierte Hypotonie: Systolischer Blutdruck < 90 mmHg oder Reduktion um ≥ 40 mmHg des Ausgangswerts bei Fehlen anderer Hypotonieursachen. Septischer Schock: Sepsisinduzierter Schock mit Hypotonie trotz adäquater Volumensubstitution, einhergehend mit Hypoperfusionszeichen oder Organdysfunktionszeichen; letztere können beinhalten, sind aber nicht beschränkt auf: Laktatazidose, Azidose, Oligurie oder eine akute Änderung der Bewusstseinslage. Patienten, die infolge einer Therapie mit inotropen oder vasokonstriktiven Substanzen nicht mehr hypotensiv sind, aber dennoch Zeichen der Hypotension oder Organdysfunktion aufweisen, werden trotzdem dem Stadium septischer Schock zugeordnet. Refraktärer septischer Schock: Septischer Schock ohne rasches Ansprechen auf Volumengabe (z.B. 500 ml NaCl in 30 min) und Vasopressoren (z.B. Dopamin > 10 µg/kg KG/min). Akute septische Kardiomyopathie: Myokardschädigung im Rahmen einer Sepsis mit der Folge einer im Verhältnis zum systemischen Gefäßwiderstand verminderten Pumpfunktion des Herzens. Zusammenstellung nach (9, 2,19)

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Priv.-Doz. Dr. med. Ursula Müller-Werdan

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