Geburtshilfe Frauenheilkd 2003; 63(12): 1213-1214
DOI: 10.1055/s-2003-44652
Editorial

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Hat das Embryonenschutzgesetz sein Ziel verfehlt?

Has the Embryo Protection Law Missed its Mark?K. Diedrich 1
  • 1Universitätsfrauenklinik Lübeck
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Publication Date:
26 November 2003 (online)

Das Embryonenschutzgesetz wurde 1991 mit dem Ziel verabschiedet, den Embryo so gut wie möglich zu schützen und den Missbrauch der In-vitro-Fertilisation zu verhindern. Eine Eizelle darf danach nur mit dem Ziel befruchtet werden, eine Schwangerschaft zu erreichen. Darüber hinaus muss jeder Embryo, der im Labor kultiviert wird, im selben Zyklus an die Patientin zurückgegeben werden. Es dürfen höchstens drei Embryonen transferiert werden, um das Mehrlingsrisiko so gering wie möglich zu halten. Dies bedeutet, dass weder Forschung am Embryo zulässig ist, noch dass ein Embryo kryokonserviert werden darf.

Das Embryonenschutzgesetz ist ein Strafgesetz und hat verhindert, dass in Deutschland die In-vitro-Fertilisation missbraucht (z. B. Cloning) und Embryonenforschung gemacht wird. Da es jedoch nur durch Forschung am Embryo auch zu einer Verbesserung der Ergebnisse bei der In-vitro-Fertilisation kommen kann, ist Deutschland von diesen Forschungsarbeiten ausgeklammert. Gerade auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin ist die Entwicklung in den letzten 10 Jahren stürmisch verlaufen, jedoch ohne, dass hierbei entscheidende Beiträge aus Deutschland geleistet wurden. So ist zum Beispiel die Präimplantationsdiagnostik, die vor über 10 Jahren entwickelt wurde, derzeit in Deutschland nicht zulässig, wird jedoch um Deutschland herum überall betrieben. Es darf in England, Belgien, Frankreich, Spanien, USA ein Embryo bei einem hohen Risiko für eine Erbkrankheit im Reagenzglas untersucht werden und es wird dann nur der Embryo transferiert, der nicht Träger der Erbkrankheit ist. Dies bedeutet für die Eltern, dass ein möglicher Schwangerschaftsabbruch, der bei Diagnostik der Erbkrankheit in der Schwangerschaft diskutiert werden muss, verhindert wird.

Neben der Benachteiligung deutscher Patientinnen durch das Verbot der Präimplantationsdiagnostik bedeutet dies für die wissenschaftlich tätigen Ärzte ein Stillstand, da sie sich an der Forschung, die im Ausland auf diesem Gebiet vorangebracht wird, nicht beteiligen können.

Der bedeutendere Nachteil des Embryonenschutzgesetzes ist jedoch die so genannte Dreierregel: Es dürfen bis zu drei Eizellen fertilisiert werden und damit bis zu drei Embryonen in den Uterus transferiert werden. Durch dieses Vorgehen hat man erhofft, zum einen eine möglichst hohe Schwangerschaftsrate zu erzielen, da die Belastung der Behandlung erheblich ist. Zum anderen hat man durch die Begrenzung auf drei Embryonen erwartet, dass das Mehrlingsrisiko in einem akzeptablen Rahmen bleibt. An diesen beiden Punkten hat jedoch das Embryonenschutzgesetz versagt. Durch dieses Vorgehen, bis zu drei Embryonen zu kultivieren und zu transferieren, ist zum einen die Schwangerschaftsrate nach In-vitro-Fertilisation in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern erheblich schlechter: Die Schwangerschaftsrate in Deutschland liegt pro Behandlungsversuch bei 25 %, während sie im umliegenden Ausland teilweise 40 bis 50 % erreicht. Der größere Nachteil und auch die höhere Belastung für die Paare und insbesondere für die werdende Mutter ist jedoch die hohe Mehrlingsrate von 30 % durch den Transfer von drei Embryonen.

Eine Mehrlingsschwangerschaft bedeutet sowohl für die Mutter als auch für die meist frühgeborenen Kinder eine erhebliche Steigerung der Mortalität und auch der Morbidität. Die Mehrlingsschwangerschaft ist für die Mutter mit einem Anstieg der schwangerschaftsbedingten Erkrankungen (z. B. Blutdruckerhöhung, Blutungsrisiken unter der Geburt und eine Erhöhung der Kaiserschnittrate) verbunden. Bei einer Zwillingsschwangerschaft kommt es in 40 % zu einer Frühgeburt, die auf 80 % ansteigt bei Drillingsschwangerschaften. Die Frühgeburtlichkeit ist mit einer deutlichen Erhöhung der perinatalen Mortalität und auch der Morbidität verbunden mit Untergewichtigkeit und Unreife mit nachfolgender zerebraler Blutung und Beeinträchtigung.

Das Ziel einer jeden Kinderwunschbehandlung muss es sein, zum einen so erfolgreich wie möglich zu sein und zum anderen jedoch die Geburt eines gesunden Kindes zu erreichen. Dieses Ziel kann mit dem deutschen Embryonenschutzgesetz nicht erreicht werden, da zum einen die Schwangerschaftsraten deutlich schlechter sind als im umgebenden Ausland und zum anderen die Mehrlingsrate hingegen deutlich erhöht ist. Es gibt einen einfachen Weg, dies zu ändern: Der Transfer eines ausgewählten Embryos in die Gebärmutter. Untersuchungen aus dem Ausland bestätigen dies.

Prof. Dr. Klaus Diedrich

Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Universitätsklinik Lübeck

Ratzeburger Allee 160

23562 Lübeck

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