Pneumologie 2004; 58(2): 71
DOI: 10.1055/s-2003-812495
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Entschädigungspraxis gering gestreuter Bergarbeiterpneumokoniosen - Neue Berufskrankheit, neue Konvention oder alles beim Alten lassen?

Compensation of Low Profusion Coalworkers' Pneumoconiosis. New Occupational Disease, New Convention or Leave it as it is?R.  Merget1 , T.  Brüning1
  • 1Berufsgenossenschaftliches Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin (BGFA), Institut der Ruhr-Universität, Bochum
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Publication Date:
12 February 2004 (online)

In seinem Manuskript [1] führt X. Baur aus, dass die Trennung von COPD und Silikose bei Bergleuten im Steinkohlenbergbau traditionell entstand und die so genannte „Moerser Konvention”, wonach niedrig gestreute Pneumokoniosen (≥ 1/1 bis 2/2) zwar als Versicherungs- nicht aber als Leistungsfall einer Berufskrankheit (BK) 4101 anerkannt werden, überholt seien. Eine Lösung des Problems liegt laut Baur in einer „Gesamtschau der klinischen Befunde und des Krankheitsverlaufs sowie einer unvoreingenommenen Zusammenhangsbeurteilung”.

Wie könnte diese Gesamtschau konkret aussehen? Soll ein Bergmann mit COPD seit 20 Jahren, einer Pneumokoniose mit einer Streuung 1/1 und einer Raucheranamnese von 40 Packungsjahren als Leistungsfall anerkannt werden oder nicht? Beurteilte man die Streuung mit 1/0, so läge aufgrund der so genannten Rückwirkungsklausel kein Leistungsfall (einer BK 4111) vor. Ist dies gerecht, da ja beide Krankheiten nur Ausdruck einer Noxe sind? Wie viele Packungsjahre werden als relevant eingestuft? Strebt man eine Änderung des Status quo an, so gibt es unseres Erachtens nur zwei Lösungen: (1) eine neue Diskussion über eine sinnvolle Konvention oder (2) die Zusammenfassung der BK 4101 und 4111 zu einer „Lungenkrankheit des Bergmanns”, die in Abhängigkeit von der Exposition (wie bei der BK 4111) unabhängig von der radiologischen Streuung oder der Art der Ventilationsstörung den Leistungsfall begründet.

Lösung 1 hat das Problem, dass mit geringerer radiologischer Streuung auch die Spezifität sinkt. Im BK-Recht ist aber bekanntlich die Diagnose zweifelsfrei zu stellen. Ab welcher Streuung ist dies möglich? Wie ist die Streuung bei der zunehmend eingesetzten digitalen Röntgentechnik zu bewerten? Hier wäre ein Konsens sowohl hinsichtlich der erforderlichen radiologischen Ausprägung als ggf. auch der Rolle der zu berücksichtigenden außerberuflichen Einflussgrößen neu zu etablieren (die ja bislang nicht berücksichtigt werden). Vorteil von Lösung 1 wäre die Möglichkeit einer relativ schnellen Umsetzung. Die schon jetzt gelegentlich geübte Praxis, von der alten Konvention (wie weit auch immer) in Einzelfällen abzuweichen, schafft unseres Erachtens nicht mehr, sondern weniger Gerechtigkeit.

Bei Lösung 2 wäre zu berücksichtigen, dass vermutlich durch eine Rückwirkungsklausel erneut „Altfälle” von einer Entschädigung ausgeschlossen würden. Selbst wenn es keine Rückwirkungsklausel für diese neue BK geben sollte, wäre damit immerhin die Entscheidung verbunden, die bisherige Berufkrankheitenverordnung (BKV) grundlegend zu ändern. Bislang ist keine entsprechende Anstrengung von Seiten des Sachverständigenbeirates des BMWA bekannt geworden.

In einem ersten Schritt werden wir diese Diskussion anlässlich der DGP-Tagung in Frankfurt in einem gemeinsam mit dem Hauptverband der Gewerblichen Berufsgenossenschaften organisierten Symposium aufgreifen.

Literatur

Prof. Dr. med. Rolf Merget
Prof. Dr. med. Thomas Brüning

BGFA

Bürkle-de-la-Camp-Platz 1

44789 Bochum

Email: merget@bgfa.de

Email: bruening@bgfa.de