Fortschr Neurol Psychiatr 2004; 72(11): 615-620
DOI: 10.1055/s-2003-812531
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zur forensischen Anwendung des Begriffs Einsichtsfähigkeit

The Term Insight in Forensic PracticeE.  Habermeyer1 , P.  Hoff2
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Zentrum für Nervenheilkunde der Universität Rostock (Direktorin Univ. Prof. Dr. med. S. Herpertz)
  • 2Psychiatrische Universitätsklinik Zürich
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Publication Date:
11 October 2004 (online)

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Zusammenfassung

Der folgende Artikel wird nach Erörterung juristischer und forensisch-psychiatrischer Grundlagen die Schwierigkeiten, aber auch die Bedeutung von Aussagen zur Einsichtsfähigkeit darstellen. Abschließend wird ein psychopathologischer Lösungsansatz vorgestellt, der gutachterliche Äußerungen zur Einsichtsfähigkeit an die Frage der freien Willensbestimmung koppelt: Beide Begriffe berühren prädezisionale Grundlagen späterer Handlungen. Dabei ist die Einsichtsfähigkeit auf das engste mit der Fähigkeit verknüpft, den eigenen Willen frei zu bilden. Krankheitssymptome und Störungen, durch die kognitive und motivationale Voraussetzungen der Willensbildung beeinträchtigt werden, lassen sich psychopathologisch erfassen. Auf dieser Basis getroffene Anmerkungen zur Einsichtsfähigkeit sind insbesondere für Minderbegabungen, demenzielle Abbauprozesse, organische Persönlichkeitsveränderungen, Störungen mit begleitenden Wahnsymptomen und Residuen schizophrener Psychosen von Bedeutung.

Abstract

The paper comments the German legal and forensic-psychiatric positions regarding the complex and yet unsolved question of insight in the context of criminal responsibility. Possible restrictions of insight are discussed. Finally a solution is suggested, which connects the assessment of insight with the ability to declare a free will: Both terms deal with the predecisional cognitive and motivational foundation of acts. Insight is closely associated with the competence to constitute a free will. Symptoms and disorders which tend to disturb this ability can be assessed by psychopathological methods. Possible restrictions concern mental retardation, dementia, organic personality disorders, mental disorders with delusional ideation and residual states of schizophrenia.