Psychometrische Merkmalsprofile von Angstpatienten und depressiven Patienten im Ost-West-Vergleich
Symptoms and Personality Traits of East and West German Psychotherapy Patients with Anxiety and Depressive DisordersJörg Frommer1
, Thilo Hoffmann2
, Norbert Hartkamp3
, Wolfgang Tress3
, Gabriele Helga Franke4
1Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
2Abteilung für Psychotherapeutische Medizin, AWO Fachkrankenhaus Jerichow
3Klinisches Institut und Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Für die Unterstützung bei der Aufarbeitung der epidemiologischen Literatur zu Ost-West-Differenzen bedanken wir uns bei der Gesundheitsberichterstatterin des Landes Sachsen-Anhalt, Frau Prof. Dr. B. Dippelhofer-Stiem, Institut für Soziologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Die vorliegende Studie untersucht Symptomausprägung und Persönlichkeit von Patienten der Psychosomatischen Universitätsabteilungen in Düsseldorf und Magdeburg in Abhängigkeit von den Diagnosen Angststörung und depressive Störung sowie in Abhängigkeit vom Klinikstandort (West- vs. Ostdeutschland). Vorgestellt werden die Ergebnisse der Analyse von 560 Datensätzen der SCL-90-R (Symptom-Checklist) und des IIP-D (Inventar zur Erfassung interpersoneller Probleme). Außerdem wird der Anteil beider Diagnosegruppen am Gesamtinanspruchnahmeklientel ermittelt. Unsere Ergebnisse bestätigen und ergänzen die Beobachtung anderer Autoren dahingehend, dass Angsterkrankungen im Vergleich mit depressiven Syndromen in den neuen Bundesländern nicht nur in der Allgemeinbevölkerung häufiger auftreten als in den alten Bundesländern, sondern auch im Inanspruchnahmeklientel der untersuchten Kliniken, während depressive Störungen in der Düsseldorfer Stichprobe häufiger sind. Ein weiteres Resultat ist, dass sich die untersuchten Diagnosen hinsichtlich einzelner Skalen der SCL-90-R und des IIP-D in charakteristischer Weise unterscheiden und dass die sich ergebenden Profile auch weitgehend gegenüber kulturellen Ost-West-Unterschieden stabil sind. Die Studie leistet einen Beitrag zur kontrastierenden Erarbeitung diagnostischer Profile und diskutiert die Abhängigkeit dieser Profile von sozialen und kulturellen Einflussfaktoren.
Abstract
The aim of this study is to explore symptoms and personality traits of patients from two Psychosomatic University Departments, one in Düsseldorf (West Germany) and the other in Magdeburg (East Germany), suffering from anxiety disorders and depression. 560 unselected outpatients with anxiety disorders and depression were examined with the Symptom-Checklist (SCL-90-R) and the Inventory of Interpersonal Problems (IIP-D). The ratio of these two diagnostic groups in relation to the total number of outpatients in both clinics was analysed. The results show a higher rate of Anxiety disorders in the East German group and a higher rate of depressed patients in the West German group. Both diagnostic groups differ in certain scales of SCL-90-R and IIP-D. These profiles are mainly stable against cultural (East-West) influences. The SCL-90-R and IIP-D should be used to develop diagnostic profiles of the discussed syndromes. Social and cultural influences of patients’ self ratings should be taken into account.
1 Häfner H, Veiel H. Epidemiologische Untersuchungen zu Angst und Depression. In: Helmchen H, Linden M (Hrsg) Die Differenzierung von Angst und Depression. Berlin; Springer 1986: 65-74
6
Franz M, Janssen P, Lensche H, Schmidtke V, Tetzlaff M, Martin K, Wöller W, Hartkamp N, Schneider G, Heuft G.
Effekte stationärer psychoanalytisch orientierter Psychotherapie - eine Multizenterstudie.
Z Psychosom Med Psychother.
2000;
46
242-258
7 Norman T R, Judd F K, Burrows G D. Catecholamins and anxiety. In: Burrows GD, Roth M, Noyes R (eds) Handbook of anxiety. Vol. 3. Amsterdam; Elsevier 1990: 223-241
9 Roth M. The relationship between anxiety and depressive disorders and its implication for the concept of a ‘General neurotic syndrome’. In: Burrows GD, Roth M, Noyes R (eds) Handbook of anxiety. Vol. 5. Amsterdam; Elsevier 1990: 1-20
12
Röhricht F, Beyer W, Priebe S.
Störungen des Körpererlebens bei akuten Angsterkrankungen und Depressionen - Neurotizismus oder Somatisierung?.
Psychother Psych Med.
2002;
52
205-213
14
Habich R, Noll H-H, Zapf W.
Subjektives Wohlbefinden in Ostdeutschland nähert sich westdeutschem Niveau - Ergebnisse des Wohlfahrtsurveys 1998.
ISI.
1999;
Heft Juli
1-6
15
Bernhard C.
Weiter deutliche Zufriedenheitsdifferenzen zwischen Ost und West trotz Annäherung in manchen Bereichen. Zur Entwicklung des subjektiven Wohlbefindens in der Bundesrepublik 1990 - 2000.
ISI.
2002;
Heft Juli
11-14
16 Berth H, Brähler E. Deutsch-deutsche Vergleiche. Psychologische Untersuchungen 10 Jahre nach dem Mauerfall. Berlin; Verlag für Wissenschaft und Forschung 1999
17 Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt (Hrsg) .Daten zur Gesundheit. Vierter Gesundheitsbericht des Landes Sachsen-Anhalt. Magdeburg; Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt 2003
18 Hänsgen K-D, Kasielke E, Schmidt L R, Schwenkmezger P. Persönlichkeitsvergleiche zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen: Selbsteinschätzungen, objektive Tests und neurosenrelevante Persönlichkeitsmerkmale. Trier; Trierer Psychologische Berichte 1991a Band 18, Heft 9
19 Hänsgen K-D, Kasielke E, Becker P, Schmidt L R. Zu Beschwerdeerleben und Selbstwahrnehmung im Längsschnitt der ostdeutschen und im Querschnitt zu westdeutschen Ländern. Bonn; DPV - Materialien des 1. Deutschen Psychologentages Dresden 1991b
20
Margraf J, Poldrack A.
Angstsyndrome in Ost- und Westdeutschland: Eine repräsentative Bevölkerungserhebung.
Z Klin Psychol Psychother.
2000;
29
157-169
21
Konzag T A, Kruse J, Fikentscher E, Bandemer-Greulich U, Schmitz N, Tress W.
Symptomatik und Lebensereignisse bei ost- und westdeutschen Psychotherapiepatienten/innen.
Z Psychosom Med Psychother.
1999;
45
157-169
22
Tress W, Frommer J, Langenbach M, Schmitz N.
Research in psychotherapeutic diagnosis and the concept of socio-empirical markers.
Psychother Res.
1997;
7
71-81
23
Becker P, Jürgensen R, Rüddel H.
Eignen sich SCL-90-R sowie drei Persönlichkeitsfragebogen für die Differenzialdiagnostik von Patienten aus unterschiedlichen diagnostischen Kategorien?.
Z Klin Psychol Psychother.
2002;
31
272-283
24
Rief W, Fichter M.
The Symptom Check List SCL-90-R and ist ability to discriminate between, dysthymia, anxiety disorders, and anorexia nervosa.
Psychopathology.
1992;
25
128-138
25
Saile H, Weiland-Heil K, Schwenkmezger P.
Lassen sich in klinischen Erstgesprächen valide Diagnosen stellen? Vergleich von klinischem Erstgespräch, strukturiertem Interview und Symptom-Checkliste.
Z Klin Psychol Psychother.
2000;
29
214-220
27 Hölzer M, Scheytt N, Kächele H. Das „Affektive Diktionär” als eine Methode der quantitativen Vokabularbestimmung. In: Züll C, Mohler P (Hrsg) Textanalyse. Anwendungen der computergestützten Inhaltsanalyse. Opladen; Westdeutscher Verlag 1992: 131-154
28
Berth H, Krause C, Wittig D, Frommer J.
Angst und Depressivität im Erstgespräch bei ost- und westdeutschen Psychotherapiepatienten.
Z Psychosom Med Psychother.
2003;
49
139-150
29 Derogatis L R. SCL-90-R: Administration, scoring, and procedures manual-II for the R (revised) version and other instruments of the psychopathology rating scale series. Townson; Clinical Psychometric Research Inc. 1992
31 Horowitz L M, Strauss B, Kordy H, Alden L E, Wiggins J S, Pincus A L, Hannöver W. Inventar zur Erfassung Interpersonaler Probleme. Göttingen; Beltz 2000 2. Auflage
34 Schluchter W. Institutionen und Mentalitäten. Über die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen oder: Von dem schließlich doch nur allmählichen Untergang der DDR. In: Schluchter W (Hrsg) Neubeginn durch Anpassung? Studien zum ostdeutschen Übergang. Frankfurt a. M.; Suhrkamp 1996: 11-59
35
Frommer J, Frommer S.
Von der Hysterie zur Nervosität - Anmerkungen zu Willy Hellpachs sozialpathologischen Prognosen für das 20. Jahrhundert.
Psychother Psych Med.
1997;
47
219-224
36
Frommer J.
Psychische Störungen durch globale gesellschaftliche Veränderungen. Zur politischen Traumatisierung der Bevölkerung in den neuen Bundesländern.
Fortschr Neurol Psychiat.
2002;
70
418-428