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DOI: 10.1055/s-2004-812977
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Offene Korrespondenz
Publication History
Publication Date:
04 May 2004 (online)
Zur Therapie der endokrinen Orbitopathie - Diskussionsbeitragzur Arbeit von Grenzebach et al (Klin Monatsbl Augenheilkd 2003; 220: 345-351)
Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Therapievorschläge zur Strahlentherapie [3] und zur Dekompressionsoperation [2] erfordern im Hinblick auf unsere Erfahrungen eine Stellungnahme. Seit 1983 wurden im Kopfklinikum von der Würzburger interdisziplinären Arbeitsgruppe, deren ophthalmologischen Part seit 1988 Frau Dr. Sold wahrnimmt, über 500 Dekompressionsoperationen ausgeführt. Vorgeschichte und Ergebnisse bei diesen Patienten veranlassten uns [1], folgendes Vorgehen festzulegen: Bei beginnender endokriner Orbitopathie ist der Schilddrüsenstoffwechsel zu überwachen bzw. zu regulieren. Mit einer hohen Rate von Spontanremissionen ist zu rechnen. Bei Progression muss alles immunkompetente Schilddrüsengewebe entfernt werden (Regulierung mit Thyreostatika genügt nicht, zu oft Rezidive!), dann setzen wir eine (nicht mehrere!) Steroidkur ein. Diese ist - ebenso wie die Strahlentherapie - nur im akut entzündlichen Stadium wirksam, ihre Nebenwirkungen sind weniger gravierend als die der Strahlentherapie, welche gut dargestellt wurden [3] und nicht vernachlässigt werden dürfen (1,2 % Tumorinduktion, verstärkte Fibrosierung, die spätere operative Entlastungen deutlich erschwert). Demgegenüber sind die von den Autoren beschriebenen therapeutischen Effekte der Strahlentherapie doch recht begrenzt. Ein sehr früher Einsatz der Strahlentherapie wäre zugunsten der Wirksamkeit wünschenswert, doch ist da noch nicht erkennbar, welcher Patient einen schweren Verlauf erleben wird. Man würde eine große Zahl von Patienten bestrahlen, von welchen nur wenige wirklich eine eingreifende Therapie benötigen. Das halten wir nicht für vertretbar.
Führt eine Steroidkur nicht zum Abklingen der Symptome, so ist ab fortgeschrittenem Stadium III nach Werner meist die Indikation zur Orbitadekompression gegeben. Es ist zu begrüßen, dass diese nun auch hier häufiger eingesetzt wird. Die Entlastung erfolgt am besten in Richtung Siebbein [4]. Die Autoren [2] suchen eine Periorbitabrücke so zu belassen, dass eine Verlagerung des M. rectus medialis verhindert wird, da diese Verlagerung zu einem Innenschielen führt. Das gilt aber nur, wenn eine Grundvoraussetzung fehlt: die nach unseren Erfahrungen absolut unverzichtbare Zusammenarbeit des Rhinochirurgen mit dem Ophthalmochirurgen am Operationstisch. Eine solche Periorbitabrücke beschränkt die Entlastung und damit die Rückbildung des Exophthalmus. Die Druckentlastung des N. opticus kann nur durch die Verlagerung des Muskels erreicht werden. Fettgewebe gibt es im hinteren Orbitadrittel bei den schweren Verläufen nicht - der Sehnerv ist zwischen den geschwollenen Muskeln eingeklemmt. Der Ophthalmochirurg kann mit dem Rhinochirurgen am Tisch beraten, ob und wie weit gehend die Entlastung auf Stirn- und Kieferhöhle ausgedehnt werden muss. Er führt sogleich die Rücklagerung des M. rectus medialis aus, womit die Verlagerung ausgeglichen wird. Ein passiver Duktionstest (am feinfühligsten mit Zügelfäden) zeigt, ob sofort auch weitere Operationen an anderen Muskeln - unter Beachtung des präoperativen Motilitätsstatus - auszufuhren sind. Dies führt in Verbindung mit dem unverzichtbaren Motilitätstraining ab 1. postoperativen Tag (!) - vor Einsetzen von Vernarbungsvorgängen - zu weit besseren Ergebnissen als spätere Schieloperationen. Man muss die Patienten motivieren und darüber aufklären, dass keine Schäden entstehen, wenn es in den ersten Tagen bei diesen Übungen etwas schmerzt, und dass sie später nicht mehr erreichen können, was sie nicht in der ersten Woche schaffen - Fettresektionen führen nicht selten zu schwer korrigierbaren Motilitätsbeeinträchtigungen. Deshalb beschränken wir uns auf die Verlagerung des Fettgewebes.
Unser Vorgehen - speziell die Zusammenarbeit am Operationstisch - wurde inzwischen von anderen Kliniken übernommen und aufgrund der überzeugend besseren Ergebnisse langfristig beibehalten (Beispiel: Universitätsaugenklinik Köln, Frau Dr. Neugebauer). Dort wie auch in Würzburg wird die Zusammenarbeit durch räumliche Nähe der Operationssäle wesentlich erleichtert. Wo diese nicht gegeben ist, kann diese enge Kooperation meist nicht realisiert werden. Dann ist es besser, solche Patienten an eine Klinik zu überweisen, die diese Voraussetzungen hat. Bei zeitlich getrenntem Vorgehen geht dem Patienten ein erheblicher Teil des erzielbaren Erfolges verloren.
Die Strahlentherapie setzten wir mit Erfolg im akuten Stadium bei den seltenen Rezidiven nach der Operation ein.
Literatur
Buschmann W. Klinisches Bild, Ultraschalldiagnostik und rationelle Therapie der endokrinen Orbitopathie. Augenärztliche Fortbildung 1989; 12: 65 - 83
Grenzebach U, Schnorbus U, Büchner T, Busse H, Stoll W. Motilitätsentwicklung nach modifizierter 3-Wand-Dekompression der Orbita bei endokriner Orbitopathie aus funktioneller und rehabilitativer Indikation. KlinMonatsbl Augenheilkd 2003; 220: 345-351
Pitz S, Kahaly G, Rösler H, Krummenauer F et al. Retrobulbäre Bestrahlung bei endokriner Orbitopathie - Erfahrungen im Langzeitverlauf. Klin Monatsbl Augenheilkd 2002; 219: 876 - 882
Richter W, Kley W, Buschmann W. Ethmoidektomie und Orbitadekompression bei endokriner Orbitopathie. Laryng Rhinol Otol 1984; 63: 356 - 360
W. Buschmann, Mohnstraße 11, 97080 Würzburg