Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2004-813136
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Fritz Schilling 85 Jahre
Fritz Schilling 85 YearsPublication History
Publication Date:
21 April 2004 (online)
Nun weiß man aber doch,
dass sich Alter immer mehr oder weniger
mit Resignation und Pathos verabschiedet
Fritz Schilling (1994)
Zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. med. Fritz Schilling am 6. April 1989 erschien aus der Feder von Georg Vetter [4] eine Würdigung seines Lebens und Wirkens, die die wichtigsten Daten der Laufbahn und die wissenschaftlichen Leistungen des Jubilars auflistete. Aus dem gleichen Anlass schilderte sein Freund und Weggefährte Hans Georg Fassbender [1] anrührend und einfühlsam die reiche, aber nicht immer einfache und keinesfalls von Widersprüchen freie Persönlichkeit Fritz Schillings: seine Bescheidenheit und Verletzlichkeit, seine Freude und innere Befriedigung, wenn er helfen konnte, das Mit-Leiden mit seinen Kranken und den Kummer über die Begrenztheit ärztlichen Vermögens, die Konsequenz, wenn es um die Bewahrung tradierter Werte geht, und seine gelegentliche Verzagtheit. Mit seiner - ersten! - Abschiedsvorlesung am 30. Januar 1989, die in ihrer Druckfassung [2] ein lesenswertes Dokument der Geschichte unseres Fachgebietes bleibt, hat sich Fritz Schilling selbst ein schönes Denkmal gesetzt.
Fritz Schilling
Wozu daher, könnte man fragen, 15 Jahre später eine erneute Laudatio? Der erste von zwei Gründen ist offensichtlich, denn wichtige Arbeiten von ihm sind erst nach seiner Emeritierung entstanden. Als ihm Freund Fassbender damals auf die Frage: Resignation oder Weitermachen? zu Letzterem riet, ahnte wohl niemand, welche reichen Früchte es trug, dass sich F. Schilling immer wieder in die Pflicht nahm. Hier wäre zunächst die nosologische Feinarbeit mit zum Teil detektivischer Qualität an dem „Dach-Syndrom” (Schilling) von SAPHO (Synovialitis, Akne, Pustulosis, Hyperostose, Osteitis) zu nennen. Unter dessen fünf Unterformen hat sich der Jubilar besonders sorgfältig der chronisch rekurrierenden multifokalen Osteomyelitis (CRMO) angenommen und fast alle ihre unterschiedlichen Manifestationsformen - genannt seien hier nur der mandibuläre, der Beckentyp (oft mit Coxitis: „sympathische Arthritis”, Schilling), der vertebrale und zuletzt der enteropathische Typ - mit einer Reihe von Koautoren monografisch abgehandelt. Dieses umfassende Thema, das allein eine Lebensarbeit umfassen könnte, legte er seiner zweiten „Abschiedsvorlesung” am 30. Juli 2003 zugrunde. Dazwischen lagen in den vergangenen Jahren noch bedeutsame Wortmeldungen zu früher bearbeiteten Themen, so zur Reflexdystrophie (M. Sudeck), zur Differenzialdiagnose und Osteoporose bei Spondylitis ankylosans, zur rheumatischen Polyneuropathie; und immer wieder mahnende Worte zum drohenden Erkenntnisverlust historischer Zusammenhänge, zur Bewahrung des Fachgebiets, zur Verantwortung des Rheumatologen in der Skelettradiologie.
Diesem Alterswerk würdig zur Seite gestellt werden kann ein Thema, vom Jubilar oft als sein Lebensendwerk bezeichnet, mit dem er ein Gebiet erschloss, welches dem Rheumatologen, der sich doch in der Regel mit der verminderten Beweglichkeit beschäftigt, kaum bekannt, viel weniger wissenschaftlich bearbeitet war: die Hypermobilität. Mit seiner im vergangenen Jahr erschienenen Publikation [3] „Das Hypermobilität-Syndrom. Übersicht, großfamiliäre Kasuistik und Pathologie der Kollagentextur” machte er zusammen mit dem Anatomen E. Stofft auf das Krankheitspotenzial - u. a. mit episodischen arthritischen Reizsyndromen, Fibromyalgie und prämaturen Arthrosen - bei konstitutionellen und erworbenen Überbeweglichkeiten der Gelenke aufmerksam.
Wenn auch die bisher geschilderten Aktivitäten der Emeritus-Zeit ausreichen, eine aktuelle Würdigung des Jubilars zu rechtfertigen, so kommt doch noch ein besonderer Grund hinzu: Alle bisherigen Laudatoren, unter ihnen auch die der Ehrenmitgliedschaften in den Deutschen Gesellschaften für Rheumatologie (1990) und Osteologie (2003), haben sein frühes und beharrliches Eintreten für die Entwicklung des Fachgebiets und die Verbesserung der Patientenbetreuung kaum erwähnt. Vielleicht liegt es an der längeren zeitlichen Perspektive. Wenn man sich heute mit den Anfängen der Bestrebung für eine angemessene rheumatologische Versorgungsstruktur in Deutschland beschäftigt, so stößt man häufig auf den Namen Fritz Schilling. Das Gründungsmitglied der Deutschen Rheuma-Liga (1970), der Mitbegründer und Ehrenpräsident ihres Landesverbands Rheinland-Pfalz meldete sich immer wieder mit Thesen wie „Arzt und Patient sind Therapiepartner” (1984) oder „Wir definieren solche Stätten umfassender rheumatologischer Behandlung als Rheumazentren” (1986) zu Wort. Nicht ohne Rührung hält man das dreiseitige Papier über die Konzeption regionaler Rheumazentren in der Hand (Abb. [2]), das zum (70. Geburtstags-)Symposion in Bensheim mit dem von F. Schilling gewünschten Thema diskutiert wurde und welches sich so überaus fruchtbar erwies. Die damals nur als Gedankengebilde existenten Rheumazentren stellen mit ihrem heute dichten Netz die Basis der rheumatologischen Versorgung in Deutschland dar. Und, last not least, der diesjährige Geburtstag des Jubilars fällt zusammen mit dem 50. Jahrestag seiner rheumatologischen Tätigkeit und dem 30. Jahrestag der Erteilung seiner Professur für „Klinische und Radiologische Rheumatologie”!
Abb. 2 Gemeinsames Papier der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und der Deutschen Rheuma-Liga zum Symposium über Versorgungsstrukturen für Rheumakranke.
Du siehst, lieber Fritz, die Saat ist aufgegangen. Dein und das Werk vieler, vieler Mitstreiter ist in guten Händen. Das gilt übrigens auch für Deine wissenschaftliche Bibliothek mit 1300 Titeln, zahlreichen Sonderdrucken und Diapositiven, die Du vor Jahren der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie übereignet hast und die heute in einer medizinhistorischen Sammlung bewahrt wird. Solltest Du jetzt noch einmal die Frage stellen: Resignation oder Weitermachen? - die Antwort der jüngeren Generation wäre die gleiche wie damals.
Literatur
- 1 Fassbender H G. Professor Dr. med. Fritz Schilling anläßlich seines 70. Geburtstages am 6. April 1989. Z Rheumatol. 1989; 48 103-106
- 2 Schilling F. Abschiedsvorlesung. 36 Jahre Rheumatologie Mainz/Bad Kreuznach. Künftige Wege und Postulate der Deutschen Rheumatologie. Rheuma, Schmerz, Entzündung. 1989; 9 1-50
- 3 Schilling F, Stofft E. Das Hypermobilität-Syndrom. Übersicht, großfamiliäre Kasuistik und Pathologie der Kollagentextur. Osteol. 2003; 12 205-232
- 4 Vetter G. Prof. Dr. med. Fritz Schilling zum 70. Geburtstag. Akt Rheumatol. 1989; 14 45