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DOI: 10.1055/s-2004-813204
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Editorial
Publication History
Publication Date:
24 May 2004 (online)
Frühinterventionen sind als Thema nicht neu, bekommen aber durch das Zusammenwirken verschiedener Institutionen einen neuen Stellenwert. Diskussionswürdig ist die Fragestellung der Frühinterventionen in Abgrenzung zur Prävention allemal: Lassen sich pragmatisch Abgrenzungen zwischen Prävention und Frühintervention darstellen oder bleiben die Übergänge - wie so häufig - fließend?
Das Lateinische hilft nur scheinbar bei der Unterscheidung: Die „Inter-vention” kommt irgendwie „zwischen” etwas, die „Prä-vention” vor etwas. Tatsächlich kommt aber auch die Prävention durch ihre Staffelung von Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention „zwischen” etwas, die Frühintervention möchte aufgreifen, be„vor” etwas in den Brunnen gefallen ist.
Hilfreicher ist es daher, in den gebräuchlichen Wortsinn zu wechseln. Dort finden wir unter Prävention die Vorbeugung und die Verhütung, bei der Intervention Vermittlung, Einmischung und eine kryptisch anmutende Formulierung, die „Eintritt in eine Wechselverbindlichkeit” lautet. Damit kommen wir der Intention der meisten sich Frühintervention nennenden Maßnahmen schon näher: Es wird vermittelt, sich eingemischt und etwas im Wechsel vollzogen. Es hat den Anschein, als würde es in diesem Stadium des Geschehens zwei Partner geben, die in eine Beziehung treten, um gemeinsam eine Veränderung zu vollziehen. Das würde bedeuten, dass man sich von einem Ungleichgewicht entfernt, bei dem die eine Seite bereits Wissen und Erkenntnis hat, das der anderen Seite noch fehlt, bzw. das die andere Seite nicht zur Kenntnis nehmen möchte.
Unseres Erachtens liegt genau hier die Chance: mit Frühinterventionen einen „Link” zu finden, der zwischen Konsumenten und Gesundheitspflegern eine Verbindung herstellt, von der beide Seiten profitieren können: Die einen erhalten Informationen zum Thema ihrer spezifischen Konsumgewohnheiten auf möglichst wertfreier Basis und teilen eben ihre spezifischen Gewohnheiten mit den Beratern, die ihrerseits lernen und im Folgenden weitere - auch andere Angebote - spezifischer anpassen können.
Bei positivem Verlauf sind beide Seiten am Ende des Prozesses in der Lage, sich ein Bild über ihr eigenes Agieren zu machen. Es geht nicht um Vermeidung von etwas, sondern um (gegenseitige) Sensibilisierung.
Das betrifft im Übrigen nicht nur Nutzer und Anbieter, sondern im gleichen Maß auch verschiedene Einrichtungen des Gesundheitssystems, die durch die Klammer der „Frühintervention” gemeinsam handeln und lernen können, also z. B. eine Präventionsstelle gemeinsam mit einer Beratungsstelle oder einem niedergelassenen Arzt. Ebenso kann die Frühintervention eine Tür für Monitoring und Forschung öffnen.
Der Artikel von Elke Rühling, Maren Stich und Christina Hartwig gibt einen Überblick über im deutschen Sprachraum praktizierte Frühinterventionen und stellt eine mögliche Abgrenzung der Begriffe Frühintervention und Prävention zur Diskussion.
Michael Berner spezifiziert in einem Artikel die Möglichkeiten von Frühinterventionen in der Allgemeinmedizin. Als Beispiel für eine evaluierte Frühintervention steht FreD (Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten), dargestellt von Wilfried Görgen und Wolfgang Rometsch.
Georg Farnbacher
Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS), c/o Zentrum für Psychosziale Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie im UKE
Martinistraße 52
20246 Hamburg
Email: farnbach@uke.uni-hamburg.de