Z Gastroenterol 2004; 42(9): 1007-1011
DOI: 10.1055/s-2004-813493
Leitlinen

© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fulminanter Schub

Fulminant DiseaseJ. C. Hoffmann1 , O. Schwandner2 , H.-P Bruch2
  • 1Medizinische Klinik I mit Schwerpunkt Gastroenterologie/Infektiologie/Rheumatologie, Charité, Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Berlin
  • 2Universität zu Lübeck, Chirurgische Klinik, Lübeck
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
29. September 2004 (online)

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Definition

Empfehlung

Der fulminante Schub ist definiert durch die klinische Symptomatik mit systemischer Beteiligung wie Fieber, Tachykardie und Anämie sowie erhöhte Entzündungsparameter. Entscheidende Symptome sind häufige blutige Diarrhöen, Fieber > 38,5° und reduzierter Allgemeinzustand sowie Gewichtsabnahme (C). Im Labor finden sich in der Regel das Hb < 10 g/dl (6,2 mmol/l), eine Leukozytose, ein CRP > 45 mg/l sowie ein niedriges Albumin (< 30 g/l) (C). Eine Abdomenübersicht sollte mit der Fragestellung nach einer Kolondilatation (evtl. Megakolon) und/oder Überblähung des Dünndarms erfolgen (C).

Ein Megakolon liegt bei einem Durchmesser von ≥ 6 cm in der Röntgenabdomenübersicht vor (B). Die hochauflösende Sonographie durch einen erfahrenen Untersucher kann die Primärdiagnostik sinnvoll ergänzen (B). Eine Rektosigmoidoskopie sollte zur Differenzialdiagnostik und Beurteilung des endoskopischen Schweregrades durchgeführt werden (B).

Da eine fulminante Colitis oder ein toxisches Megakolon auch auf dem Boden einer intestinalen Infektion auftreten kann, sollten Stuhlkulturen auf pathogene Keime (C) und Clostrium difficile Toxin A (B) sowie eine adäquate CMV-Diagnostik (C) primär erfolgen.

Das toxische Megakolon sowie die akute untere gastrointestinale Blutung im Rahmen der Colitis ulcerosa stellen Sonderformen des fulminanten Schubs dar (A).

Ein Fehlen eines oder mehrerer dieser Parameter schließt einen fulminanten Schub nicht aus (C).

Erläuterung

Es bestand bei der Konsensuskonferenz Übereinkunft, dass der fulminante Schub vor allem über die klinische Symptomatik definiert wird, allerdings unter Berücksichtigung der Laborwerte und der radiologischen Befunde. Eine international verbindliche Definition liegt nicht vor [1] [2], die oben genannte Beschreibung hat daher konventionellen Charakter. Die bisher vorliegenden Aktivitätsindizes sind nicht hinreichend validiert, der verbreitete Truelove- und Witts-Index subsumiert den fulminanten unter den schweren Schub [3]. Da der fulminante Schub aber im Gegensatz zu den blanderen Formen des schweren Schubs immer stationär therapiert wird und u. U. eine Kolektomie indiziert ist, wird er hier getrennt besprochen.

Die oben genannten Parameter orientieren sich an der vorliegenden Literatur. Bezüglich des roten Blutbilds liegen die Grenzen ähnlich wie bei Truelove und Witts bei 75 % des Normalhämoglobins. Die BSG gibt keine zusätzliche Information zum CRP.

Der Stellenwert der Endoskopie wird kontrovers diskutiert. Obwohl sogar die vollständige Koloskopie durch einen erfahrenen Untersucher kein hohes Risiko trägt [4] und die Frage nach tiefen Ulzera einen wesentlichen prognostischen Faktor darstellt [5], besteht kein Konsens, ob eine Sigmoidoskopie oder Koloskopie durchgeführt werden sollte. Insbesondere bei einer Erstmanifestation oder einem atypischen Verlauf kann eine endoskopische Diagnostik mit Histologie im Rahmen der Differenzialdiagnose und für die Therapieentscheidung wegweisend sein [4] [5] [6].

Von wesentlicher Bedeutung ist die Abdomenübersicht mit Messung des Durchmessers im Colon transversum zur rechtzeitigen Erfassung des (drohenden) toxischen Megakolons, auch wenn hierzu keine guten Studien vorliegen. Als obere Normgrenze wurden jedoch 5,5 cm im Colon transversum ermittelt. Relevant ist auch der Dünndarmmeteorismus [7] [8], während sich die Darstellung nach Luftinsufflation [9] nicht durchgesetzt hat.

Neben einer Colitis ulcerosa können auch infektiöse Kolitiden einen fulminanten Verlauf nehmen und sich teilweise als toxisches Megakolon präsentieren. Dies ist durch Fallberichte für die Salmonellenkolitis [10] und durch große Studien für die pseudomembranöse Kolitis [11] [12] sowie die CMV-Kolitis belegt [13] [14] [15] [16] [17]. Insgesamt deutlich seltener findet sich in Europa ein fulminanter Verlauf im Rahmen einer Amöbeninfektion [18]. Eine entsprechende Diagnostik muss jedoch bei Hinweisen in der Anamnese oder beim Versagen der Primärtherapie erfolgen.

Empfehlung

Die Prognose lässt sich nach drei Tagen anhand der Stuhlfrequenz, des CRP und der Temperatur weitgehend abschätzen (C). Ein gegenüber der Standardtherapie (Kortikosteroide) refraktärer Verlauf sollte zu einer frühzeitigen Ausweitung der Therapie führen (A).

Erläuterung

Die durchschnittliche Zeitdauer bis zum Ansprechen auf die klassische intravenöse Kortikosteroidtherapie liegt bei 7,5 Tagen [19]. Bei fehlendem Ansprechen wurde in der einzigen kontrollierten Studie zu Immunsuppressiva nach mindestens 7 Tagen auf Cyclosporin umgestellt [20]. Fallserien legen nahe, dass die Prognose bereits nach 3 Tagen abgeschätzt werden kann [21] [22]. Die Schwere des Ausgangsbildes sowie der individuelle Verlauf sind entscheidend für die Beurteilung der Therapierefraktärität.

Literatur

Priv.-Doz. J. C. Hoffmann

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