intensiv 2004; 12(6): 286-289
DOI: 10.1055/s-2004-813685
Ethik

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zur Persönlichkeit des Wachkomapatienten[*]

Andreas Zieger1
  • 1Ev. Krankenhaus, Oldenburg
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Publikationsdatum:
09. November 2004 (online)

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Während des Lurija-Kongresses im Sommer 2002 [1] in Bremen wurde ich von der Redaktion von FRAGILE gefragt, ob ich einen Beitrag zur Persönlichkeit des Wachkomapatienten schreiben könne. Das Ungewöhnliche an dieser Frage ist, dass in der Neuropsychiatrie und Hirnforschung zwar etliche Syndrome von verlorenen, zerstückelten, fremdinterpretierten oder auch anderweitig „verrückten” Persönlichkeitsveränderungen als Folge einer schweren Hirnschädigung bekannt sind [2]. Gerade aber, weil im Falle eines Wachkomas (sog. apallischen Syndroms) eine schwerstgradige Dissoziation und Schädigung der integrierten Leib-Seele-Geist-Einheit, des Selbst, vorliege, könne, wie in der defektmedizinischen Literatur und in der bioethischen Debatte immer wieder zu lesen und zu hören ist, ein Wachkomapatient lediglich als Mensch und nicht als Person existieren und folglich keine Persönlichkeit haben. Somit wäre die Frage nach einer Persönlichkeit im Wachkoma ein Selbstwiderspruch. Die Frage nach der Persönlichkeit im Wachkoma signalisiert einen deutlichen Zweifel und steht im Widerspruch zum defektmedizinischen Dogma. Was müsste geschehen, wenn der Wachkomapatient doch eine Persönlichkeit „hätte”? Der Herausforderung, die durch diesen Zweifel an scheinbar vertrauten philosophischen, Positionen zum Verhältnis von Mensch und Person, Bewusstsein und Koma, Menschenwürde und Persönlichkeit angesprochen wird [3], werde ich mich in diesem Beitrag stellen.

1 Erschienen im Themenheft „Lernen” (2/2003) der Zeitschrift FRAGILE der Selbsthilfeorganisation FRAGILE Suisse in Zürich/Schweiz

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