Pneumologie 2004; 58(4): 204-205
DOI: 10.1055/s-2004-818413
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Bedeutung der Pleuraerkrankungen

The Importance of Pleural DiseasesR.  Loddenkemper1 , W.  Frank1
  • 1Lungenklinik Heckeshorn, Berlin
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
20. April 2004 (online)

Pleuraerkrankungen sind häufig, ihre jährliche Inzidenz wird auf 300/100 000 Einwohner geschätzt [1]. Somit sind in Deutschland etwa 240 000 Erkrankungen der Pleura jährlich zu erwarten. In den U.S.A. liegt der angenommene Anteil, den Pleuraerkrankungen bei pneumologischen Konsultationen ausmachen, bei etwa 25 % [2]. E. Kuntz gab in seiner Monographie 1968 an, dass bei etwa 10 % aller Patienten eines gemischt-internistischen Krankengutes ein Pleuraerguss nachweisbar war [3]. Heute dürfte dieser Anteil noch größer sein, da sich sonographisch und computertomographisch auch sehr kleine Ergüsse erfassen lassen.

Stand Anfang des vorigen Jahrhunderts die Pleuritis tuberculosa ganz im Vordergrund, so ist heute klar, dass die Pleura bei einer Vielzahl von Erkrankungen primär oder sekundär beteiligt ist.

Diese Pleura-Serie, die mit einer Übersicht zur „Bildgebenden Diagnostik” in diesem Heft der „Pneumologie” beginnt [4], greift sich neben wenigen weiteren grundlegenden Übersichten („Pathologie der nicht-neoplastischen und der malignen Pleuraerkrankungen” [5] [6], „Diagnostisches Vorgehen beim Pleuraerguss” [7]) die wichtigsten klinischen Schwerpunktthemen heraus: „Management des malignen Pleuraergusses” [8], „Therapeutische Optionen beim diffusen malignen Pleuramesotheliom” [9], „Behandlung des Pleuraempyems” [10] und „Behandlung des Spontanpneumothorax” [11]. Wie wichtig dem Kliniker diese Schwerpunktthemen sind, geht aus der Statistik der „Top 100 Topics” hervor, die in „UpToDate in Pulmonary and Critical Care Medicine” im März 2003 von Pneumologen angegeben wurden: Das „diagnostische Vorgehen beim Pleuraerguss” stand an vierter, die „Pathogenese und das Management des parapneumonischen Ergusses und des Empyems” an siebter, der „nicht diagnostizierte Pleuraerguss” an 41., der „primäre Spontanpneumothorax” an 54., die „Diagnose und das Management des Chylothorax und der chyliformen Ergüsse” an 69. und der „sekundäre Spontanpneumothorax” an 86. Stelle [12]. In Deutschland leiteten die „Empfehlungen zum diagnostischen Vorgehen beim Pleuraerguss” die Serie von Leitlinien und Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie ein [13].

Trotz verschiedener internationaler Empfehlungen [14] [15] [16] [17] ist nicht zu leugnen, dass bislang ein einheitlicher Konsensus bei den meisten therapeutischen Schwerpunkten nur partiell erzielt werden konnte. Zu viele unterschiedliche Meinungen bestehen, nicht nur zwischen Pneumologen und Thoraxchirurgen. Es liegen zu wenig evidenzbasierte Daten und zu wenig multizentrische prospektive Studien vor. Aber es gibt auch immer wieder neue diagnostische und therapeutische Entwicklungen, die in ihrem Wert berücksichtigt werden müssen.

Die Veröffentlichungen innerhalb dieser Pleura-Serie sollen den derzeitigen Stand aus internistischer Sicht darstellen und zur weiteren, möglichst sachlichen, Diskussion beitragen. Die Serie beschränkt sich bewusst auf wenige Schwerpunkte. Zum gesamten Gebiet der Pleura wird auf kürzlich erschienene Übersichten verwiesen [1] [2] [18].

In Zukunft ist davon auszugehen, dass die Inzidenz der Pleuraerkrankungen ansteigen wird, weil mit zunehmender Lebenserwartung Krankheiten, die mit einem Pleuraerguss einhergehen können, wie Herzinsuffizienz, maligne Tumoren oder Pneumonien, häufiger vorkommen werden. Gleichzeitig ist es wahrscheinlich, dass sich die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten auch bei Pleuraerkrankungen ständig verbessern werden. Light und Lee stellen im Abschlusskapitel ihres Buches die Prognose, dass 40 % der inhaltlichen Aussagen sich innerhalb der nächsten 20 Jahre als überholt oder sogar als falsch herausstellen werden [1]. Der schwierige Aspekt dieser Prognose ist, dass zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nicht bekannt ist, um welche 40 % es sich handeln wird. Sie schließen mit einer kontroversen Debatte über die zukünftige Entwicklung der Grundlagenforschung (Bedeutung der Mesothelzelle, der Genetik, der Ergussproduktion, der Pleurodese, der Pharmakokinetik und des Mesothelioms) und der klinischen Forschung (Bedeutung der Unterscheidung zwischen Transsudat und Exsudat [eher abnehmend?], der Sonographie, der immunologischen Infektions- und Tumordiagnostik, der lokalen Behandlung des Pleuraempyems, der Thorakoskopie, der besseren Pleurodeseverfahren, des Managements des Pneumothorax u. a.).

Sie stellen aber auch fest, dass die Forschung auf dem Pleuragebiet zu gering entwickelt ist, wohl weil wenig kommerzielles Interesse besteht, und dass sich auch bislang keine speziellen Pleuraarbeitsgruppen, wie z. B. bei Atemwegserkrankungen, Lungenfibrose oder pulmonaler Hypertonie, zusammengefunden haben. Sie haben als Forum einen internationalen Pleura-Newsletter gegründet, der über das Internet verteilt wird [19].

Es bleibt zu hoffen, dass diese Pleura-Serie dazu beiträgt, die Diagnostik und Therapie von Pleuraerkrankungen zu verbessern.

Literatur

  • 1 Light R W, Lee Y CG. (Hrsg) .Textbook of pleural diseases. London: Arnold 2003
  • 2 Loddenkemper R, Antony V B. (Hrsg) . Pleural diseases.  Eur Respir Mon. 2002;  7 (22) 1-326
  • 3 Kuntz E. Die Pleuraergüsse. München-Berlin-Wien: Urban & Schwarzenberg 1968
  • 4 Bittner R. Bildgebende Diagnostik bei Pleuraerkrankungen.  Pneumologie. 2004;  58 238-254
  • 5 Müller K-M. Anatomie und Morphologie nicht-neoplastischer Pleuraerkrankungen.  Pneumologie. 2004;  58 im Druck
  • 6 Müller K-M. Pleuramesotheliom - Pathologie und Pathogenese.  Pneumologie. 2004;  58 im Druck
  • 7 Frank W. Diagnostisches Vorgehen beim Pleuraerguss.  Pneumologie. 2004;  58 im Druck
  • 8 Loddenkemper R. Management der malignen Pleuraergüsse.  Pneumologie. 2004;  58 im Druck
  • 9 Serke M, Loddenkemper R. Therapeutische Optionen beim diffusen malignen Pleuramesotheliom.  Pneumologie. 2004;  58 im Druck
  • 10 Hamm H. Behandlung des Pleuraempyems.  Pneumologie. 2004;  58 im Druck
  • 11 Tschopp J-M, Noppen M. Behandlung des Spontanpneumothorax.  Pneumologie. 2004;  58 im Druck
  • 12 UpToDate in Pulmonary and Critical Care Medicine. Top 100 topics viewed by pulmonologists in March 2003. 
  • 13 Loddenkemper R, Engel J, Fabel H. et al . Diagnostisches Vorgehen beim Pleuraerguss.  Prax Klin Pneumol. 1982;  36 447-449
  • 14 Antony V B, Loddenkemper R, Astoul P. et al . Management of malignant pleural effusions.  (ERS/ATS Statement) Eur Resp J. 2001;  18 402-419
  • 15 Colice G L, Curtis A, Deslauriers J. et al . Medical and surgical treatment of parapneumonic effusions: an evidence-based guideline.  Chest. 2000;  18 1158-1171
  • 16 Baumann M H, Strange C, Heffner J E. et al . AACP Pneumothorax Consensus Group. Management of spontaneous pneumothorax: an American College of Chest Physicians Delphi consensus statement.  Chest. 2001;  119 590-602
  • 17 British Thoracic Society. BTS Guidelines for the management of pleural diseases. Thorax 2003 58 (Suppl. II): 1-59
  • 18 Light R W. Pleural diseases. Fourth Edition. Philadelphia: Lippincott: Williams & Wilkins 2001
  • 19 Light R W, Lee Y CG. International Pleural Newsletter. http://www.musc.edu/pleuralnews

Prof. Dr. R. Loddenkemper

Lungenklinik Heckeshorn

Zum Heckeshorn 33

14109 Berlin

eMail: loddheck@zedat.fu-berlin.de

    >