Pneumologie 2004; 58(4): 278-280
DOI: 10.1055/s-2004-818441
Workshop
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Chlamydieninfektionen beim Tier

P.  Reinhold1 , K.  Sachse1, 2
  • 1Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere (BFAV), Standort Jena
  • 2Nationales veterinärmedizinisches Referenzlabor für Psittakose (BFAV)
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Publication History

Publication Date:
20 July 2005 (online)

Einleitung

Zu der Familie Chlamydiaceae zählen nach der revidierten Taxonomie von Everett u. Mitarb. [1] mittlerweile neun Spezies der Genera Chlamydia (C.) und Chlamydophila (Cp.). Chlamydien sind bei Tier und Mensch weit verbreitet (Tab. [1]) und können eine Reihe unterschiedlichster Krankheiten hervorrufen. Im Schrifttum werden für verschiedene Tierarten sehr differierende Krankheitsbilder mit teils akutem, teils chronischem Verlauf beschrieben. Das Ausmaß und die pathogenetische Bedeutung von klinisch inapparenten persistierenden Chlamydien-Infektionen sind weitgehend unbekannt. Weltweit widmen sich gegenwärtig viele Forschergruppen der Frage nach den Virulenzfaktoren der einzelnen Chlamydienspezies.

Tab. 1 Vergleich zwischen alter und neuer taxonomischer Einteilung der Familie Chlamydiaceae (modifiziert nach 2) alte Spezies neue Spezies nachgewiesene Wirte Chlamydia trachomatis Chlamydia trachomatis Mensch Chlamydia muridarum Maus, Hamster Chlamydia suis Schwein Chlamydia psittaci Chlamydophila psittaci Vögel, Wiederkäuer, Pferd, Schwein, Mensch Chlamydophila abortus Schaf, andere Wiederkäuer, Schwein, Vögel, Mensch Chlamydophila caviae Meerschweinschen Chlamydophila felis Hauskatze, Mensch Chlamydia pecorum Chlamydophila pecorum Rind, Schaf, Ziege, Schwein, Koala Chlamydia pneumoniae Chlamydophila pneumoniae Mensch, Koala, Pferd, Amphibien, Reptilien Abkürzungen: Chlamydia = C.; Chlamydophila = Cp.

Chlamydiosen des Geflügels und anderer Vogelarten

Die bekannteste Chlamydiose ist die Psittakose, eine systemische Erkrankung der Psittaziden mit akutem, protrahiertem, chronischem oder subklinischem Verlauf. Eine Anzeigepflicht besteht in Belgien, Deutschland, Großbritannien, der Schweiz und anderen Ländern. Die analoge Infektion bei Nutz- und Wildgeflügel wird oft noch als Ornithose bezeichnet. Ausbrüche in Geflügelbeständen können beträchtliche wirtschaftliche Schäden bewirken. Obwohl das kausative Agens, Cp. psittaci, sehr weit verbreitet unter praktisch allen Vogelarten ist, weisen bei weitem nicht alle Träger Krankheitssymptome auf.

Zoonotische Relevanz Aviäre Stämme von Chlamydophila psittaci sind bekanntermaßen humanpathogen, wobei die Symptome hauptsächlich unspezifisch und grippeartig sind. Allerdings sind auch schwere Pneumonien, Endocarditis und Enzephalitis nicht ungewöhnlich 3 4. In Deutschland ist die Zahl der angezeigten Psittakoseerkrankungen bei Menschen seit einigen Jahren rückläufig (von 156 Fällen in 1998 auf 41 in 2002), trotzdem kommt es immer noch zu Todesfällen. Eine Studie in den USA hat gezeigt, dass, obwohl in Haushalten mit Vögeln die durchschnittliche Erregerprävalenz nur bei einigen Prozent liegt, dennoch immer wieder größere Personenkreise von Psittakose betroffen werden, wenn nämlich Ziervögel aus infizierten Beständen zum Verkauf gelangen. Die Situation in Europa kann aufgrund des Fehlens zusammenhängender diagnostischer Daten nicht eingeschätzt werden. Personen, die in ihrer Berufstätigkeit oder Freizeit häufigen Umgang mit Vögeln haben, sind einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Diesbezüglich werden aus vielen Ländern nahezu regelmäßig Infektionen von Beschäftigten in Geflügelschlachtungen, Tierärzten und Vogelzüchtern berichtet 5 6 7 8 9 10. Stadttauben sind sehr oft mit Chlamydien infiziert und tauchen deshalb in den Statistiken als häufigste Infektionsquelle auf 11 12.

Chlamydiosen bei Schaf und Ziege

Der enzootische Schafabort, hervorgerufen durch Cp. abortus (früher der ovine Subtyp von Chlamydia psittaci), ist anerkanntermaßen eine der bedeutendsten Ursachen der Tierverluste infolge Totgeburten bei Schaf und Ziege in Europa, Nordamerika und Afrika. In einigen Ländern West-, Mittel- und Nordeuropas stellt sie die häufigste Ursache der Verlammungen dar. So gehen z. B. in Großbritannien 50 % aller diagnostizierten Schafaborte auf diesen Erreger zurück, und die wirtschaftlichen Verluste werden dort jährlich auf 25 Mio € geschätzt. In Irland, wo der enzootische Schafabort anzeigepflichtig ist, ist die Inzidenz in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen. Obwohl allgemein bekannt ist, dass der enzootische Ziegenabort hinsichtlich des Schweregrades und des zoonotischen Potenzials ähnlich wie der Schafabort einzuordnen ist, gibt es hierzu gegenwärtig praktisch keine verwertbaren epidemiologischen Daten.

Zoonotische Relevanz Der enzootische Schafabort ist als Infektionsquelle für den Menschen gut dokumentiert. Diese potenziell lebensbedrohliche Zoonose tritt bei schwangeren Frauen nach Kontakt mit lammenden Mutterschafen und -ziegen auf und führt zu schweren fiebrigen Erkrankungen während der Schwangerschaft bis zum Abort 13 14 15 16 17 18. Vor allem Irland und Großbritannien unternehmen große Anstrengungen, um über verbesserte Überwachungs- und Meldesysteme die Gefahren für die beteiligten Personengruppen zu reduzieren, denn paradoxerweise haben die geltenden Regelungen in den meisten europäischen Ländern dazu geführt, dass Abortfälle bei Schafen in diagnostischer Hinsicht gründlicher untersucht worden sind als diejenigen bei Menschen.

Chlamydiosen bei Rindern

Chlamydien wurden in Rinderbeständen im Zusammenhang mit den verschiedensten Erkrankungen nachgewiesen. Dazu zählen neben Infektionen des Urogenitaltraktes (Epididymitis, Endometritis, Vestibulovaginitis, Fertilitäts- und Reproduktionsstörungen), der Gelenke (Polyarthritis, Polyserositis), des Euters (Mastitis) und des Respirationstraktes (Pneumonie) auch die des Darmtraktes (Enteritis), der Augen (Keratokonjunktivitis) und des Gehirns (Enzephalomyelitis). Speziell die von Chlamydien verursachten Aborte treten meist im letzten Drittel der Trächtigkeit auf und scheinen bei Rindern weltweit verbreitet zu sein.

Die Tatsache, dass nach alter Nomenklatur aus Rinderbeständen isolierte Chlamydia-psittaci-Stämme in der Genotypisierung häufig als Cp. abortus oder als Cp. psittaci identifiziert werden, legt die Möglichkeit der Übertragung vom Schaf auf das Rind wie auch die Einschleppung des Erregers durch Vögel nahe. Untersuchungen in Italien haben gezeigt, dass weiterhin die so genannten nichtinvasiven Stämme von Cp. pecorum oft an Ausbrüchen in Rinderbeständen beteiligt sind. In Fällen von Enzephalomyelitis bei Wasserbüffeln wurde der letztgenannte Keim ebenfalls nachgewiesen.

Chlamydiosen bei Schweinen

Die Chlamydiosen der Schweine werden mit den folgenden Chlamydienspezies in Verbindung gebracht: C. suis, Cp. psittaci, Cp. abortus und Cp. pecorum. Es wird vielfach angenommen, dass im Falle multifaktorieller Krankheiten wie Aborte bei Sauen, Polyarthritis bei Ferkeln, Genitalerkrankungen bei Ebern sowie Diarrhoe die Chlamydien im Zusammenspiel mit weiteren Keimen agieren.

Eigene Untersuchungen wurden begonnen, um die Prävalenz von Chlamydien in Schweinebeständen einschätzen zu können. Die bisherigen Ergebnisse belegen, dass bei gezielten Untersuchungen regelmäßig Chlamydien im Respirationstrakt von Schweinen gefunden werden. Hierbei wurde bislang C. psittaci (alte Nomenklatur) am häufigsten nachgewiesen [19] [20].

Chlamydiose der Katze

Bei Katzen gilt Cp. felis als Verursacher von Konjunktivitiden, seltener auch von Pneumonien. Nach aktuellen Angaben treten bei erkrankten Katzen Antikörperprävalenzen bis zu 69 % auf. Die Isolierung von Cp. felis gelingt bei bis zu 13 % der gesunden und bis zu 49 % der kranken Katzen. In Katzenbeständen gilt die Infektion als endemisch. Sie kann über längere Zeiträume (Monate bis Jahre) bestehen, wobei klinische Symptome bei erkrankten Einzeltieren über Wochen persistieren und Reaktivierungen chronischer Infektionen durch Stress jederzeit möglich sind [21].

Chlamydien-Nachweise bei Pferden

Gelegentliche Nachweise von Cp. psittaci und Cp. abortus aus abortierten Pferdefeten sowie das Auftreten von Cp. pneumoniae bei respiratorischen Störungen lassen auf eine gewisse Bedeutung der Chlamydien auch bei dieser Tierart schließen. Allerdings werden erst systematische Untersuchungen unter Einsatz molekularer diagnostischer Methoden genaueren Aufschluss geben können.

Offene Fragen zur zoonotischen Bedeutung von Chlamydien

Während die zoonotische Bedeutung aviärer Cp.-psittaci- und oviner Cp.-abortus-Stämme als gesichert gilt, ist über das mögliche zoonotische Potenzial anderer Chlamydien nur sehr wenig bekannt. Bei Personen, die mit Cp.-felis-infizierten Katzen zusammen lebten, wurden Konjunktivitiden und in selteneren Fällen auch atypische Pneumonien beobachtet. Bezüglich der Pathogenität von Cp. pneumoniae ging man bis zur heutigen Zeit davon aus, dass dieser Erreger ausschließlich beim Menschen vorkommt. Kürzlich wurde im Schrifttum über Cp.-pneumoniae-Isolate beim Pferd, bei Koalas, bei Reptilien und bei Amphibien berichtet [22] [23], so dass ein erweitertes Wirtsspektrum anzunehmen und die Frage nach möglichen Infektionsquellen oder Übertragungswegen neu zu stellen ist (zumal die betreffenden Tierarten in wachsendem Maße als Heim- und Hobbytiere Bedeutung erlangen). Auch die Bedeutung von Rindern und Schweinen als Infektionsquelle für den Menschen ist weitgehend unklar. Fallberichte über Einzelerkrankungen bei Exponierten mit „Psittakose- bzw. Ornithose-ähnlichen” Symptomen, Asthma-ähnlichen Erkrankungen oder atypischen Pneumonien sowie die auffällige Häufung von Seroreagenten unter Exponierten weisen jedoch auf ein zoonotisches Potenzial von bovinen und porcinen Chlamydien-Infektionen hin [24] [25].

Literatur

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PD Dr. Phd. Petra Reinhold

Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere (BFAV)

Naumburger Str.96a

07743 Jena

Email: p.reinhold@Jena.bfav.de

Dr. Konrad Sachse

Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere (BFAV)

Naumburger Str. 96a

07743 Jena

Email: k.sachse@jena.bfav.de