B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2004; 20(1): 25-26
DOI: 10.1055/s-2004-820237
Wissenschaft

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OFD-Veröffentlichungen Gerätetraining

Die Oberfinanzdirektionsansicht über die steuerrechtliche Bewertung von gerätegestützten Therapieverfahren
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Publication Date:
02 March 2004 (online)

Von einigen Oberfinanzdirektionen wurden in den letzten Monaten Veröffentlichungen zur Einstufung von Einkünften aus heilberuflicher Tätigkeit bei Inanspruchnahme von medizinischem Gerätetraining in Therapeutenpraxen vorgenommen. Diese Veröffentlichungen dienen jedoch weder den Einrichtungen, die gerätegestützte Therapien anbieten, noch deren Steuerberatern, die die Einkünfte dieser Betriebe unter ertragssteuerlichen Gesichtspunkten zu bewerten haben, noch irgendeinem anderen Leser, weil die überaus pauschalierten und offensichtlich sachunkundigen Äußerungen nicht verwertbar sind. Der Mangel der Aussagen beruht auf der unzutreffenden Differenzierung der im Gebrauch befindlichen Geräte einerseits und andererseits auf der viel zu pauschalen Zuordnung von Geräten zu heilkundlichen Dienstleistungen. Vergleichbar wäre die Behauptung: Ein Ball ist ein Gerät des Sportes und dort, wo er Einsatz findet, kann es sich nicht mehr um Heilkunde handeln. Damit wäre den (sicherlich freiberuflichen) Krankengymnasten und Sporttherapeuten der Pezziball als Therapiemittel genommen.

Die OFD-Veröffentlichungen sind auch aus einem weiteren Grund nicht haltbar. Erinnern wir uns zunächst des Wortlautes: „In zunehmender Zahl bieten Krankengymnasten in ihren Praxen Fitnessgeräte zur Nutzung im Rahmen des sog. Medizinischen Gerätetrainings (MGT) an. Beim MGT handelt es sich regelmäßig um eine reine Präventivmaßnahme im Anschluss an eine ärztlich verordnete Maßnahme. Eine ärztliche Verordnung liegt beim MGT regelmäßig nicht vor. In Übereinstimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen bitte ich, dazu folgende Auffassung zu vertreten: Krankengymnasten treten insoweit in Wettbewerb zu den Betreibern von gewerblichen Fitnessstudios. Soweit Krankengymnasten MGT anbieten, handelt es sich nicht mehr um eine heilkundliche Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs.1 Nr.1 EStG. Aus dem MGT erzielen die Krankengymnasten vielmehr gewerbliche Einkünfte. Dies gilt auch dann, wenn - ausnahmsweise - für ein MGT eine ärztliche Verordnung vorliegen sollte.” Gewisse Kürzel haben sich in die heilkundliche Fachsprache eingebürgert, so MAT für Medizinisches Aufbautraining oder MTT für Medizinische Trainingstherapie. MGT ist - jedenfalls im Heilkundebereich - eine Kreation des Bundesministeriums der Finanzen bzw. einzelner Oberfinanzdirektionen. Gehen wir also zunächst einmal davon aus, dass es ein allgemeines MGT gar nicht gibt, sondern dass sich hinter der Nutzung therapiefördernder Geräte unterschiedliche Dinge verbergen können. Am 16.10.2000/06.02.2001 entstand der jetzt in Gültigkeit befindliche Heilmittelkatalog durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen. Der Heilmittelkatalog ist verbindlich für den Vertragsarzt und die gesetzlichen Krankenkassen. Er ist wie folgt gegliedert: In der ersten senkrechten Spalte sind vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Diagnosen aufgelistet, die sodann über vorgegebene Leitsymptomatiken zu bestimmten Heilmittelanwendungen führen und die Häufigkeit dieser Anwendungen vorgeben. Für die Diagnose Bandscheibenoperation schreibt der Heilmittelkatalog vor, dass über die Leitsymptomatik Muskeldysbalance, -insuffizienz, -verkürzung das Heilmittel KG/KG-Gerät bis zu 10×/VO (Erst-VO) vom Vertragsarzt verordnet und vom Therapeuten erbracht und abgerechnet werden kann. Der Heilmittelkatalog ist verbindlich im Bereich der gesetzlichen Krankenkassen der von diesen Kassen zu erbringenden Sachleistungen, die vom Vertragsarzt verordnet werden müssen. Nach dem Rechtskonkretisierungsprinzip hat der Patient dem Grunde nach einen Anspruch auf eine bestimmte Leistung, die in unserem Beispielfall KG-Gerät lautet. Durch die vertragsärztliche Verordnung wird dieser zunächst nur dem Grunde nach bestehende Anspruch zum klagbaren Anspruch manifestiert. Das Rechtskonkretisierungsprinzip ist nicht gänzlich unbestritten und mancherorts wird gefordert, dass die gesetzlichen Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung vor deren Erbringung durch den Therapeuten genehmigen. Dies ist jedoch in unserem Falle gleichgültig, weil die gesetzlichen Krankenkassen eine nach den Heilmittelrichtlinien korrekt verordnete therapeutische Leistung genehmigen würden.

Es hat noch niemand bezweifelt, dass die vertragsverordneten und vom Therapeuten erbrachten Leistungen Heilmittel sind und in steuerrechtlicher Sicht Leistungen eines Freiberuflers gemäß § 18 Abs.1 Einkommensteuergesetz darstellen. Die vom Heilmittelkatalog erfassten Therapieformen sind also keine gewerblichen Leistungen. Wenn wir an dieser Stelle bereits einen Blick auf die umsatzsteuerrechtliche Situation werfen, stellen wir fest, dass die Leistungen auch nicht der Umsatzsteuer unterliegen, sondern von dieser befreit sind. Der vom Bundesverfassungsgericht ausgearbeitete Grundsatz, der vom Bundesfinanzhof in vollem Umfang getragen wird, besagt, dass die Leistungen, die von den gesetzlichen Krankenkassen gegenüber ihren Versicherten erbracht (oder bezahlt) werden, nicht der Umsatzsteuer unterliegen, weil das Umsatzsteuerrecht verhindern will, dass von den gesetzlichen Krankenkassen, also Organisationen unseres Staates, Beträge eingefordert werden können, die dem Steuerfiskus sodann zu erstatten sind. Die vom Heilmittelkatalog beschriebenen Leistungen sind also im Ertragssteuerrecht nicht der Gewerbesteuer und im Umsatzsteuerrecht nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen.

Tab. 1 GOÄ-Abrechn.-Nr. 1fach 1,8fach 2,3fach 3,5fach 719* = 33,65 € * bis zu 12× abrechenbar; mit Begründung max. 15× 558 = 12,59 € 510 = 7,34 € (Therapieeinheit aus 719, 558, 510 = 53,58 €) 842 = 102,00 € + (Sachkosten) 5 733 = 46,63 €

Wenn wir aber jetzt die beispielhaft angeführte Leistung KG-Gerät wählen, so haben wir eine Krankengymnastik, die mittels einfachster Geräte erbracht wird und ohne diese Geräte auch nicht erbracht werden kann. Die Geräte sind einfache Seilzuggeräte, so wie sie auch für die Fitness durchaus gebraucht werden können. Die von Rehabilitationszentren meistens genutzten Geräte sind isokinetische Geräte, die eine besser dosierte Anwendung möglich machen und im Gesundheitswesen allgemein geschätzter sind. Man müsste wegen der konkret in Krankengymnastikpraxen genutzten Geräte daher eindeutig zu dem Schluss kommen: Bei der Anwendung handelt es sich um gewerbliche Betätigung, bei den Einkünften also um gewerbliche Einkünfte. Auch dann (so die OFD München, S2246 - 37 St41/42), „wenn - ausnahmsweise - für ein MGT eine ärztliche Verordnung vorliegen sollte”.

Dass dieses Ergebnis falsch ist, kommt nur durch die eingangs beanstandete, undifferenzierte und formelhafte Ausdrucksweise des Bundesministeriums der Finanzen und der diese Ansicht wiedergebenden Oberfinanzdirektionen zustande.

Was bislang für die Tätigkeit des aufgrund einer ärztlichen Verordnung tätigen Therapeuten zutrifft, kann parallel zum Arzt ausgesagt werden. Der Arzt kann Krankengymnastik mit Gerät als ärztliche Leistung erbringen und gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen oder den privat versicherten Patienten abrechnen. Beim Einsatz therapieunterstützender Geräte hat er zusätzlich noch die Abrechnungsmöglichkeiten nach GOÄ 510, 558, 719 und 842 nach folgendem Maßstab:

Hierbei ist es gleichgültig, ob der Therapeut die Leistung KG-Gerät abgibt, ob dies durch den Arzt erfolgt oder ob der Arzt den Einsatz isokinetischer Geräte abrechnet. Hinter diesen Abrechnungspositionen stehen jeweils therapeutische Leistungen und keineswegs eine - so die OFD - reine Präventivmaßnahme im Anschluss an eine ärztlich verordnete Maßnahme. Der hier beschriebene Einsatz dient therapeutischen Zwecken. Aber selbst wenn der Einsatz der Geräte einer sinnvollen Prävention dienen sollte, wären die Ausführungen der OFD noch immer rechtlichfragwürdig. Auch die Prävention gehört dem freiberuflichen Bereich an und wird sogar im Rahmen des Umsatzsteuerrechts nach § 4 Nr.14 umsatzsteuerbefreit behandelt (wenn denn die Maßnahme von den gesetzlichen Krankenkassen zu Gunsten ihrer Versicherten bezahlt wird).

Natürlich sind manche der zu Therapiezwecken genutzten Geräte auch im Fitnessbereich einsetzbar. Es kommt immer darauf an, zu welchen Zwecken ein Gerät herangezogen wird und welche Maßnahmen es unterstützend begleiten soll. Die Aussage der OFD trifft daher nur dann zu, wenn Geräte tatsächlich zu Fitnesszwecken gebraucht werden. Sie trifft jedoch nie zu, wenn Geräte zur Unterstützung heilkundlicher kurativer Maßnahmen Einsatz finden.

Dabei sollte die OFD noch Folgendes wissen: Therapeuten fühlen sich in erster Linie der Heilkunde verpflichtet, d. h. sie bemühen sich, Krankheiten zu heilen, Beschwerden zu lindern und dem Eintritt oder der Verschlimmerung von Krankheiten oder Beschwerden vorzubeugen. Therapeuten sind im Allgemeinen keine Betreiber von Fitnessstudios, so dass der von der OFD veröffentlichte Hinweis letztlich ganz ins Leere geht.

Dr. jur. Ernst Boxberg

Justiziar DVGS e. V.

Vogelsanger Weg 48

50354 Hürth-Efferen

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