B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2004; 20(3): 116-117
DOI: 10.1055/s-2004-822767
RECHT

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Neue sozialrechtliche und steuerrechtliche Positionierung des Sporttherapeuten

durch Ausbildungsstandards des DVGSE. Boxberg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. Juli 2004 (online)

Zwei jüngere Entscheidungen des Bundessozialgerichts und des Bundesfinanzhofs beschäftigen sich mit der ertragssteuerlichen Behandlung einer klinischen Linguistin und setzen damit gleichzeitig neue Maßstäbe für die Abgrenzung von Gewerbebetrieb und Freiberuflichkeit. Dabei erfahren die Berufsverbände von Mitgliedern medizinischer Fachberufe eine neue Positionierung.

Das Bundessozialgericht hatte in einer Entscheidung (B3 KR 13/00 R) das Zulassungsbegehren einer klinischen Linguistin zu den gesetzlichen Krankenkassen zu prüfen, der Bundesfinanzhof BFH (IV R 69/00) anschließend die steuerliche Behandlung dieser Klägerin vorzunehmen.

Die klagende Therapeutin wollte im Rahmen von § 124 SGB V ihre Zulassung als Leistungserbringerin zugunsten der Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen durchsetzen. Die Zulassung regelt § 124 SGB V. Diese Vorschrift bestimmt, dass Heilmittel, „die als Dienstleistungen abgegeben werden, insbesondere Leistungen der physikalischen Therapie, der Sprachtherapie oder der Beschäftigungstherapie … nur von zugelassenen Leistungserbringern abgegeben werden dürfen ”. Diese Gesetzesstelle veranlasste zunächst zur Annahme, dass nur Krankengymnasten, Physiotherapeuten, Masseure und med. Bademeister, Logopäden und Ergotherapeuten zulassungsfähig seien. Sprachheilpädagogen belegten durch das Rechtsgutachten eines Sozialrechtlers der Universität München, dass auch sie ein Aufnahmerecht in die Zulassungsberufe des § 124 SGB V hatten. Wie konnte dies in Zweifel gezogen werden? § 124 Abs. 2 ordnet an, dass „zuzulassen ist, wer die für die Leistungserbringer erforderliche Ausbildung sowie eine entsprechende zur Führung der Berufsbezeichnung berechtigende Erlaubnis besitzt” . Hier tauchen die Begriffe „für die Leistungserbringung erforderliche Ausbildung” und „Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung” auf.

Für die klagende Linguistin schien zunächst der Weg zur Zulassung zu den gesetzlichen Krankenkassen versperrt. Was aber - so muss man sich fragen - unterscheidet denn die Gruppe der Physiotherapeuten, Masseure und med. Bademeister, Logopäden und Ergotherapeuten von einem Sprachheilpädagogen und was diesen wiederum von einer klinischen Linguistin? Die erstgenannte Gruppe besitzt einen reglementierten Beruf, d. h. dem Beruf liegt ein bundeseinheitliches Konzept durch ein Berufsgesetz und Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen zugrunde. Der reglementierte Beruf ist „gesetzlich geregelt ”. Der Gesetzgeber hat sogar die Berufsbezeichnung unter Schutz gestellt, mit der Folge, dass nur derjenige sie führen darf, der eine entsprechende Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat. Personen ohne diese Ausbildung sind zur Führung der Berufsbezeichnung nicht berechtigt.

Hiervon unterscheidet sich der Sprachheilpädagoge. Er hat ein Universitätsstudium abgeschlossen. Solche Studien sind nicht bundesweit gesetzlich geregelt, eine Regelung findet nur statt durch das Recht der Hochschule und in einem gewissen Maße übergreifend durch Beschlüsse von übergreifenden Organisationen, z. B. der Kultusministerkonferenzen. Man kann aber von einer einheitlichen Ausbildung, einheitlichen Ausbildungsinhalten nicht ausgehen, weil das gesetzliche Reglement einfach fehlt. Dennoch hatte auch jeder einzelne Berufsträger eine Prüfung abzulegen, welche ihm einen erfolgreichen Abschluss seiner Studien bestätigte.

Die klagende Linguistin konnte ein solches Hochschulstudium nicht nachweisen (obwohl auch schon zum Zeitpunkt der Urteilsfindung in der Bundesrepublik einige Universitäten in „klinische Linguistik ” ausbildeten). Darin bestand der Unterschied zu den reglementierten Berufen und zum Sprachheilpädagogen.

An dieser Stelle können wir den weiteren Prozess, soweit das Einzelschicksal der klinischen Linguistin verfolgt wird, verlassen und uns allgemein den Urteilsgründen des BSG zuwenden:

Wenn die Zulassungsvorschrift in Âœ 124 SGB V Abs. 2 von einer für die „Leistungserbringer erforderlichen Ausbildung ” und von einer „zur Führung der Berufsbezeichnung berechtigenden Erlaubnis” spricht, dann werden im Zulassungsbereich zwei Dinge gefordert: eine bestimmte Ausbildung und ein Befähigungsnachweis. Die Ausbildung kann natürlich ein Mitglied eines reglementierten Berufs ebenso nachweisen wie ein Hochschulabsolvent. Man wird auch einem privat und ohne Hochschule ausgebildeten klinischen Linguisten oder Heileurythmisten eine Ausbildung niemals absprechen, wenn er hierfür jahrelang gearbeitet und gelernt hat. Wie ist es aber mit der „Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung” ? Mitglieder der reglementierten Berufe haben eine solche Erlaubnis, die durch gesiegelte Urkunde oft feierlich erteilt wird. Auch Hochschulabsolventen erhalten einen urkundlichen Nachweis ihrer erfolgreich abgeschlossenen Studien. Einer Vielzahl von Berufen fehlt jedoch eine auf die vorbeschriebene Art und Weise erteilte Berufserlaubnis. Was also, wenn diese förmliche Erlaubniserteilung fehlt? Bedeutet dies eine Sperre für eine Zulassung zur Leistungserbringung zugunsten Versicherter der gesetzlichen Krankenkassen? Das BSG entschied: nein. Im angesprochenen Rechtsstreit entschied das BSG: „Der Klägerin wurde vom BKL mit Zertifikat vom … bescheinigt, dass sie nach bestehender Abschlussprüfung am … die vom Verband festgesetzten Kriterien zur Führung der Berufsbezeichnung … erfülle. Da es nicht um eine gesetzlich geregelte Berufsbezeichnung geht, reicht hier der Nachweis einer fachlichen Qualifikation durch den Berufsverband …” Der Berufsverband war im konkreten Falle ein privatrechtlich organisierter eingetragener Verein wie der DVGS. Damit bekommen die vom DVGS oder auch anderen Berufsverbänden erteilten Qualifikationsbezeichnungen einen völlig neuen Stellenwert.

An diese Feststellungen schließt der BFH jedoch weitere Folgerungen. Zum Entscheidungsbereich des BFH gehört nicht die Frage einer Zulassung, wohl aber die Abgrenzung von gewerblicher zu freiberuflicher Tätigkeit. Gewerbliche Tätigkeit ist (in allen Regelfällen) gewerbesteuerbelastet, nicht so die freiberufliche Tätigkeit. Freiberufliche Tätigkeit wird in § 18 EStG definiert. Dort steht u. a.: „Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehören die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, …, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, … und ähnlicher Berufe.” Was ist ähnlich im Sinne des Gesetzes? Der BFH übernimmt auf der Suche nach dem ähnlichen Beruf die Merkmale, die auch schon für das BSG entscheidend waren. Für den ähnlichen Beruf fordert der BFH eine Vergleichbarkeit in Ausbildung und Berufserlaubnis. Auch hier tut man sich nicht schwer bei der Suche ähnlicher Merkmale in der Ausbildung. Die Erteilung einer Berufserlaubnis, also den Berufsnachweis, hatte man jedoch immer festgemacht an einer staatlichen Prüfung, sodass das Fehlen dieser staatlichen Prüfung fast immer gleichbedeutend war mit einem Abgleiten in die Gewerbetätigkeit. Hier fand der BFH zunächst eine Ausnahmeregelung für die krankenkassenzugelassenen Berufsträger. Es konnte nicht angehen, dass jemand heilkundlich sich betätigt zugunsten der Versicherten gesetzlicher Krankenkassen und dennoch eine gewerbliche Tätigkeit ausübte, weil er den Status des Freiberuflers aufgrund eines fehlenden Berufserlaubnismerkmals nicht finden konnte. Infolgedessen wurde die Zulassung zu den gesetzlichen Krankenkassen betrachtet wie ein Befähigungsnachweis im Berufsleben. Diese Regelung ließ allerdings noch weitere desolate Zustände ungelöst. Für die gesetzlichen Krankenkassen arbeiteten auch Personen (z. B. Sporttherapeuten), die nicht aufgrund einer Zulassung tätig wurden, sondern aufgrund einer vertraglichen Bindung (z. B. in ambulanten Rehabilitationseinrichtungen). Man suchte weiter nach einer Lösung mit zufrieden stellenden Ergebnissen für die verbleibenden Berufsgruppen, für die der Zugang zur Freiberuflichkeit nicht endgültig gesichert war. Hier fand der BFH die gleiche Lösung, die zuvor das BSG bereits gefunden hatte. Die Mitgliedschaft in einem anerkannten Berufsverband sollte ebenso wie der reglementierte Beruf oder die Zulassung zu den gesetzlichen Krankenkassen ein ausreichendes Qualitätsmerkmal für den Status des Freiberuflers in Abgrenzung zum Gewerbetreibenden sein. Wenn also ein Berufsverband eine bestimmte berufliche Betätigung seiner Verbandsmitglieder mit einer beruflichen Qualifikationsbezeichnung versieht, dann hat er durch diesen Vorgang dazu beigetragen, dass die Verbandsmitglieder, die über jene Qualifikation verfügen, den gesicherten Status eines Freiberuflers bekleiden. Dieser Schritt ist nunmehr endgültig im Ertragssteuerrecht vollzogen.

Umsatzsteuerrechtlich bedeutet das noch nicht Gleiches. § 4 Nr. 14 UStG besagt: „Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1-3 fallenden Umsätzen sind steuerfrei die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes …” . Die ähnliche heilberufliche Tätigkeit im Sinne der zitierten gesetzlichen Vorschrift wird wohl durch die hier besprochene Entscheidung des BFH auch im Umsatzsteuerrecht vorliegen. Die Umsatzsteuerbefreiung ist jedoch an ein weiteres Merkmal gebunden. Umsatzsteuerbefreiung soll ihrem gesetzgeberischen Zweck nach die Belastung des Staates durch eine Steuer verhindern. Würde der Arzt beispielsweise auf seine Leistungen eine Umsatzsteuer aufrechnen müssen, würden die gesetzlichen Krankenkassen für ihre Mitglieder außer den Arzthonoraren auch noch die hierauf aufgepfropften Umsatzsteuerbeträge zahlen müssen. Dies sollte durch § 4 Nr. 14 UStG verhindert werden. Daher werden auch weiterhin im Umsatzsteuerrecht nur die Leistungen von der Umsatzsteuer befreit werden, die als Regelleistungen von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden, aber auch dann, wenn sie nicht gegenüber Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen, sondern gegenüber anderen Personen, also Selbstzahlern oder privat Versicherten erbracht werden. Insoweit stellt die Einbeziehung der Berufsverbände keine Umsatzsteuerfreiheit her, sondern sie garantiert den nicht reglementierten Berufsträgern eine ähnliche Tätigkeit im Sinne von § 18 EStG mit den dort genannten Katalogberufen. Ein (Diplom-)Sportlehrer könnte einwenden, dass die erzieherische Tätigkeit nach Maßgabe des § 18 EStG ohnehin eine freiberufliche Tätigkeit ist. Dem ist zuzustimmen, aber der Sporttherapeut therapiert. So könnte jedenfalls der Einwand von Finanzbehörden sein. Damit ist er aus seinem erlernten Beruf „Lehrer” herausgetreten.

Festzuhalten ist, dass die neue Rechtsprechung den Berufsverbänden immer dann eine Qualifikation zuspricht, einen Beruf zu statuieren, sofern derselbe nicht als reglementierter Beruf ohnehin gesetzlich geregelt ist, als Hochschulberuf einen wenn auch nur institutionell geregelten Inhalt und Abschluss hat und wenn ihm die Zulassung zu den gesetzlichen Krankenkassen auch nicht assistierend zur Seite steht, sondern die berufliche Qualifikation erst gewonnen wird durch eine vom Berufsverband aufgestellte und kontrollierte Ausbildung oder auch spezialisierende berufliche Fortbildung, so zum Sporttherapeuten.

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