Viszeralchirurgie 2004; 39(4): 322-326
DOI: 10.1055/s-2004-822813
Das viszeralchirurgische Prüfungsgespräch

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Chronic Inflamatory DiseaseK. P. Thon1 , B. Voggenreiter1 , E. F. Stange2
  • 1Abt. für Allgemein-, Viszeral- und Unfallchirurgie, Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart
  • 2Abt. für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart
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Publication Date:
09 September 2004 (online)

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Frage 1: Was versteht man unter chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und wie häufig kommen sie vor?

Colitis ulcerosa und Morbus Crohn sind chronisch entzündliche Darmerkrankungen, die mit einer Prävalenz von 1 : 700 bis 1 : 1 500 auftreten. Bei prinzipiell weltweitem Vorkommen korreliert deren Häufigkeit mit der Zunahme des Lebensstandards. So zeigen Inzidenz und Prävalenz in Europa und den USA ein deutliches Nord-Südgefälle. Beide Erkrankungen werden vorwiegend in der zweiten und dritten Lebensdekade diagnostiziert; das Geschlechtsverhältnis ist in etwa ausgeglichen [1].

Typisch ist ein schubweiser Verlauf mit Remissionsphasen von Monaten bis Jahren. Der einzelne Schub kann dabei Wochen bis Monate dauern. Bei chronisch-aktivem Verlauf können die einzelnen Schübe allerdings auch unmittelbar ineinander übergehen. Beiden Erkrankungen gemeinsam ist die Symptomatik mit Bauchschmerzen, Diarrhöen und peranalen Blutabgängen. Bei etwa 10 % der Betroffenen mit Kolonbefall ist histologisch eine Differenzierung zwischen Colitis ulcerosa und M. Crohn nicht möglich (Colitis indeterminata).

Die Colitis ulcerosa ist gekennzeichnet als chronische Entzündung der Dickdarm- und Rektumschleimhaut, die sich direkt oberhalb des Analrings unterschiedlich weit nach kranial ausbreiten und klassischerweise das gesamte Colorectum befallen kann. Ein segmentaler Befall ist möglich. Je nach Ausbreitung spricht man von Proktitis, Proktosigmoiditis, Linksseitencolitis oder Pancolitis. Das terminale Ileum kann im Sinne einer „back-wash-ileitis” in den Entzündungsprozess mit einbezogen werden. Im Gegensatz zum M. Crohn sind aber andere Abschnitte des Gastrointestinaltrakts nie mit betroffen.

Beim Morbus Crohn handelt es sich dagegen um einen Entzündungsprozess, der den gesamten GI-Trakt von den Lippen bis zum Anus befallen kann, überwiegend aber das terminale Ileum und das Kolon betrifft. Der chronisch entzündliche Prozess ist gekennzeichnet durch einen transmuralen Befall der Darmwand mit entsprechender Neigung zur Fistel- und Abszessbildung. Im Gegensatz zur Colitis ulcerosa ist die Erkrankung operativ nicht heilbar.