Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(14): 769
DOI: 10.1055/s-2004-822871
Leserbriefe

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Prinzipien der Aufklärung in der Onkologie - Zuschrift Nr. 1

Zum Beitrag aus DMW 46/2003
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
24. März 2004 (online)

Lassen sie mich einige Bemerkungen zu dem Artikel „Prinzipien der Aufklärung in der Onkologie“ [1] mahcen. Wenn man ihren Artikel liest könnte man zu der Meinung kommen, dass es so etwas wie eine richtige Kommunikation gäbe, was aber aus erkenntnistheoretischen Gründen ausgeschlossen ist. Wie Heinz von Förster es so richtig benannte „Der Zuhörer entscheidet was sie sagen“. Dies gilt nicht nur im inhaltlichen Bereich sondern natürlich auch im emotionalen. Treibt man die Message ihres Artikels ins Extrem würde dabei heraus kommen, dass manche Onkologische Patienten möglicherweise nach der perfekten Aufklärung sagen werden, „Ich bin so froh dass ich einen Krebs habe, weil sie mich so gut aufgeklärt haben“. Nachdem nicht einmal die eingefleischtesten Kommunikationstrainer dies annehmen, würde ich vorschlagen, die Problematik von einer anderen Seite aufzuziehen. Vielleicht hat gar nicht der Patient das Problem, sondern der behandelnde Arzt, der diese akute emotionale Schmerzreaktion (wie immer diese sei) des Patienten auf eine unangenehme und potenziell lebensgefährliche Information nicht aushält. Der Patient braucht ja in der Folge viel Zeit, um diese Message zu verarbeiten und man kann aus meiner Sicht als Gruppendynamiktrainer und systemischer Organisationsberater erst in der Folge bei diesem Prozess den Patienten unterstützen und begleiten. Was sie am Anfang wie und wie lange auch immer und mit welcher Empathie (wer entscheidet wie gut das alles ist?) zum Patienten sagen ist, hart formuliert, belanglos. Ihre Beispiele spiegeln sicher einige der möglichen Reaktionen wider, nur ihre Alternativvorschläge garantieren natürlich überhaupt nicht, dass dies bei dem Patienten zu einer befriedigenden Reaktion im Sinne von optimaler Aufklärung führen, da ja „der Zuhörer ... siehe oben“.

Nichts gegen Kommunikationsseminare, aber was der Arzt vor allem braucht sind Methoden, um mit dem subjektiven eigenen Gefühl der Insuffizienz umzugehen, um erstens mit der eigenen Frustration umgehen zu lernen (das Nummer eins Tabuthema in der Medizin ist der Tod - die Niederlage des Arztes) in der Hoffnung, dass man dann die Frustrationen des Patienten ertragen lernt. Keine angelernte Kommunikation dieser Welt kann dem Patienten helfen, selber an dieser schwierigen Situation zu arbeiten und sein Leben entsprechend seinen persönlichen Bedürfnissen zu gestalten. Jeder Mensch hat nur seine Kommunikation zur Verfügung und kann nicht mittels Dressuraktes diese verändern, dazu muss er sich mit seinen ganzen Einstellungen ändern und auch dann ist nicht sicher gestellt, dass zum Schluss die richtige Kommunikation heraus kommt, da es die nicht gibt. Richtige Kommunikation ist nur die, die überhaupt stattfindet.

Literatur

  • 1 Lübbe A S, Nelle I, Stange J -H. Prinzipien der Auflösung in der Onkologie.  Dtsch Med Wochenschr. 2003;  128 2441-2444

Univ. Prof. Dr. Kaspar Sertl

Leiter der Internen Abteilung des KH Floridsdorf, Gruppendynamiktrainer und Systemischer Organisationsberater

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A-1210 Wien

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