Laryngorhinootologie 2004; 83(11): 735-742
DOI: 10.1055/s-2004-825717
Audiologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

200 Jahre Hörprüfungen mit Sprache, 50 Jahre deutsche Sprachaudiometrie - ein Rückblick

200 Years Testing Hearing Disorders With Speech, 50 Years German Speech Audiometry - A ReviewH.  Feldmann1
  • 1 Univ.-HNO-Klinik Münster
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Publikationsverlauf

Eingegangen: 11. Februar 2004

Angenommen: 26. April 2004

Publikationsdatum:
11. November 2004 (online)

Zusammenfassung

Von den Anfängen bis zur klassischen Hörweitenprüfung: Die Notwendigkeit, das Hörvermögen zu messen, wurde erst gesehen, als es möglich schien, Schwerhörigkeit oder Taubheit zu heilen. Grapengiesser in Berlin 1801 hatte die Ohren tauber Kinder mit Gleichstrom gereizt und über gewisse Erfolge berichtet. Pfingsten in Kiel 1804 übernahm diese Methode und setzte zum ersten Mal Sprache ein, um verschiedene Grade der Hörstörung unterscheiden zu können. Er teilte die Sprachlaute in drei Klassen: Vokale, stimmhafte und stimmlose Konsonanten. Itard in Paris 1821 unterschied fünf Schwerhörigkeitsgrade, je nachdem was gehört bzw. verstanden wurde, von normaler Sprache bis zum Donner und dem Knall einer Kanone. Schmalz in Dresden 1846 führte die Hörweite für Sprache als Maß einer Schwerhörigkeit ein. Helmholtz hatte 1863 gezeigt, dass Vokale aus einfachen Tönen zusammengesetzt sind. Wolf in Frankfurt 1871 ordnete alle Sprachlaute nach ihrer Frequenzzusammensetzung in einer Reihe vom Zungen-R (= 16 Hz) bis zum Sch (4096 Hz), um sie wie eine Stimmgabelreihe einsetzen zu können. Von dieser Anregung ausgehend, wurden in vielen Sprachen, einschließlich Japanisch, Wörterlisten erstellt, um die hohen, mittleren und tiefen Frequenzen gezielt prüfen zu können.
Sprachaudiometrie: Dieses Kapitel ist Karl Heinz Hahlbrock, Freiburg, gewidmet, der die deutsche Sprachaudiometrie begründet hat. Er folgte den amerikanischen Autoren des Psycho-akustischen Laboratoriums in Harvard, insbesondere J. P. Egan (1948), indem er statistische Methoden anwandte und Wörterlisten aufstellte, die an der relativen Häufigkeit der einzelnen Laute orientiert waren und die untereinander phonetisch ausgeglichen waren. Das Ergebnis war schließlich ein Test mit zweistelligen Zahlwörtern und Einsilbern. Hahlbrock starb 2003, genau 50 Jahre nach der Veröffentlichung seines Tests. Sein Lebenslauf wird kurz geschildert.
Die weitere Entwicklung: In den folgenden Jahren wurden zahlreiche andere Sprachgehörtests mit verschiedener Zielsetzung entwickelt, so mit kindgemäßen Wörtern, mit Sätzen, verzerrter oder verhallter Sprache, diotischer und dichotischer Darbietung zur Diagnostik zentraler Hörstörungen usw. Der Freiburger Sprachtest nach Hahlbrock ist jedoch für die Ermittlung des Hörverlusts für Sprache der Standard geblieben.
Diskussion: Eines der fundamentalen Probleme bei der Sprachgehörprüfung ist, dass es keinen Katalog von Phonemen gibt, der allen Sprachen oder Dialekten gemein ist. Ausländer, aber auch Dialekt sprechende Inländer, haben oft eine partielle Lautagnosie. Z.B. haben Sachsen Schwierigkeiten, P und B oder K und G zu unterscheiden, Franzosen und Italiener können das H nicht hören, so dass für sie „Haus” und „aus” gleich klingen. Die Audiometristin muss aber entscheiden, ob das angebotene Wort richtig oder falsch nachgesprochen worden ist.

Abstract

From the beginnigs to classical speech tests: The need for classification of different degrees of hearing disorders first arose when it seemed possible to treat deafness. Grapengiesser in Berlin 1801 had applied galvanic current to the ears of deaf children and reported some success. Pfingsten in Kiel in 1804 using this method was the first to use speech in diagnosing different degrees of deafness. He divided speech sounds into three classes: vowels, voiced consonants and voiceless consonants. Itard in Paris in 1821 gave a classification of five classes according to which sounds could be perceived, starting from normal speech to thunder and the bang of a gun. Schmalz in Dresden 1846 noted the range within which speech was understood thus introducing the concept of hearing distance. Helmholtz in 1863 had demonstrated that vowels are composed of pure tones. Wolf in Frankfurt 1871 tried to align all speech sounds from the lowest frequency (tongue-R = 16 Hz) to the highest (sh = 4096 Hz) and measured the hearing distance for each sound. Following these suggestions word lists based on the predominant frequencies were compiled in a number of languages including Japanese.
Speech audiometry: This chapter is devoted to Karl Heinz HahIbrock, Freiburg, who was the founder of the German speech audiometry. Hahlbrock followed the American authors of the Psycho-acoustic Laboratory at Harvard, in particular J. P. Egan (1948), using statistical methods for composing lists of words based on the relative frequency of speech sounds and phonetically balanced between the different groups. He finally presented a test comprising groups of two-digit numbers and monosyllabic words. Hahlbrock died in 2003 exactly fifty years after the presentation of his test. A short account of his life is given.
The following development: In the following years various other types of speech tests were elaborated using sentences, distorted speech, diotic and dichotic presentation partly aimed at fitting hearing aids, partly with the aim to diagnose central hearing disorders. Hahlbrock's test, however, remained the standard for evaluating speech reception and discrimination.
Discussion: One of the fundamental problems in testing speech discrimination is that there is no catalogue of phonemes common to all languages or regional accents. Untrained not native speakers often do no perceive certain sounds having a partial auditory agnosia. They cannot distinguish between e. g. ‘hand' and ‘and' or ‘end' and ‘ant', but the examiner must decide if the word presented was repeated correctly or not.

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Prof. Dr. med. Harald Feldmann

Univ.-HNO-Klinik

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