PiD - Psychotherapie im Dialog 2004; 5(3): 289-293
DOI: 10.1055/s-2004-828311
Aus der Praxis
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Narzissmus und Macht

Hans-Jürgen  Wirth
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Publication Date:
08 September 2004 (online)

Abstract

Narzisstisch gestörte Menschen streben nach Macht, weil sie damit ihr mangelhaftes Selbstwertgefühl kompensieren wollen. Umgekehrt nährt die Möglichkeit, Macht auszuüben, Größen- und Allmachtsfantasien. Macht wirkt wie eine Droge: Die Selbstzweifel verfliegen, das Selbstbewusstsein steigt. Machtfantasien dienen häufig der Überwindung unerträglicher Ohnmachtsgefühle: So empfinden narzisstisch gestörte Patienten häufig ein Gefühl der Macht, wenn sie mit ihrem selbstdestruktiven Agieren den Therapeuten ohnmächtig machen.
Gehen Narzissmus, Macht und Aggression eine enge Verbindung ein, kommt es zu destruktiven und selbstdestruktiven Entladungen. Liebespartner, aber auch andere Interaktionspartner, verzahnen sich häufig in einem Macht-Ohnmachts-Kampf, der psychodynamisch als unbewusste narzisstische Kollusion beschrieben werden kann.
Die Macht wirkt wie eine institutionalisierte Abwehr, die den pathologischen Narzissmus verstärkt. Die Mächtigen erscheinen deshalb psychotherapeutisch nur schwer behandelbar zu sein. In einer detaillierten Fallstudie wird gezeigt, dass es aber doch Wege gibt, die aus dem Dilemma von Narzissmus und Macht herausführen.

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