PiD - Psychotherapie im Dialog 2004; 5(3): 231-235
DOI: 10.1055/s-2004-828317
Aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gibt es ein Selbst in der Verhaltenstherapie?

Volker  Köllner
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Publication Date:
08 September 2004 (online)

Abstract

In der behavioristischen Frühzeit der Verhaltenstherapie wurde die Auseinandersetzung mit Begriffen wie dem Selbst als mentalistische Spekulation abgelehnt. Mit der kognitiven Wende tauchte das Selbst in zentralen Begriffen wie Selbstmanagement und Selbstwirksamkeit auf; allerdings war es schwierig zu definieren, welcher Art dieses „Selbst” in der Selbstregulation sein sollte. Einen Ausweg zum Selbst als tautologischem Erklärungsmodell oder als steuernder Instanz von der Art eines Homunkulus weist die Systemtheorie auf, sodass der Begriff „Selbstsystem” das aktuelle Selbst-Konzept der Verhaltenstherapie besser beschreibt. Dies deckt sich auch mit neuropsychologischen Befunden, die das Selbstbewusstsein als emergentes, im Laufe der Evolution entstandenes Phänomen beschreiben. Dieses ist nicht auf eine bestimmte Hirnregion beschränkt, sondern entsteht im Zusammenspiel verschiedener neuronaler Strukturen. Die Forschungsarbeiten Damasios zeigen, dass hierbei auch die Repräsentanz des Körpers und das Körpergefühl eine zentrale Rolle spielen.

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1 Die pragmatisch-konstruktivistische Grundorientierung der Verhaltenstherapie mag dazu beigetragen haben, dass ihr in Phasen grundlegender Wandlungen ihrer Paradigmen eine Aufspaltung in verschiedene Schulen, wie z. B. „Skinnerianer”, „Kanferianer” oder „Beckianer” erspart geblieben ist.

2 Hierzu gehören z. B. die Feldenkraismethode oder die funktionelle Entspannung nach Marianne Fuchs.

Korrespondenzadresse:

PD Dr. med. Volker Köllner

Fachklinik für Psychosomatische Medizin
Bliestal Kliniken

Am Spitzenberg

66440 Blieskastel