Rehabilitation (Stuttg) 2004; 43(4): 252-253
DOI: 10.1055/s-2004-828347
Aus den Ausschüssen der DVfR
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Arbeitsausschuss „Geriatrische Rehabilitation” der Deutschen Vereinigung für die Rehabilitation Behinderter

The „Geriatric Rehabilitation” Commission of the German Society for Rehabilitation of the Disabled, DVfRDeutsche Vereinigung für die Rehabilitation Behinderter e. V.
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Publication Date:
19 August 2004 (online)

Der Arbeitsausschuss „Geriatrische Rehabilitation” (Vorsitz: Prof. Dr. Christian Zippel, Berlin) der Deutschen Vereinigung für die Rehabilitation Behinderter (DVfR) befasste sich mit den Auswirkungen des Fallpauschalenfinanzierungssystems für Krankenhäuser auf die Versorgungsstrukturen der geriatrischen Rehabilitation. In einem vom Vorsitzenden der DVfR Prof. Dr. Dr. P. W. Schönle und Prof. Zippel unterzeichneten Brief an Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder, Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS), vom 27. Mai 2004 wurde erneut dargelegt, welche Folgen das DRG-System (in der derzeit gültigen Fassung) für die geriatrische Rehabilitation hat:

„… Es ist uns bekannt, dass das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) auf der Basis gelieferter Daten aus sog. Kalkulationskliniken einschl. einiger geriatrischer Kliniken und Abteilungen entsprechende Modifikationen des G-DRG-Systems vorgenommen hat. Die Geriatrie betrifft das in Form der so genannten geriatrischen DRGs und bestimmter Prozedurenziffern (OPS). Da in geriatrischen Klinken zu erheblichen Anteilen Rehabilitation betrieben wird, geht mithilfe dieser geriatrischen DRGs (geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung) nunmehr auch die weiterführende Rehabilitation in der Geriatrie und anderer Fachgebiete in das DRG-System ein.

In diesem beschriebenen Prozess wird auch eine methodische Schwachstelle der datenbetriebenen Weiterentwicklung des DRG-Systems durch das InEK deutlich. Die Abbildung heute existierender Leistungen und deren Umsetzung in DRGs verhindert die systemkonsistente, gesetzgeberisch vorgegebene Verortung von Leistungen in unserem Gesundheitssystem. Für die Geriatrie, Neurologie und andere Fachgebiete bedeutet dies, dass durch die Darstellung rehabilitativer Leistungen im Fallpauschalenkatalog Akutkrankenhäuser dieses Leistungsangebot ausführen und somit in die akutstationäre Kuration überführen. Werden also von Krankenhäusern nur genügend Leistungen rehabilitativer Art abgebildet, so werden diese durch die datenbetriebene Weiterentwicklung der DRGs zum Bestandteil der akutstationären Versorgung.

Die Abrechenbarkeit der weiterführenden Rehabilitation im G-DRG-System hat somit erhebliche Auswirkungen auf die Versorgungsstrukturen und bringt gravierende Gefahren für die medizinisch-rehabilitative Versorgung der kranken Bürgerinnen und Bürger mit sich:

Kranke Bürger erhalten nicht mehr die ihnen zustehende Rehabilitationsbehandlung, weil zunehmend die gesetzlichen Krankenversicherungen bei Verwendung der geriatrischen DRGs die (Akut-)Behandlung als fallabschließend betrachten, weil sie davon ausgehen (können), dass durch die „frührehabilitative Behandlung” die geriatrisch-medizinische Rehabilitation abgeschlossen ist. Ein Indiz dafür ist unter anderem die Tatsache, dass seit Anfang diesen Jahres Rehabilitationskliniken nach § 111 SGB V erhebliche Belegungseinbußen erleben. Leider können auch nichtgeriatrische Abteilungen geriatrische DRGs verwenden, wenn bestimmte Bedingungen eingehalten werden. Qualifizierte Rehabilitationsleistungen, besonders die der Geriatrie und Neurologie, werden über den Weg der Nichtfinanzierung aus dem System verschwinden und durch nicht adäquate, preislich teurere Leistungen im Akutsektor ersetzt. Die Rehabilitationskliniken arbeiten bedeutend kostengünstiger (preiswerter) als die Akuteinrichtungen, wenn ähnliche oder analoge Behandlungsaufträge vorliegen. Laut den Ergebnissen des (geriatrischen) GEMIDAS-Projekts der BAG Klinisch-geriatrischer Einrichtungen, in dem über 70 geriatrische Kliniken unterschiedlicher Strukturen nach §§ 109 und 111 SGB V mit ihren Leistungen erfasst werden, ist von der Datenlage her nicht zu unterscheiden, ob es sich um eine Akutklinik nach § 109 SGB V oder um eine Rehabilitationseinrichtung nach § 111 SGB V handelt. Dabei arbeiten die Rehabilitationskliniken nach § 111 SGB V mit erheblich niedrigeren Pflegekostensätzen als (bisher) die Kliniken nach § 109 SGB V. Der gesetzliche Auftrag durch das SGB V lautet, dass Kliniken nach § 109 SGB V für die Akutbehandlung und Frührehabilitation, die nach § 111 SGB V dagegen für die weiterführende stationäre und teilstationäre Rehabilitation zuständig sind. Dieser gesetzliche Auftrag wurde nie eingehalten, denn einige geriatrische Akutkliniken nehmen kaum oder keine geriatrischen Patienten im Direkteinweisungsverfahren auf, nennen sich zudem aber Klinik für geriatrische Rehabilitation. Auf der anderen Seite gibt es auch geriatrische Rehabilitationskliniken, die erhebliche Leistungen in der Frührehabilitation erbringen. Mit der jetzigen Gestaltung der DRGs werden diese oft länderspezifischen und wenig überschaubaren Strukturen zugunsten der Akutkliniken umgesteuert, ohne dass die Qualität der Reha-Leistungen gesichert ist. Nach Rechtsauffassung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation soll auch die Frührehabilitation den Einrichtungen nach § 111 SGB V vorbehalten sein. Die rehabilitativen Anteile von Akutbehandlungen seien danach mehr einer Frühmobilisation zuzuordnen. Dieser Teil von Rechtsunsicherheit bleibt bei den schon genannten unklaren Strukturen erhalten. Für eine Bereinigung dieser Situation müsste allerdings der Terminus Frührehabilitation noch definiert werden, denn diesen Begriff gibt es nur in Deutschland (!) und somit definieren ihn viele für sich selbst. Insofern war es logisch und konsequent, dass der DRG-Ausschuss der Bundesärztekammer in Bezug auf die Geriatrie und einige andere Fachgebiete zu der Feststellung gelangen musste, dass die Schnittstellenproblematik zwischen Akutbehandlung und Rehabilitation noch keineswegs überzeugend gelöst ist. Wir gehen davon aus, dass entsprechend SGB V akutstationäre Behandlung dann endet, wenn für die medizinische Versorgung der Patienten die Vorhaltungen eines Akutkrankenhauses nicht erforderlich sind.

Wir schlagen deshalb vor, dass das InEK konsequent die rehabilitativen Anteile von Behandlungen von den akutdiagnostischen und -therapeutischen Anteilen trennt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach Aussagen und Vorgaben des Gesetzgebers mit der Einführung der DRGs keine Veränderung der Zuständigkeit der Leistungserbringung (hier insbesondere nach §§ 109, 111 SGB V) intendiert war.

Das ist allerdings nur zu leisten, wenn die Kalkulationsbasis aus den DRGs den Kliniken vorgegeben wird. Wegen dieser offenen Frage haben die gesetzlichen Krankenkassen Bayerns entschieden, die neurologische Frührehabilitation aus der Abrechnungspflicht nach dem DRG-System herauszunehmen. In anderen Bundesländern wurden diese Schritte nicht vollzogen, in Rheinland-Pfalz wurde die geriatrische Frührehabilitation den Kliniken nach § 111 SGB V zugeordnet, es läuft nur ein Erprobungsverfahren mit einer Akutklinik nach § 109 SGB V.

Aus den genannten Gründen und Strukturproblemen erscheint eine „Bereinigung” der klinisch-stationären Strukturen in Deutschland immer dringlicher zu sein, zumal der gegenwärtige Zustand das System einerseits verteuert, andererseits Unterversorgungen und Drehtüreffekte programmiert. Ein strukturelle Klärung mit klarer Differenzierung zwischen Akutbehandlung und Rehabilitation würde nicht nur den anvertrauten Patienten helfen, sondern auch den Mitarbeitern im deutschen Gesundheitswesen und nicht zuletzt den Krankenkassen selbst. Auch würde den Patienten die Option - und das ist wohl der wichtigste Aspekt - auf eine hochqualitative Rehabilitation bei Erfordernis erhalten bleiben.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Anteil der Rehabilitationsbehandlungen lt. Statistischem Bundesamt nur 3,23 %, lt. AOK 2 % der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen beträgt, also noch unter den Verwaltungskosten der GKV mit 6 % liegt. Inzwischen liegen auch erste Berechnungen aus der Geriatrie vor, dass durch die Übernahme der Rehabilitation in den Akutbereich mithilfe der geriatrischen DRGs und der dazu gehörenden Prozedurenziffern OPS 8-550,0 bis 8-550,2 das System verteuert würde. Das würde forciert werden, wenn zunehmend auch nichtgeriatrische Bereiche die geriatrischen DRGs einsetzen. So wurden 2003 bei 1700 Patienten in Berlin geriatrische DRGs angewendet, die nicht in geriatrischen Kliniken gelegen haben. Wir wissen, dass auch in anderen Bundesländern diesbezügliche Tendenzen bestehen.

Wir bitten Sie, dass entsprechend unserem Antrag an das InEK und das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information auch von Ihrem Ministerium Maßnahmen eingeleitet werden, die eine Strukturbereinigung in Deutschland unter den Kliniken vorsehen, was über eine strenge Orientierung an den Vorgaben des SGB V gelingen kann. …”

Der DVfR-Ausschuss strebt an, mit den Organisationen der Geriatrie in einen substanziellen, konstruktiven Gesprächsprozess einzutreten, um einen Konsens über ein gemeinsames Vorgehen zur Erreichung bedarfsgerechter und qualitätsorientierter geriatrischer Versorgungsstrukturen zu erlangen - mit dem Ziel der Erhaltung, Förderung und Wiederherstellung der Einheit der Geriatrie.

Deutsche Vereinigung für die Rehabilitation Behinderter (DVfR) 

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