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DOI: 10.1055/s-2004-828363
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Erlebnisbericht zur 2. PID-Tagung in Baden-Baden
Publication History
Publication Date:
08 September 2004 (online)
Eine Verhaltenstherapeutin im Dialog
Der Flyer zur Tagung verhieß interessante Tage. Besonders das neue Laboratorien-Konzept - zu theoretischen Konzepten und deren Umsetzung sowie zu Fallbeispielen aus dem Blickwinkel der verschiedenen Therapieschulen - weckte meine Neugier.
Ein freundlicher Tagungsauftakt
Den freundlichen und humorvollen Auftakt zur Tagung in Baden-Baden machte Wolfgang Senf, einer der Mitherausgeber von PID. Er gab einen kleinen Rückblick auf die Entstehungsgeschichte der Zeitschrift und den nach seinen Schilderungen anfänglich nicht immer einfachen Dialogen zwischen den sechs Herausgebern unterschiedlicher beruflicher Sozialisationen und therapeutischer Richtungen, die jetzt jedoch „nicht mehr ohne einander könnten”. Die beiden Hauptredner - Prof. Klaus Grawe aus Bern und Prof. Jürgen Kriz aus Osnabrück - setzten sich im Anschluss aus verschiedenen Blickwinkeln mit der heutigen Psychotherapielandschaft auseinander. Klaus Grawe betonte in seinem Vortrag eher die gemeinsame Wirkungsweise verschiedener therapeutischer Ansätze anhand der neuen Forschungsergebnisse der Neurowissenschaften, während Jürgen Kriz in seinem Vortrag die Grenzen der Schulenintegration aufwies und für die Beibehaltung der Heterogenität auch in den folgenden 100 Jahren plädierte.
Die Konzept-Laboratorien boten viel Raum für Diskussionen
Nach einer Pause folgten die Konzept-Laboratorien, von welchen insgesamt drei zur Auswahl standen - ich hatte mich für das Thema „Therapeutische Beziehung” entschieden. Drei Vertreter verschiedener therapeutischer Orientierungen (Tiefenpsychologie, Verhaltenstherapie und Systemische Therapie, Humanistische Therapie) hatten zunächst die Möglichkeit, ihre wichtigsten Ideen zur therapeutischen Beziehung zu präsentieren. Im Anschluss hatten die Experten und wir Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit zu einer moderierten Diskussion über Themen wie „Was macht eine gute therapeutische Beziehung aus?”, „Ist Beziehung gestaltbar?” und den Umgang mit Macht in der therapeutischen Beziehung. Es wurde beherzt diskutiert, verschiedene Tabus wurden angesprochen und stereotype Vorstellungen über die „anderen” Schulen ausgeräumt. Dass nach drei Stunden Laboratorium gerade mal die ersten der von den Moderatoren vorbereiteten Fragen beantwortet waren, zeigt doch, wie schwer definierbar und noch wenig griffig das Beziehungsthema ist, besonders wenn so unterschiedliche Fokusse gewählt werden.
Der Workshop-Tag - Die nette Art mit anderen Therapeuten ins Gespräch zu kommen
Tag zwei war der „Workshop-Tag”! Das Workshop-Angebot war vielseitig und umfasste Behandlungsansätze bei spezifischen Störungsbildern, verschiedene therapeutische Ansätze und spezielle Aspekte - wie Emotionen oder Beziehung - im therapeutischen Kontext. Ich wollte gerne in einen „fachfremden” Bereich hineinschnuppern - so meldete ich mich zur „Hypno-systemischen Gruppentherapie” bei Gunter Schmidt an. Besonders inspirierend war für mich die ausgesprochen positive, humorvolle und leichte Haltung, mit welcher Schmidt an Therapie herangeht. Die Schwerpunktsetzung seines Ansatzes lag auf Zielen, Lösungen und Perspektiven, ohne jedoch „Veränderungsdruck” hervorzurufen. Der Begriff „Ressourcenorientierung” wurde in diesem Workshop mit Leben gefüllt. Während der Übungen ergaben sich schöne Kontakte zu Therapeutinnen und Therapeuten aus dem ganzen deutschsprachigen Raum, die in den Pausen zu anregenden Diskussionen führten. Ich, als Verhaltenstherapeutin, ohne systemische oder hypnotherapeutische Vorbildung - konnte von diesem Workshop deutlich profitieren und fühlte mich dem Ansatz gegenüber nicht fremd. Im Gegenteil, teilweise waren mir Übungen aus der praktischen Arbeit durchaus geläufig: ein Zeichen für die vielfach schon gelebte Integration verschiedener Richtungen. Mittags lud der Verlag zu einem Treffen zwischen TagungsteilnehmerInnen, PID-Herausgebern und Verlagsmitarbeiterinnen ein, sodass auch hier für „Möglichkeiten zum Dialog” gesorgt war. Aber auch die Sonne in Baden-Baden lockte zum Entspannen und Flanieren. Und abends auf dem Kongressfest war es möglich, Kontakte zu vertiefen, gut zu essen und kräftig zu tanzen, was einen wunderbaren Ausgleich zum vielen Sitzen und Denken schuf - nebenbei erfuhren wir stets die Fußballergebnisse des aktuellen EM-Spiels.
Das Fall-Laboratorium - Ein Fall und verschiedene Strategien
Ein persönliches Highlight war für mich das Fall-Laboratorium Samstagvormittag, von welchen auch wieder drei parallel zur Auswahl standen. Im Laboratorium „Sexuelle Störungen” stellte der Verhaltenstherapeut Steffen Fliegel mit Unterstützung einer Mitarbeiterin, welche die Rolle der Patientin spielte, die Therapie einer Frau mit sexueller Funktionsstörung und Traumatisierung dar. Die offene und einfühlsame Darstellung war für die Teilnehmenden ergreifend und ermöglichte einen tiefen Einblick in die Behandlung und den Therapieverlauf. Auf dem Podium befanden sich neben dem Moderator Wolfgang Senf eine systemisch-tiefenpsychologische Paar- und Sexualtherapeutin (Ulrike Brandenburg) und die Trauma-Therapeutin Sonja Schmailzl, die die Patientin während eines stationären Aufenthaltes behandelte. Gemeinsam konnten anhand dieses Falles die verschiedenen therapeutischen Strategien unterschiedlicher therapeutischer Schulen beschrieben und dann auch kritisch diskutiert werden, beispielsweise wie ziel- und veränderungsorientiert in den ersten Stunden vorgegangen werden sollte. Dieses Laboratorium ermöglichte somit in der konkretesten Form - an einem Fall - den Vergleich zu anderen therapeutischen Herangehensweisen. Nach einer kurzen Verabschiedung der TeilnehmerInnen durch die PID-Herausgeber im Foyer fuhr ich beschwingt und zufrieden nach Hause.
Eine 3. PID-Tagung? - Gerne wieder!
Ich erhoffte mir von der Teilnahme an dieser Tagung insbesondere die Möglichkeit, verschiedene Anregungen außerhalb meiner verhaltenstherapeutischen Schule für das therapeutische Arbeiten zu bekommen. Dieser Wunsch wurde erfüllt. Was mir dabei besonders gefiel war die Stimmung der Tagung, die eher von gegenseitiger Befruchtung und Interesse als von Abgrenzung geprägt war. Das abwechslungsreiche Tagungskonzept - mit einem intensiven Workshop, den Laboratorien und den anfänglichen Vorträgen hat sich in meinen Augen bewährt. Bleibt noch zu sagen, dass die reibungslose Organisation und das freundliche, lichtdurchflutete Tagungsgebäude für gute Rahmenbedingungen gesorgt haben. Ich freue mich aufs nächste Mal!
Dipl.-Psych. Alexandra Zaby
Fachbereich 8
Psychologie, Arbeitseinheit Klinische Psychologie
Universität Koblenz-Landau
Lienenstraße 9
76829 Landau/Pfalz
Email: zaby@uni-landau.de