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DOI: 10.1055/s-2004-831849
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Target-orientierte Tumortherapie - das Prinzip funktioniert
Targeted tumor therapy - proof of the principlePublication History
eingereicht: 21.7.2004
akzeptiert: 22.7.2004
Publication Date:
28 September 2004 (online)
Der jüngste Erfolg Target-orientierter Tumortherapien stellt einen Meilenstein in der Geschichte der Krebsmedizin dar. Grundlage für den Erfolg dieser Therapiestrategie ist die Identifikation geeigneter molekularer Targets in malignen Neoplasien bzw. im assoziierten Tumorstroma. Die Geschichte der Entdeckung molekularer Tumortargets begann 1960 mit der Entdeckung des Philadelphia-Chromosoms als zytogenetisches Charakteristikum der chronischen myeloischen Leukämie (CML). Nächste wichtige Schritte waren die Entschlüsselung der molekularen Struktur dieser chromosomalen Aberration und die Erkenntnis der Rolle des leukämiespezischen Hybridgens bcr/abl für die Leukämogenese der CML. Die Entwicklung von Imatinib als Inhibitor der c-abl-Tyrosinkinaseaktivität und Therapeutikum der 1. Wahl zur Behandlung der CML ist die Geschichte einer erfolgreichen Kooperation von akademischer und industrieller Forschung.
Imatinib besitzt aufgrund seiner Hemmwirkung auf verschiedene Tyrosinkinasen (c-kit; PDGF-Rezeptor) nicht nur antitumorale Wirksamkeit bei der CML, sondern auch bei gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) mit aktivierenden Mutationen des c-kit Onkogens und beim hypereosinophilen Syndrom mit Translokation des PDGFR-Gens. Der klinische Einsatz von Imatinib bei CML und GIST-Tumoren demonstriert auch ein bedeutsames Problem Target-orientierter Tumortherapien - die sekundäre Resistenzentwicklung infolge von Mutationen des Target-Gens, Multidrug-Resistenz (MDR) oder Aktivierung alternativer intrazellulärer Signalwege. Auch die Signalblockade des Epidermal-Growth-Factor(EGF)-Rezeptors hat sich als antitumorale Strategie bewährt: Gefitinib, eine kleinmolekulare Substanz mit Hemmeffekt auf die Tyrosinkinaseaktivität des EGF-Rezeptors, wurde vor kurzem als Monosubstanz zur Behandlung des fortgeschrittenen, chemotherapierefraktären, nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms zugelassen.
Chimäre oder humanisierte, monoklonale Antikörper gegen tumor-assoziierte Antigene gewinnen seit einigen Jahren in der Hämatologie und Onkologie zunehmend an Bedeutung. Dazu zählen der anti-HER-2/neu-Antikörper Trastuzumab als Monosubstanz oder in Kombination mit konventionellen Zytostatika beim fortgeschrittenen Mammakarzinom mit HER2-/neu Überexpression, der Anti-EGF-Rezeptor-Antikörper Cetuximab kombiniert mit Chemotherapie gegen das metastasierte Kolonkarzinom, der Anti-CD20-Antikörper Rituximab und der anti-CD52 Antikörper als Monotherapeutikum oder gemeinsam mit Standardchemotherapeutika gegen CD20+ follikuläre Non-Hodgkin-Lymphome bzw. CD52+ B- oder T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome. Nicht allein Tumorzellen, auch das Tumorstroma bzw. stromaabhängige Wachstumsfaktoren wie der Angiogenesefaktor VEGF (vascular endothelial growth factor) repräsentieren therapeutische Targets. Der Anti-VEGF-Antikörper Bevacicumab wurde vor kurzem in Kombination mit Chemotherapie zur Erstlinienbehandlung des metastasierten Kolonkarzinoms zugelassen. Als antitumorale Wirkmechanismen „nackter” monoklonaler Antikörpern werden Antikörper- und/oder Komplement-abhängige zelluläre Zytotoxizität und direkte Apoptoseinduktion diskutiert. Durch den Einsatz monoklonaler Antikörper bzw. von Antikörperkonjugaten konnte je nach Tumorentität und Therapieziel entweder der Heilungserfolg signifikant verbessert (z. B. aggressive B-Zell-Non Hodgkin-Lymphome) oder das progressionsfreie und Gesamtüberleben weitgehend ohne belastende Nebenwirkungen verlängert werden (z. B. Kolonkarzinom).
Das Grundprinzip einer Target-spezifischen Tumortherapie, wie bereits von Paul Ehrlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts postuliert, hat sich offensichtlich bewährt. Die Identifikation relevanter molekularer Tumortargets und die Entwicklung Target-selektiver Therapeutika ist eine der großen Herausforderungen an die moderne Krebsforschung. Für die Zukunft ist die Entwicklung diagnostischer und prädiktiver Biomarker zur Auswahl von Patienten mit Target-positiven Neoplasien und hoher Wahrscheinlichkeit für klinisches Ansprechen eine wichtige Voraussetzung für die Therapieplanung und Optimierung des Therapieerfolges und zur Gewährleistung einer ausreichenden Kosteneffizienz dieser neuen Onkotherapeutika.
Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma haben, deren Produkt in diesem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).
Prof. Dr. Günther Gastl
Abteilung für Hämatologie und Onkologie, Universitätsklinik für Innere Medizin
Anichstraße 35
A-6020 Innsbruck
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