PiD - Psychotherapie im Dialog 2005; 6(1): 105-111
DOI: 10.1055/s-2004-834703
DialogBooks
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Buchbesprechungen

Alexandra  Zaby
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
24. März 2005 (online)

Fachbücher
Schmerz allgemein

Seemann, Hanne: Freundschaft mit dem eigenen Körper schließen. Über den Umgang mit psychosomatischen Schmerzen. Leben lernen 115.
Pfeiffer bei Klett-Cotta, Stuttgart, 2000
ISBN 3-608-89661 - 9; Euro 21,00; 208 Seiten

Die Psychologin Hanne Seemann stellt in diesem Werk einen hypnosystemischen Therapieansatz zum Umgang mit psychosomatischen Schmerzen oder anderen Beschwerden ohne ausreichenden Organbefund dar. Die Autorin bezeichnet sich als begeisterte Geschichtenerzählerin, und so ist auch der Stil des Buches gehalten. Das Buch zieht die Leser durch seinen narrativen Stil - ohne starke Untergliederung, Tabellen, Grafiken - schnell in seinen Bann und nimmt sie mit auf eine Reise in einen neuen Behandlungsansatz. Auf dieser Reise begegnen ihnen viele verschiedene PatientInnen mit ihren Geschichten.

Ziel des Ansatzes ist es, die Sprache des eigenen Körpers kennen zu lernen, vertraut damit zu werden und die Symptome als Ausdruck des Körpers zu verstehen, ohne schwerwiegende emotionale Probleme dabei als ursächlich beteiligt zu postulieren. Das Symptom wird als eine Störung im vegetativen Nervensystem erklärt und von der Autorin als Kommunikationsstörung interpretiert. Es macht daher Sinn zu fragen: „Was fehlt?”. Viele verschiedene Beispiele und Geschichten verdeutlichen, was dies sein kann: Z.B. kann ein Symptom eine Aufforderung sein, sich mehr zu bewegen, sich freier zu bewegen und sich mehr zu erlauben oder mehr Risiko im Leben einzugehen. Meist ist das psychosomatische Symptom eine Reaktion auf eine lange Durchhaltestrategie oder Überlastung des Patienten. Das therapeutische Ziel ist es daher, die Betroffenen bei der Suche nach Wünschen und Sehnsüchten zu unterstützen. Nach einer Darstellung der theoretischen Wurzeln des Ansatzes - insbesondere der Systemtheorie - wird im letzten Kapitel das hypnosystemische Vorgehen praxisnah und direkt umsetzbar beschrieben.

Das Buch ist geprägt von einer positiven, warmen und humorvollen Haltung und Leichtigkeit, von welcher jeder therapeutisch Tätige beim Lesen direkt persönlich profitieren kann.

Glier, Barbara: Chronischen Schmerz bewältigen - Verhaltenstherapeutische Schmerzbehandlung. Leben lernen 153.
Pfeiffer bei Klett-Cotta, Stuttgart, 2002
ISBN 3-608-89703-8; Euro 20,00; 216 Seiten

Barbara Glier, leitende Psychologin einer psychosomatischen Klinik mit vielen Jahren Erfahrung in den Bereichen der Schmerzbehandlung, -forschung und -weiterbildung hat eine kompakte und praxisorientierte Darstellung der verhaltenstherapeutischen Behandlung chronischer Schmerzen verfasst, die in der Reihe „Leben lernen” erschienen ist.

Nach einem kürzeren Überblick zu wichtigen Grundlagen chronischer Schmerzen, insbesondere der Bedeutung des biopsychosozialen Erklärungsmodells, erfolgt eine ausführliche Beschreibung des diagnostischen Vorgehens. Glier stellt das verhaltensanalytische Vorgehen, orientiert an Bartling und Caspar, dar und gibt eine Empfehlung zur psychometrischen Standarddiagnostik bei SchmerzpatientInnen. Beispielhaft werden anhand eines Falles Behandlungsziele abgeleitet. Zum Abbau motivationaler Probleme der PatientInnengruppe setzt Glier Therapiemodule aus dem Bereich Edukation ein und betont die Wichtigkeit von Transparenz in der Behandlung. Der größte Teil des Buches umfasst die Schilderung der verhaltenstherapeutischen Behandlungsstrategien, zu denen Entspannung, kognitive Techniken, Aufmerksamkeitsumlenkung und körperorientierte Strategien zählen. Zur Bearbeitung wichtiger operanter, aufrechterhaltender Faktoren schlägt die Autorin die Vermittlung von Problemlösestrategien und sozialen Kompetenzen vor. Dem häufig auftretenden Problem des Medikamentenabusus bei SchmerzpatientInnen widmet sich das letzte Kapitel. Es bietet wichtige Hinweise für PsychologInnen zum Erkennen und Behandeln eines ungünstigen oder schädlichen Gebrauchs von Schmerzmitteln.

Dieses pragmatische Buch ist für die praktische Anwendung konzipiert, es umfasst ausführliche therapeutische Anleitungen und Arbeitsmaterialien für PatientInnen. Gleichzeitig vermittelt es einen einfühlenden und wertschätzenden Umgang mit den PatientInnen.

Hoefert, Hans-Wolfgang; Kröner-Herwig, Birgit (Hrsg.): Schmerzbehandlung. Psychologische und medikamentöse Interventionen.
Ernst Reinhardt, München, 1999
ISBN 3-497-01451-6; Euro 29,90; 288 Seiten

Dieses Herausgeberwerk will kein Lehrbuch sein. Es setzt sich vielmehr zum Ziel, den Lesenden einen Einblick in die besondere Denk- und Arbeitsweise der psychologisch orientierten Schmerztherapie zu geben. Gegliedert ist das Werk in vier Teile.

Der erste Teil - anthropologische Aspekte - weckt besonderes Interesse, da er in der gängigen Literatur zur Schmerzbehandlung nicht selbstverständlicherweise eine Rolle spielt. In zwei anregenden Beiträgen wird die Schmerzkonzeption der phänomenologischen Anthropologie - das „phänomenale Erlebtwerden” des Schmerzes und dessen Wandel über die Zeit und die individuelle Entwicklung - dargestellt. Die Autoren setzen sich mit den Ursachen problematischer Behandlungsansätze des medizinischen Systems auseinander. Die Ausführungen bleiben nicht bei einer Kritik aktueller Missstände stehen, sondern beschäftigen sich, wie dies für Psychologen angemessen erscheint, auch mit Ursachen für die Trägheit bei der Veränderung. Larbig bietet in seinem Artikel „Kultur und Schmerz” Einblicke in interkulturelle Unterschiede der Schmerzwahrnehmung und des Schmerzausdrucks, die an außergewöhnlichen Ritualen, wie z. B. bei den Feuerläufern in Griechenland, gewonnen wurden.

Im zweiten Teil werden exemplarisch häufige Störungsbilder, ihre theoretischen Erklärungsansätze mit wichtigen Ansatzpunkten zur Behandlung, teilweise anhand von Fallbeispielen, beschrieben.

Der dritte Teil setzt sich kritisch mit dem Umgang mit Analgetika und Psychopharmaka in der Schmerzbehandlung auseinander.

Der letzte Teil stellt verschiedene psychologische Interventionsstrategien bei chronischen Schmerzsyndromen und invasiven Eingriffen dar. Auch konkrete Modelle zur vielfach geforderten interdisziplinären Zusammenarbeit bei der Behandlung chronischer Schmerzen fehlen nicht.

Das Werk zeichnet sich in besonderem Maße durch seine reflektierten und tiefgründigen Beiträge auf hohem wissenschaftlichen Niveau aus. Es bietet Behandlern Impulse, das Schmerzerleben ihrer PatientInnen in einem größeren menschlicheren Kontext zu betrachten und gleichzeitig modernes Behandlungswissen zu erwerben.

Heinz, Andreas; Denke, Claudia; Ernst, Gernot; Przuntek, Horst (Hrsg.): Somato-psychosomatische Entstehung und Therapie chronischer Schmerzen.
Königshausen & Neumann, Würzburg, 2001
ISBN 3-8260-2004-9; Euro 19,50; 115 Seiten

In diesem Reader finden sich 13 wissenschaftlich hochwertige Beiträge, die einer Fachtagung zur Entstehung und Behandlung chronischer Schmerzen in Feldberg/Mecklenburg entsprangen und dem Austausch zwischen Grundlagenforschern und Klinikern dienen. Im ersten Teil stellen die übersichtlich gehaltenen kurzen Aufsätze neueste aktuelle Forschungserkenntnisse psychophysiologischer, neuronaler und molekularbiologischer Grundlagenforschung dar. Die neuroplastischen Prozesse auf supraspinaler und Rückenmarksebene werden präzise und verständlich beschrieben. Eine praktische Anwendung der Ergebnisse bei der Behandlung des Phantomschmerzes in Form eines operanten Stimulationstrainings mit peripherer elektrischer Stimulation verdeutlicht das Potenzial der neuen Forschung.

Ein zweiter Inhaltsschwerpunkt befasst sich mit verschiedenen wichtigen Störungsbildern (Rückenschmerz, Kopfschmerz) und teilweise unterschätzten Syndromen (z. B. Schmerzen nach Gürtelrose, chronischem Unterbauchschmerz) in Bezug auf Entstehung und Behandlung.

Der Sammelband vermittelt durch die verschiedenen Beiträge einen kompakten Einblick in die aktuelle Forschung im Bereich Neuroplastizität bei chronischem Schmerz.

Hüper, Christa: Schmerz als Krankheit. Die kulturelle Deutung des chronischen Schmerzes und die politische Bedeutung seiner Behandlung.
Mabuse Verlag, Frankfurt, 2003
ISBN 3-925499-85-7; Euro 31,00; 322 Seiten

Hüper, inzwischen tätig als FH-Professorin im Bereich Gesundheitswesen, hat sich in ihrer Dissertation kritisch mit dem Umgang mit Schmerz in unserem vom medizinisch-naturwissenschaftlichen Denken beherrschten Gesundheitssystem auseinander gesetzt.

Im ersten Teil beschreibt sie ausführlich die Einschränkungen und Folgen der medizinischen „Aspekttotalisierung”, die sich zum Beispiel im Bereich Medikamentenmissbrauch und iatrogener Chronifizierung niederschlagen. Sie entlarvt dieses vorherrschende organische Paradigma als inhuman. Im Weiteren gibt sie einen Abriss des Schmerzverständnisses von der Antike bis heute und der daraus resultierenden therapeutischen Ansätze aus Medizin, Psychotherapie und Verhaltensmedizin. Aufgrund der Mängel der einzelnen Ansätze zielt ihr Plädoyer auf eine integrative Sichtweise ab, die den Schmerz „verstehen statt vernichten” will. Der Hauptfokus ihres Behandlungsansatzes zielt auf die interdisziplinäre Kooperation und deren Implementierung im Gesundheitssystem ab.

Der theoretisch-wissenschaftliche Stil des Buches wird durch Falldarstellungen aufgelockert.