Zwischen Selbstbestimmung und Rollenverzicht: Einstellungen zum Sterben und zur Sterbehilfe - Ergebnisse einer Befragung von palliativbehandelten Tumorpatienten in Thüringen
Between Self-Determination and Role Abdication: Opinions about Euthanasia - Results of a Study of Thuringians Palliative Tumour PatientsKarena Leppert1,3
, Christopher Hausmann2,3
, Louise Dye4
, Birgitt van Oorschot3
, Norbert Köhler3
, Susanne Schweitzer3
, Kerstin Steinbach3
, Reiner Anselm3,5
, Bernhard Strauß1
1Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Jena
2Projekt: Contor; Wissenschaftliche Dienstleistungen und Forschungsberatung, Jena
3Modellprojekt „Patienten als Partner”, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Modellvorhaben „Patient als Partner - Tumorpatienten und ihr Mitwirken bei medizinischen Entscheidungen” wird gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2001 - 2004), Förderkennzeichen: 217-43794-5/3
Im Rahmen eines durch das BMGS geförderten Modellprojektes sollte geprüft werden, inwiefern Tumorpatienten am Ende ihres Lebens mit ihren behandelnden Ärzten partnerschaftliche Entscheidungen zu fällen wünschen. Außerdem sollte das Thema „Sterbehilfe” aus Patientensicht näher analysiert werden. 272 Thüringer Tumorpatienten mit einer geschätzten Lebenserwartung von bis zu einem Jahr wurden in einer Face-to-Face-Befragung unter anderem zu ihren Vorstellungen und Wünschen nach Sterbehilfe, Sterbeort und Anwesenden beim Sterben und nach der Einstellung zur Patientenverfügung interviewt. Entsprechend den Erwartungen wünschen sich die meisten Tumorpatienten (75 %) zu Hause und in Anwesenheit der Familie (90 %) zu versterben. In einer multidimensionalen Skalierung der Antworten zur Sterbehilfe konnten die zwei Dimensionen „Selbst-/Fremdbestimmung” und „Integration/Desintegration als Patient im System”, ermittelt werden. Die Wahrung ihres autonomen Willens bezüglich der am Lebensende zu treffenden Entscheidungen ist für die Tumorpatienten von zentraler Bedeutung. Die Befunde zum Wunsch nach Sterbehilfe spiegeln nicht die öffentliche Diskussion zur aktiven, passiven oder indirekten Sterbehilfe wider und zeigen zudem, dass der Arzt feinfühlig mit den Patienten und deren Angehörigen kommunizieren sollte.
Abstract
This study reports the degree to which terminally ill tumour patients wish to be involved in medical decisions about their care and death. In addition, the study aimed to examine euthanasia from the patient's perspective. 272 tumour patients with a life expectancy of less that 1 year took part in a face to face survey. The survey examined attitudes, beliefs and desires with respect to euthanasia, where one would like to die and who should be present as well as attitudes to advance directives. The majority of tumour patients (75 %) wanted to die at home and in the presence of family members (90 %). A multidimensional scaling analysis generated two clusters which were interpreted as self-other determination and integration-non-integration as a patient within the health system. The central theme for the tumour patients is to protect their autonomy in the decision making process at the end of their lives. Desires expressed by these tumour patients did not reflect public discussions about active, passive or indirect assisted suicide. The results demonstrate that doctors should communication especially sensitively with tumour patients and their relatives.
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