Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(46): 2465
DOI: 10.1055/s-2004-835287
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Hypertonieforschung heute

Advances in hypertension researchH. Haller1 , J. Schrader2
  • 1Abteilung Nephrologie, Zentrum Innere Medizin der Medizinischen Hochschule Hannover
  • 2Innere Abteilung, St-Josefs-Hospital Cloppenburg
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Publication Date:
09 November 2004 (online)

Die Hypertonie ist als klinisches Fach und als Forschungsgegenstand im Wandel begriffen. Auf dem Gebiet der Hypertonieforschung standen lange Jahre die Fragen der Pathophysiologie der Erkrankung im Vordergrund. Untersuchungen zur Rolle des Sympathikus, der zentralnervösen Regulation des Blutdruckes und des Kontraktionsverhaltens der glatten Gefäßmuskulatur bestimmten die Diskussion. Während diese Untersuchungen weitergeführt werden, sind in den letzten Jahren neue Gebiete der Hypertonieforschung dazu gekommen. Auf dem Gebiet der Biologie der Gefäßwand sind dies Endothelzellen und ihre Regulation sowie deren Bedeutung bei Mikroinflammation. Eine besondere Rolle spielt inzwischen die Genetik der Hypertonie. Genetische Fragen werden nicht nur bezüglich der Entstehung des hohen Blutdruckes, sondern auch bei der Therapie unter dem Stichwort „Pharmakogenomics” gestellt. Die Analyse der Kandidatengene bei Hypertonie wird in Tiermodellen oder im Einsatz von avancierten molekularbiologischen Techniken in sog. „Knock-out’“-Tieren vorgenommen. Organspezifische Gen-Deletionen und Veränderungen an den Chromosomen haben wesentliche Einblicke in die Entstehung der Hypertonie und ihre Folgen geliefert.

Aus diesen grundlagenorientierten Untersuchungen sind neue Behandlungsmöglichkeiten der Hypertonie entstanden. Die Entdeckung neuer Rezeptoren und intrazellulärer Signaltransduktionswege ermöglicht es, pathologische Mechanismen genauer zu erkennen und zu therapieren. Eine dieser neuen therapeutischen Möglichkeiten ist die antifibrotische und organprotektive Wirkung von Aldosteron-Antagonisten. Bei diesem Hormon stand lange Zeit die Salz- und Wasserregulation im Vordergrund. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass Aldosteron eine eigenständige Wirkung bei der Fibrosierung von Organen hat und eine gezielte Therapie mit Aldosteron-Antagonisten sowohl organprotektiv wirkt als auch die Morbidität und Mortalität von Patienten verbessern kann.

Bei der Behandlung des erhöhten Blutdruckes sind in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt worden. Neben neuen Substanzen gehören dazu die neuen Wirkungen bereits bekannter therapeutischer Substanzen („pleiotrope” Wirkungen), beispielsweise die antiinflammatorischen Eigenschaften von blutdrucksenkenden Mitteln. Die neuen blutdrucksenkenden Medikamente weisen deutlich weniger Nebenwirkungen auf und verbessern damit die Compliance der Patienten erheblich. Jedoch ist die Behandlung der Patienten mit Hypertonie in Deutschland immer noch insuffizient. Es werden zu wenige Patienten zuverlässig diagnostiziert und die diagnostizierten Patienten unzureichend behandelt. Trotz der oben beschriebenen Fortschritte ist hier nach wie vor konsequente ärztliche Fort- und Weiterbildung notwendig. Die mangelnde Umsetzung der diagnostischen und therapeutischen Ziele der Hochdruckliga zeigt nur, dass es weiterhin einer gemeinsamen Anstrengung bedarf, um die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität von Patienten mit Hypertonie zu beeinflussen.

Eine wesentliche Rolle ist in den letzten Jahren den Forschungen zu den Endorganschäden bei Hypertonie zugekommen. Die Wirkung des hohen Blutdruckes auf Gehirn, Herz, Nieren und Gefäße hat wesentliche neue Einsichten in die Mechanismen der Organschädigung ergeben. Es sind neue vasoaktive Substanzen beschrieben worden, welche bei der Schädigung von Organen hypertensiver Patienten eine wichtige Rolle spielen. Endotheliale Dysfunktion und Mikroinflammation sind verbindende Mechanismen, welche die Schädigung der Gefäße in den verschiedenen Organen erklären und damit neue therapeutische Ansatzmöglichkeiten bieten. Die Analyse der Organschädigung geschieht mit Hilfe neuer klinischer Methoden. Auf dem Gebiet der hypertensiven Augenerkrankungen sind neue Methoden entstanden. Mikroalbuminurie als Ausdruck der Nierenschädigung wird inzwischen als Marker für eine Schädigung der Mikrozirkulation bei den Patienten verstanden und damit vermehrt diagnostisch eingesetzt. Wesentliche Erkenntnisse der letzten Jahre betreffen die Rolle der frühen Nierenschädigung als kardiovaskulärer Risikofaktor. Patienten mit leicht eingeschränkter Nierenfunktion weisen bereits eine deutlich gesteigerte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität auf. Die Mechanismen dieses Zusammenhanges sind Gegenstand intensiver Forschung.

Hypertonieforschung ist nach wie vor von großer Bedeutung und erlaubt neue Einsichten in die Zusammenhänge von Bluthochdruck und Organschädigung. Die klinische Notwendigkeit, den Blutdruck besser und erfolgreicher zu behandeln, ist unumstritten; neue Therapiemöglichkeiten leisten dazu entscheidende Beiträge.

Prof. Dr. Hermann Haller

Abteilung Nephrologie, Zentrum Innere Medizin, Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Straße 1

30625 Hannover