Allgemeine Homöopathische Zeitung 2004; 249(6): 298-299
DOI: 10.1055/s-2004-836222
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Tagungsbericht
Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & CO. KG

Jahrestagung von DZVhÄ und ÖGHM vom 20.-22. Mai 2004

Gerhard Bleul
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Publication Date:
11 November 2004 (online)

Gemeinsam veranstalteten der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte und die Österreichische Gesellschaft für Homöopathische Medizin diesen Ärztekongress, der erstmals in Köthen/Anhalt stattfand und über 250 Teilnehmer hatte.

Das Thema war entsprechend gewählt: Anhalt - Ansicht - Ansporn. Im Hauptprogramm ging es vor allem um pflanzliche Arzneimittel: Liliaceen (M. Mangialavori), Cruciferen (W. Neuhold), Signaturen (B. Vonarburg), Traumthemen (U. Santos-König), pflanzliche Arzneimittel in der Krebsbehandlung (U. Friedrich), Folgerungen aus einer Arzneimittelprüfung (P. König), Compositen (R. v. Bonin-Schulmeister), ein Themenkomplex, der im Parallelprogramm mit einem Seminar zu den Rutaceen (M. Mangialavori) fortgesetzt wurde und mit „Ein österreichischer Pflanzenreigen” seinen krönenden Abschluss fand.

Weitere Themen waren die zahnärztliche Anwendung der Homöopathie (mit H-W. Feldhaus, E. Höller und K. Hör), Miasmen-Seminare (P. Gienow und H. v. d. Zee), die Verreibung einer Pflanze (B. Gudjons), pädiatrische Onkologie (S. Kruse und E. Pichler), nonverbale Interaktion in Diagnostik und Therapie (G. Haffelder) und die multizentrische Beobachtungsstudie, die vor einigen Jahren begann und jetzt abgeschossen wurde (C. Becker-Witt).

Die Festreden am Nachmittag des ersten Tages hielten Frank Nager („Von der Vielfalt des Heilens”) und Gerhard Fasching („Phänomene der Wirklichkeit”), verbunden von einem Orgelkonzert von Martina Apitz.

Einige Vorträge werden hier, stellvertretend, etwas genauer referiert.

Massimo Mangialavori: Darstellung der Liliaceae. Der Vortrag wurde in Englisch gehalten. In bewährter Art wurden Anamnesen und Folgegespräche ausführlich in wörtlicher Rede referiert, um an ihnen die Charakteristika der Liliengewächse (Allium cepa, Allium sativum, Colchicum, Crocus sativus, Lilium tigrinum, Ornithogalum) aufzuzeigen: eine Blockade im Organismus von Teilen, die nicht mehr dazu zu gehören scheinen, ein feiner Geruchsinn, eine besondere Religiosität und Beziehung zu Gott, die Neigung zur Idealisierung der Kindheit, um aus der Rückerinnerung Energie zu gewinnen (bis zur anhaltenden, auch beruflichen Beschäftigung mit Kinderspielzeug).

Uwe Friedrich: Pflanzliche Mittel in der homöopathischen Krebsbehandlung. In kurzer Zeit wurde eine Fülle an Informationen vermittelt über die spezifische Anwendung von Conium, Hydrastis, Thuja, Belladonna, Phytolacca, Condurango, Lycopodium, Chelidonium und anderen Pflanzenarzneien und über eine Reihe weiterer Hauptmittel, die Eli G. Jones (1850-1933) beschrieben hat. Als pathogenetischer Ansatz wurde die Bedeutung der Phytoestrogene (Isoflavone, Lignane, Coumestane und Flavonoide) diskutiert. Drei Fallberichte - Prostata-Ca. (Con.), Mamma-Ca. (Lyc.) und Karzinoid (Chin.) - zeigten die reiche Praxiserfahrung des Referenten.

Peter König: Ein altes Mittel in neuem Licht: Schlussfolgerungen einer zunächst verwirrenden Arzneimittelprüfung. In einem Weiterbildungskurs wurde ein doppelblinde AMP durchgeführt, das Mittel war eines von 11, die benannt wurden. In der Auswertung der Symptome, die von Brennen, Hitzegefühl, Eifersuchtsideen geprägt waren, bestimmten 23 von 27 Teilnehmern einschließlich Kursleiter die Arznei als Apis, auch die Repertorisation sprach eindeutig dafür. Die Prüfarznei war Colocynthis, dessen anderer Pol im Arzneimittelbild, „Antriebs- und Zukunftslosigkeit”, durch einen Fall illustriert wurde. Die Folgerungen aus dieser Erfahrung: Unbedingt doppelblind prüfen, die Gruppendynamik beachten, in der oft der erste, der erzählt, alle weiteren Berichte beeinflusst, mehr Zeit nehmen als die drei Tage, die hier angesetzt waren.

Ruth von Bonin-Schulmeister: Compositenfamilie: Chamomilla, Edelweiß u.a. Themata der Pflanzenfamilie und Fallgeschichten. Das große Thema der Compositae bzw. Asterales ist „Verletzungen”. Zur Familie gehören neben Arnica, Calendula und Millefolium auch Senecio, Solidago, Taraxacum, Tussilago, Wyethia, Abrotanum, Cina, Bellis perennis u.v.a. Charakteristika sind die besondere Empfindlichkeit bei Verletzung der körperlichen Integrität, die Abneigung berührt zu werden mit Rückzug und Krämpfen, Blutungen, inneres Leeregefühl, die Angst etwas zu verlieren, durchdringende Schmerzen und Kälteempfindlichkeit. Ein Fall von Bellis perennis bei Schmerzen seit Uteruskürettage und der Bericht von einer AMP mit Edelweiß (Leontopodium alpinum) zeigten die gemeinsamen und die spezifischen Aspekte.

Harry van der Zee: Miasmen-Seminar: Die Geburt der Miasmen - Miasmen in der Geburt. Die Phasen der Geburt, wie sie Stanislav Grof beschreiben hat - der pränatale paradiesische Zustand, der Beginn der Austreibung oder „Vertreibung”, der „Antagonismus mit der Mutter” mit Uteruskontraktion und Öffnung, der „Synergismus” mit Passage durch den Geburtskanal und die Trennung von der Mutter - werden in Beziehung gesetzt zu den Miasmen - prämiasmatisches Stadium, Psora, Sykose, Syphilis, Akutes Miasma. Anhand vieler spannender Fälle wurde dieses beeindruckende Konzept beschreiben.

Günter Haffelder: Nonverbale Kommunikations- und Interaktionsphänomene im diagnostisch-therapeutischen Prozess. Die alte Erkenntnis, dass Erwartungen, z.B. beim Lehrer oder beim Arzt, sich auf das Gegenüber, z.B. den Schüler oder den Patienten, übertragen, wurde bestätigt durch Untersuchungsreihen mit EEG-Spektralanalysen im Stuttgarter Institut für Kommunikation und Gehirnforschung. In der rechten Hirnhemisphäre des intuitiven Denkens sind spezifische Deltawellen messbar, wenn eine nonverbale Kommunikation des Probanden mit einer anderen Person stattfindet. Hirnstrommessungen im Wirkungsfeld homöopathischer Arzneimittel könnten auch für die homöopathische Forschung interessant werden.

Claudia Becker-Witt: Ergebnisse einer prospektiven multizentrischen Beobachtungsstudie in homöopathischen Arztpraxen. Die Behandlungsfälle von 3981 Patienten durch 104 Ärzte wurden über zwei Jahre ausgewertet, getrennt nach den Einschätzungen von Patient und Arzt. Schon nach drei Monaten war statistisch eine deutliche Besserung nachzuweisen, die sich über den Lauf der zwei Jahre noch steigerte.

Die differenzierten Studienergebnisse sind zu finden unter www.charite.de/epidemiologie/(news.

Sigrid Kruse: Begleitende homöopathische Therapie in der Universitätsklinik am Beispiel der pädiatrischen Onkologie. Homöopathie im Rahmen der Kinderonkologie hat verschiedene Ansatzpunkte: Abfangen der Nebenwirkungen der Chemotherapie, Behandlung von Ängsten, Aggressivität und anderen Verhaltensauffälligkeiten während der Therapie in der Klinik, konstitutionelle Behandlung. Für die ersten beiden Bereiche wurden eine Reihe von bewährten Arzneimitteln besprochen.

Den „Samuel”, den Preis für den besten Vortrag, erhielten gleich 8 Referenten für ihr außergewöhnlich beeindruckendes und buntes Seminar „Ein österreichischer Pflanzenreigen”: Wolfgang Eichler, Reinhard Flick, Gloria Kozel, Bernhard Schmid, Ulrike Schmutzer, Susanne Stoeckl-Gibs, Franz Swoboda und Michaela Zorzi.

Kongresse dieser Art, mit solch freudigem und erfreulichem nachbarschaftlichen Zusammenwirken, gibt es noch viel zu selten. Fortsetzungen und Neuauflagen sind ausdrücklich erwünscht.