Gesundheitswesen 2005; 67(10): 709-718
DOI: 10.1055/s-2005-858652
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Bedeutung sozialer Ungleichheit für die Gesundheit im Jugendalter

The Role of Social Inequality for Adolescent HealthM. Richter1
  • 1Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, Bielefeld
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Publication Date:
18 October 2005 (online)

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Zusammenfassung

Fragestellung: Der Beitrag geht der Frage nach, ob und für welche gesundheitlichen Parameter sozioökonomische Unterschiede in der Gesundheit von Jugendlichen in Deutschland existieren. Methodik: Die Daten stammen aus dem deutschen Teil der internationalen WHO-Studie „Health Behaviour in School-age Children”, in der 5650 Schulkinder im Alter von 11 bis 15 Jahren im Jahr 2002 befragt wurden. Ergebnisse: Das Ausmaß ebenso wie die Existenz gesundheitlicher Ungleichheiten hängen wesentlich von der Auswahl der untersuchten Indikatoren der Gesundheit ab. Zudem finden sich deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf sozioökonomische Unterschiede in der Gesundheit. Für das Übergewicht zeigt sich sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen der deutlichste Effekt der beiden SES-Indikatoren (Berufsstatus der Eltern und familiärer Wohlstand). Ein vergleichbares Ergebnis findet sich auch für allergische Erkrankungen. Ein Einfluss sozialer Ungleichheit auf die psychische Gesundheit hingegen liegt in erster Linie bei Mädchen vor. Dies gilt sowohl für die Anzahl als auch für das Ausmaß sozioökonomischer Unterschiede in der Gesundheit. Für Verletzungen, die Lebenszufriedenheit und das Untergewicht konnten unabhängig vom Geschlecht keine gesundheitlichen Ungleichheiten nachgewiesen werden. Schlussfolgerungen: Die Beziehung zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit im Jugendalter ist wesentlich komplexer und vielschichtiger, als weithin angenommen wurde. Die Analyse verdeutlicht, dass den Besonderheiten des Jugendalters in der Diskussion über gesundheitliche Ungleichheiten stärker als bislang Rechnung zu tragen ist. Die Tatsache, dass der Einfluss sozialer Ungleichheit auf die Gesundheit bei Jugendlichen möglicherweise geringer ist als bei Erwachsenen, weist auf die Bedeutung des Jugendalters für präventive Bemühungen hin.

Abstract

Purpose: The aim of the study was to investigate socioeconomic differences in adolescent health in Germany. Methods: Findings are based on data from 5650 11- to 15-year-old German pupils participating in the cross-national study “Health Behaviour in School-age Children” in 2002. Results: Extend and occurrence of health inequalities depended largely on the selected health out comes. Moreover, there were marked gender-specific differences in respect of socioeconomic differences in health. For both, boys and girls, results showed a strong effect of socioeconomic status (parental occupation and family affluence) on overweight. Allergies yielded comparable results in respect of socioeconomic differences. On the other hand, social inequalities had an influence on psychological health mainly in girls. This effect was found for the number as well as for the extent of socioeconomic health differences. No health inequalities were found in respect of injuries, life satisfaction and underweight, independent of gender. Conclusions: The influence of social inequalities on adolescents’ health was considerably more complex and more stratified than expected. The analysis indicates that the special characteristics of adolescence need to be taken into account in the discussion of social inequalities in health. The fact that young people’s health is probably less influenced by social inequality then it is during other parts of the life course points attention to adolescence as an important stage for preventive efforts.