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DOI: 10.1055/s-2005-858727
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Epilentikuläre IOL-Implantation kombiniert mit Linsenabsaugung über die Pars Plana bei traumatischer Katarakt
Combination of Epilenticular IOL-Implantation and Pars Plana Lentectomy in Traumatic Cataract PatientsPublication History
Publication Date:
17 January 2006 (online)
Epidemiologische Daten belegen dass bei penetrierenden Verletzungen - mit oder ohne intraokularem Fremdkörper - in 40 - 60 % der Fälle eine Linsenverletzung bzw. eine Kataraktentwicklung eintritt [1] [2]. Bereits bei der Hälfte der betroffenen Patienten wird die Linsenentfernung während der Primärversorgung notwendig. Für die übrigen Unfallopfer stellt die Kataraktextraktion den mit Abstand häufigsten Sekundäreingriff nach Erstversorgung okulärer Traumata dar [3].
Wird eine primäre Kataraktextraktion notwendig, sieht sich der Operateur nicht nur aufgrund der akuten Notfallsituation mit einer Reihe von Besonderheiten konfrontiert.
Bei perforierenden Verletzungen ist bei gleichzeitig bestehender Hornhautalteration der Einblick u. U. deutlich eingeschränkt. Quellende Linsenmassen können bei Vorliegen eines Kapseldefektes eine kontrollierte Kapsulorhexis erschweren und erfordern u. U. eine Vitalfärbung der Linsenkapsel mit Methylenblau. Häufig bestehende Zonulalterationen erschweren oder vereiteln die IOL-Implantation in den Kapselsack - auch wenn die Verwendung eines Kapselspannringes in dieser Situation hilfreich sein kann. Als einer der wenigen „günstigen Umstände” kann genannt werden, dass - bei den überwiegend jungen Verletzungspatienten - die Linse eher weich ist und meist ohne Phakoemulsifikation und unter geringem Vakuum abgesaugt werden.
Aus dieser sicherlich unvollständigen „Problemliste” geht bereits hervor, dass die chirurgische Vorgehensweise sich nicht an der „Standard-Kataraktextraktion” orientieren kann und eine IOL-Implantation in den Kapselsack problematisch sein kann.
In der aktuellen Ausgabe der „Klinischen Monatsblätter für Augenheilkunde” berichten Pavlovic und Weinand über eine modifizierte Technik und ihre Langzeitresultate bei traumatischer Katarakt und gleichzeitiger Vitrektomie [4]. Da bei vielen Verletzungspatienten ein primär kombinierter Eingriff an Vorder- und Hinterabschnitt des Auges notwendig ist, erscheint der Beitrag interessant und als Hinweis für operativ tätige KollegInnen relevant. Die Autoren bevorzugen bei traumatischer Katarakt mit großem Kapseldefekt eine primär epilentikuläre IOL-Implantation in den Sulcus ziliaris, bevor die Linsenabsaugung über die Pars plana vorgenommen wird.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Vorgehen ist chirurgisch einfach, elegant und kontrollierbar. Die Risiken der IOL-Luxation, v. a. bei unzureichenden Kapselresten, erscheinen gering. Die sichere Sulcusfixation ist bei traumatisierten Augen in vielen Fällen der unkontrollierten Implantation in den Kapselsack vorzuziehen. Die Autoren verwendeten IOLs mit großer Optik und Haptik, die über einen breiten sklerokornealen Zugang implantiert wurden. Dieses Vorgehen mag zunächst nicht „zeitgemäß” erscheinen, weist für den Retinologen jedoch eine Reihe von Vorzügen auf. Die intra- und postoperative Beurteilung des Fundus wird durch die große Optik erleichtert. Die groß dimensionierte IOL „stabilisiert” das verletzte Auge und stellt - wie die Autoren berichten - eine ausreichende „Barriere” auch für Endotamponaden im Rahmen der Vitrektomie dar. Demgegenüber erscheint das Risiko eines höheren Astigmatismus bei sklerokornealem Zugang vernachlässigbar - zumal v. a. bei kornealem Trauma andere Faktoren stärker ins Gewicht fallen. Weiterhin sprechen die funktionellen Ergebnisse und das vergleichsweise geringe Komplikationsspektrum für die vorgeschlagene Technik. Beim überwiegenden Teil der betroffenen Patienten konnten eine brauchbare Sehschärfe und rasche funktionelle Rehabilitation erreicht werden.
Zudem wurde ein vergleichbares Vorgehen zuvor in anderen Bereichen erfolgreich verwendet. Die Autoren beziehen sich auf eine Empfehlung von Tablante et al., die bei kongenitaler Katarakt die epilentikuläre Implantation propagierten [5]. Hier sollte allerdings eine einschränkende Anmerkung erlaubt sein. Da Kinder erfahrungsgemäß deutlich stärker zu sekundären Veränderungen mit IOL-Luxation, Iris-Capture und Sekundärglaukom neigen, erscheinen Linsentraumata in dieser Altersgruppe weniger für diese Technik geeignet. Unter den behandelten Patienten in der vorliegenden Studie befand sich - möglicherweise auch aus diesem Grund - kein Kind.
Zusammengenommen kann den Autoren zu diesen Erfahrungen und Erfolgen gratuliert werden - bleibt nur zu hoffen, dass möglichst wenige Patienten in die Situation einer verletzungsbedingten Katarakt gelangen ...
Literatur
- 1 Framme C, Roider J. Epidemiology of open globe injuries. Klin Monatsbl Augenheilkd. 1999; 223 287-293
- 2 Wong T Y, Seet M B, Ang C L. Eye injuries in twentieth century warfare: a historical perspective. Surv Ophthalmol. 1997; 223 433-459
- 3 Wykes W N. A 10 year survey of penetrating eye injuries in Gwent, 1976 - 1985. Br J Ophthalmol. 1988; 223 607-611
- 4 Pavlovic S, Weinand F. Langzeitergebnisse nach epilentikulärer IOL-Implantation bei traumatischer Katarakt. Klin Monatsbl Augenheilkd. 2006; 223 70-73
- 5 Tablante R T, Cruz E DG, Lapus J V. et al . A new technique of congential cataract surgery with primary posterior chamber intraocular lens implantation. J Cataract Refrac Surg. 1988; 223 149-157
Uwe Pleyer
Augenklinik Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
Email: uwe.pleyer@charite.de