Z Gastroenterol 2005; 43(11): 1211-1212
DOI: 10.1055/s-2005-858812
Editorial

© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nobelpreis 2005 für H. pylori und für die Gastroenterologie

P. Malfertheiner1
  • 1Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie, Magdeburg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
03. November 2005 (online)

Sie hat lange auf sich warten lassen, diese Auszeichnung, aber als sie kam, gereichte sie zu einem großen Freudentag für die gesamte Gastroenterologie und ihre benachbarten Gebiete. Die Ankündigung von B. J. Marshall und J. R. Warren als Nobelpreisträger für Medizin 2005 konnte mit einer deutlichen Aussage aufwarten: eine epochale Entdeckung, die in ihrer wichtigsten Umsetzung die Heilung der peptischen Ulkuskrankheit ermöglicht hat.

Dabei hat die Entdeckung von H. pylori so unspektakulär begonnen. Sie bedurfte keiner neuen bahnbrechenden technischen Entwicklungen, auch keiner der hochentwickelten „molekularen” Labormethoden. Ein einfaches Lichtmikroskop, das zuvor Generationen von Pathologen zur Verfügung gestanden hatte, genügte dem bescheidenen, aber von seinen Beobachtungen getriebenen Pathologen Warren ein scheinbar unumstößliches Dogma, das des sterilen Magens, abzulösen. Dies ist ihm in Zusammenarbeit mit dem jungen, dynamischen und von dogmatischen Vorstellungen unbeeindruckten Marshall gelungen. Durch die Anzüchtung des Bakteriums und den Selbstversuch von Marshall konnten die beiden Laureaten den Kausalitätsbeweis für diesen Keim als Ursache der chronischen Gastritis erbringen und damit einen grundlegenden Wandel im Verständnis und in der Behandlung der Magenerkrankungen einleiten. 23 Jahre sind seit der Entdeckung von H. pylori vergangen. Die anfänglich schweren Jahre, in denen die Beschäftigung mit diesem Keim nicht nur eine Außenseiterrolle in der gastroenterologischen Forschungslandschaft eingenommen hat, sondern lange Zeit vehement angefochten und von „linientreuen” Meinungsbildnern in ihrer Entwicklung gestört wurde, sind vergessen und überwunden.

Nicht weniger als 17 768 wissenschaftliche Arbeiten in Form von Original- oder Übersichtsarbeiten sind bis August dieses Jahres in Medline erfasst.

Was für eine Initialzündung für Wissenschaft und Klinik wurde durch diese Entdeckung gesetzt und welcher „Benefit” für Millionen von Menschen, die durch die H. pylori-Infektion betroffenen waren oder sind!!!

Natürlich fällt die Heilung der Ulkuskrankheit dabei am deutlichsten ins Gewicht. Aber viele andere klinische Neuerungen wurden durch die Entdeckung von H. pylori eröffnet. Erstmals wurde auch eine maligne Erkrankung, das MALT-Lymphom des Magens im Frühstadium, durch eine nur 7-tägige Therapie mit Säurehemmern und Antibiotika heilbar. Sogar für einzelne extragastrale Erkrankungen (z. B. manche Fälle Immunthrombozytopenischer Purpura) wurde die H. pylori-Infektion als Trigger identifiziert und ihre Heilung ermöglicht.

Neue nichtinvasive Behandlungsstrategien für die Dyspepsie wurden in die Praxis eingeführt. Ein Atemtest kann zu Therapieindikation anstelle der Endoskopie mit Biopsie bei jungen Patienten ohne Alarmsymptome herangezogen werden.

Eine weitere große Herausforderung steht noch an, die Umsetzung von Strategien zur Prävention des Magenkarzinoms durch die Behandlung der H. pylori-Infektion.

Neben diesen unmittelbar fassbaren klinischen Fakten hat die Entdeckung von H. pylori eine immense Bewegung in der Erforschung der Grundlagenmechanismen von Entzündung und Karzinogenese eingeleitet und sie hat modellhaft Anstoß für viele neue und wichtige Erkenntnisse auf den Gebieten der Mikrobiologie, Pathologie, Immunologie und Zellbiologie u. a. gegeben.

Die Entdeckung von Helicobacter pylori war auch Ausgangspunkt für die Identifizierung zahlreicher anderer Helicobacter-Spezies mit unterschiedlichsten Nischen im Gastrointestinaltrakt der Menschen und im Tierreich. Die Beschäftigung mit diesen Keimen stellt einen ambitionierten Ansatzpunkt zur Entschlüsselung weiterer noch ungelöster Krankheiten dar.

Also nehmen wir diesen freudigen Anlass des diesjährigen Nobelpreises für die gesamte Gastroenterologie, um unbeirrt weitere und neue Wege in unseren wissenschaftlichen Bemühungen zu beschreiten. Einstweilen dürfen wir schon die klinische Errungenschaft dieser Entdeckung durch ihre Umsetzung in der täglichen klinischen Praxis zum Wohl der Patienten nutzen.

Den beiden Preisträgern unsere herzliche und tief empfundene Gratulation und Dank für das Geschenk, das sie unseren Patienten und unserem Fachbereich durch ihre Entdeckung gemacht haben.

Prof. Dr. Peter Malfertheiner

Otto-von-Guericke-Universität, Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie

Leipziger Straße 44

39120 Magdeburg

Telefon: ++49/ 03 91/67-1 31 00

Fax: ++49/ 03 91/67-1 31 05

eMail: Peter.Malfertheiner@medizin.uni-magdeburg.de