Aktuelle Dermatologie 2005; 31(6): 297-299
DOI: 10.1055/s-2005-861259
Kleine Kulturgeschichte der Haut
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Haut als Schriftträger

Skin as Text CarrierE.  G.  Jung, K.  Zimmermann
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Publication Date:
31 May 2005 (online)

Zwischenmenschliche Informationen, welche Bestand haben, sind seit gut 30 000 Jahren v. Chr. in Höhlen und an Felsen bekannt. Sie bestehen aus Zeichnungen und Symbolen und sind dort angebracht, wo Menschen sich zu begegnen pflegten. Im 4. Jahrtausend v. Chr. ist die Notwendigkeit dokumentiert, sprachlich getroffene Vereinbarungen in Bild, Schrift und Zahlen festzuhalten. Diese werden durch Konvention allgemein gültig und verbindlich. Diese Entwicklung lässt sich in verschiedenen Kulturräumen dokumentieren, am frühesten wohl in Mesopotamien. Schrift und Bild werden in Stein gehauen, wo sie Jahrtausende überdauern, und bevorzugt an Heiligtümern, Tempeln, Palästen und Gräbern, in Städten und Marktplätzen angebracht, eben da wo viele Menschen immer wieder zusammenkommen. Die Menschen also kamen zur Information. Mit der Ausbreitung von Handel und Gewerbe, mit der Eroberung von fremden Gebieten, mit Zöllen und Tributen löste die Tontafel als Schriftträger das Problem, die Information zu den Menschen zu bringen. Diese wurde im 3. Jahrtausend ergänzt und teilweise ersetzt durch Papyrus als Schriftträger, welches aus Mark und Stängel der Papyrusstaude in Lagen verlegt und gepresst, ein beschreibbares Blatt ergibt, das trocken gehalten lange aufbewahrt werden kann, gefaltet oder gerollt gut transportiert wird und auch leicht zu kopieren ist. Dies hat sich bewährt, bis im 4. Jahrhundert n. Chr. in der kleinasiatischen Stadt Pergamon die Technik zur Verwendung von Häuten als Schriftträger entwickelt wurde. Es geht hier um Tierhäute von Rindern, Schafen, Ziegen und Eseln. Das Pergament, Papier aus Pergamon, entsteht durch Entfernen von Haaren, Fleischteilen und Fetten. Die ungegerbten Felle werden dann einige Tage in Ätzkalk gelegt, aufgespannt, nochmals gereinigt und gebleicht. Zuweilen werden sie zur besseren Geschmeidigkeit mit Ölen behandelt. Pergament ist haltbarer als Papyrus, feuchtigkeitsbeständig und kann beidseitig, auch farbig beschrieben werden. Es wird in Rollen oder zu Büchern gebunden transportiert und aufbewahrt. Abgelöst wird Pergament als Schriftträger im 14. Jahrhundert n. Chr. durch Papier, welches aus Pflanzenfasern durch Verfilzen, Verleimen und Pressen in vielfältigen Arten und Formen gewonnen wird und sich insbesondere durch den Buchdruck als Schriftträger durchgesetzt hat. Erst im 20. Jahrhundert erhält Papier durch die elektronische Erfassung und Verbreitung von Daten eine echte Alternative (Tab. [1]).

Tab. 1 Die Träger der Schrift Fels und Stein seit 30 000 Jahre vor Chr. Tontafel 4000 Papyrus 3000 Pergament 400 Jahre n. Chr. Papier 1400 Elektronische Medien 1950

Pergament, gefertigt aus tierischen Häuten, war also tausend Jahre lang der hauptsächliche Schriftträger der Menschheit. Eine ganze Reihe von Prachtexemplaren menschlicher Kunst und Kultur werden von Pergament dauerhaft getragen. Hervorragende Beispiele sind der Codex Manesse (Abb. [1] u. [2]), ausschließlich auf Pergament gefertigt, und die Gutenbergbibel (Abb. [3]), die noch teilweise auf Pergament, größtenteils aber schon auf Papier gedruckt wurde.

Abb. 1 (Cod. Pal. germ. 848, 6recto). Der Staufer-Kaiser Heinrich VI. (1165 - 1197), Sohn Friedrichs I. Barbarossa, wurde 1191 in Rom zum Kaiser gekrönt. Seine Verse sind vermutlich in seiner Jugend entstanden, zur Zeit des Mainzer Hoffestes 1184. Die erste Miniatur der Handschrift ist in recht schlechtem Zustand, da sie ihrem repräsentativen Charakter entsprechend sicher am häufigsten gezeigt wurde.

Abb. 2 (Cod. Pal. germ. 848, 184verso). Über das Leben des ersten großen Dichters der hochhöfischen Zeit, Hartmann von Aue, ist wenig bekannt. Um 1160 geboren, stand er als Ministeriale im Dienst eines Herrn von Aue, wohl bei Freiburg gelegen. Er nahm 1189 oder 1197 an einem Kreuzzug teil und starb nach 1210. Seine „cristalînen wortelîn” rühmt Gottfried von Straßburg.

Abb. 3 (Blatt 5recto). Beginn des ersten Buches Mose, der Genesis: In principio creavit deus celum et terram … Am Textanfang steht eine große, mit Blattgold verzierte Initiale, in deren Buchstabenstamm ornamental herausgearbeitetes Blattwerk zu sehen ist. Der Schriftspiegel ist an drei Seiten von einer Ranke mit Blüten und lappigen Blättern eingefasst, die zusammen mit der Initiale nach dem Druck von einem Illuminator ausgeführt wurde.

Literatur

  • 1 Bauer F. Die Humanität der Rechtsordnung. Ausgewählte Schriften. In: Pereis J, Wojak I (Hrsg.) Frankfurt; Campus 1998

Prof. Dr. Ernst G. Jung

Maulbeerweg 20 · 69120 Heidelberg

Dr. Karin Zimmermann

Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek

Postfach 105749 · 69047 Heidelberg

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