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DOI: 10.1055/s-2005-863089
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Minimal-invasive Operation von Leistenhernien - Contra
Laparoscopic groin hernia repair - contraPublikationsverlauf
eingereicht: 19.10.2004
akzeptiert: 24.11.2004
Publikationsdatum:
03. März 2005 (online)
Zur Therapie von Leistenhernien steht aktuell ein breite Palette von verschiedenen Operationsverfahren zur Verfügung. Dominierend sind als transinguinales Nahtverfahren die Technik nach Shouldice, als transinguinales, offenes Verfahren mit Verstärkung durch alloplastische Netze (Meshes) die Technik nach Lichtenstein und als sog. minimal-invasive, laparaskopische Techniken mit präperitonealer Netz-Position: TAPP (transabdominelle präperitonealle Patch-Plastik) oder TEP (total extraperitoneale Patch-Plastik).
Für alle Verfahren gilt gleichermaßen, dass sie mit exzellenten Resultaten durchführbar sind. Die Beobachtung von teils schwerwiegenden Komplikationen und die im Vergleich zu publizierten persönlichen Serien hohe Rezidivrate in der breiten Anwendung dieser Verfahren machen jedoch Überlegungen zu einer differenzierten Verfahrenswahl erforderlich.
Die ambulant durchführbaren, transinguinalen Verfahren gehen insbesondere unter Lokalanästhesie mit einer geringen Belastung des Patienten und einer schnellen Rekonvaleszenz einher. Unterschiede zu TAPP/TEP sind allenfalls minimal. Das transinguinale Vorgehen eröffnet im Gegensatz zu den endoskopischen Eingriffen die Option, intraoperativ die Notwendigkeit einer Netzverstärkung zu überprüfen. Das geringe Zugangstrauma bei den transinguinalen Verfahren ist mit dem fast vollständigen Fehlen schwerwiegender, intraoperativer Komplikationen (seltener als bei laparoskopischen Verfahren [2] [3]) verbunden.
Bei den Nahtverfahren ist mit einer Rezidivrate von 10 - 15 % zu rechnen [4]. Die zusätzliche Verstärkung mit Netzen (ohne Unterschied, ob offen oder laparoskopisch) kann diese Rate zwar kurzfristig halbieren. Die epidemiologischen Daten mit einem seit Jahren konstanten Anteil an Rezidivhernien > 10 % [1] belegen vielmehr, dass es lediglich zu einer Verzögerung der Rezidiventstehung kommt. Neuere Erkenntnisse einer gestörten Wundheilung bei einer Subgruppe von Risikopatienten weisen in die gleiche Richtung [4]. Deshalb sollte angesichts der erheblich größeren technischen Schwierigkeiten bei Re-Operationen nach Netzeinsatz - gerade bei jungen Patienten - eine Netzplastik erst beim Rezidiv selbst eingesetzt werden.
Die Rate an Spätkomplikationen durch implantierte Netze (u. a. chronische Fremdkörperreaktion, Spätinfekte, Netzwanderung) sind im Einzelnen nicht bekannt. Bei einer angenommenen Netz-Verweildauer von Jahrzehnten muss jedoch eine nennenswerte Akkumulation erwartet werden. Die schwierige Behandlung derartiger Komplikationen legt nahe, dass Netzmaterialien nur bei begründbaren Vorteilen gegenüber dem bewährten Nahtverfahren (z. B. hohem Rezidivrisiko wie bei großen direkten Leistenbrüchen älterer Männer oder bei Re-Rezidiven) eingesetzt werden sollten.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist vom Materialaufwand sicherlich ein Nahtverfahren am günstigsten, da die Mehrkosten des Netzes entfallen. Damit sind die aufwändigeren laparoskopischen Techniken zwangsläufig die teuersten Eingriffe. Berücksichtigt man den Personalbedarf, die Operationszeit, die Anästhesie und die postoperative Verweildauer lässt sich jedoch jedes Verfahren realisieren, wenngleich Vorteile des offenen Verfahrens nicht zu bestreiten sind.
Die offenen Naht- und Mesh-Verfahren sind gleichermaßen minimal invasiv. Wegen des geringen Rezidivrisikos bei Frauen und jungen Männern mit indirekter Hernie erscheint dort ein Nahtverfahren ausreichend. Die Verwendung von Meshes nach Lichtenstein lediglich bei Risiko-Patienten erlaubt die Reduzierung möglicher Spätfolgen. Die endoskopischen, präperitonealen Mesh-Verfahren haben zweifellos ihre Indikation bei Rezidivhernien nach anteriorem Mesh oder bei Mehrfach-Rezidiven. Bei diesen bedeutet ein erneutes Vorgehen durch die voroperierte Leiste eine gesteigerte Gefährdung der Samenstranggebilde.
Fazit: Eine patientenzentrierte, individuelle Verfahrenswahl erscheint am ehesten geeignet, die Mesh-/Operationskomplikationen bei begrenztem Rezidivrisiko zu minimieren.
Literatur
- 1 Externe Qualitätssicherung in der Chirurgie/Unfallchirurgie, Orthopädie und Urologie, Freistaat Sachsen 2001. Beilage Ärzteblatt Sachsen http://www.slaek.de/aebl/2002/ae112002.htm 11/2002
- 2 Neumayer L, Giobbie-Hurder A, Jonasson O. et al . Open mesh versus laparoscopic mesh repair of inguinal hernia. N Engl J Med. 2004; 350 1819-1827
- 3 McCormack K, Scott N W, Go P M, Ross S, Grant A M. EU Hernia Trialists Collaboration Laparoscopic techniques versus open techniques for inguinal hernia repair. Cochrane Database Syst Rev. 2003; 1 CD001785
- 4 Schumpelick V, Nyhus L M, Meshes. Benefits and Risks, 1 st ed. Springer: Berlin Heidelberg New York 2004
Priv.-Doz. Dr. Uwe Klinge
Chirurgische Klinik der RWTH Aachen
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen
eMail: Uklinge@ukaachen.de