Rofo 2005; 177(2): 290-293
DOI: 10.1055/s-2005-864053
Mitteilungen der DRG
Radiologie und Recht
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Zur angemessenen Vergütung für niedergelassene Radiologen

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Publikationsdatum:
17. Februar 2005 (online)

 

1. Sachverhalt

Vertragsärztlich tätige Radiologen können unter dem Gesichtspunkt angemessener Vergütung für ihre Leistungen keine Vergütung in bestimmter Höhe verlangen. Mit diesem Argument hat das Bundessozialgericht (BSG) am 8. und 9. Dezember 2004 in über 14 Verfahren die Revisionen von Radiologen zurückgewiesen, die gegen die Kassenärztliche Vereinigung Hessen auf eine höhere Vergütung radiologischer Leistungen in dem Zeitraum der Quartale III/1997 bis II/1998 geklagt hatten (Az.: B 6 KA 44/03 R, B 6 KA 50/02 R, B 6 KA 28/03 R, B 6 KA 36/03 R, B 6 KA 38/03 R, B 6 KA 40/03 R, B 6 KA 42/03 R, B 6 KA 4/04 R, B 6 KA 9/04 R, B 6 KA 12/04 R, B 6 KA 13/04 R, B 6 KA 29/04 R, B 6 KA 30/04 R).

Im Zuge der Einführung von Praxis- und Zusatzbudgets durch den EBM-Ä zum 01.07.1997 beschloss die Vertretersammlung der KV Hessen zum 01.07.1997, in ihrem Honorarverteilungsmaßstab (HVM) im Primär- und Ersatzkassenbereich Honorargruppen zu bilden, denen bestimmte Anteile der Gesamtvergütung (Honorarkontingente) zugewiesen wurden. Der HVM sah für die nicht durch den EBM-Ä budgetierten Fachgruppen wie die Radiologen neben Honorarbegrenzungsmaßnahmen in Form von fallwert- und fallzahlabhängigen Budgetierungen auch Stützungs- und Härtefallregelungen vor. Des Weiteren waren kurativ-ambulante computertomographische und kurativ-ambulante kernspintomographische Leistungen nur bis zu einer begrenzten Gesamtpunktzahl berechnungsfähig. Ab dem Quartal III/1998 wurden die für Radiologen geltenden Bestimmungen des HVM wesentlichen Änderungen unterzogen.

Die Kläger rügten mit ihrer Revision jeweils eine Verletzung ihrer Rechte auf angemessene Vergütung aus Art. 12 Abs. 1 GG mit § 72 Abs. 2, § 85 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 3 SGB V und § 2 Abs. 1a der Satzung der Beklagten, auf Schutz des Eigentums (Art 14 Abs. 1 GG), des Gebots der Honorarverteilungsgerechtigkeit aus Art 3 Abs. 1 GG, des Rechtsstaatsprinzips (Art 20 Abs. 2, Art 38 Abs. 1 Satz 1 GG), des Demokratiegebots (Art 20 Abs. 2, Art 28 Abs. 1 Satz 1, Art 38 Abs. 1 Satz 1 GG), des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs. 4 GG) sowie der §§ 103 und 128 Abs 1 SGG. Es sei rechtswidrig, dass ihnen die KV Hessen in den 4 streitigen Quartalen aufgewandte Praxiskosten nicht erstattet und keinerlei Arztlohn bezahlt habe. Die KV Hessen sei verpflichtet, ihnen Nachzahlungen in angemessener, vom Gericht im Einzelnen festzulegender Höhe zu leisten. Denn Vertragsärzte hätten aus Art 12 Abs. 1 GG iVm. § 72 Abs. 2, § 85 Abs. 3 Satz 4, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 3 SGB V sowie aus § 2 Abs. 1a der Satzung der Beklagten Rechtsansprüche auf angemessene Vergütung gegen ihre KV. Selbst nach der Rechtsprechung des BSG bestünden solche Rechtsansprüche ausnahmsweise dann, wenn durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das vertragsärztliche Versorgungssystem und als deren Folge auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem teilnehmenden ärztlichen Leistungserbringer gefährdet wäre.

Das BSG hat in allen Verfahren die Revisionen zurückgewiesen. Die Hauptfrage, ob die Kläger in den betroffenen Quartalen III/1997 bis II/1998 unter dem Gesichtspunkt angemessener Vergütung höheres Honorar beanspruchen konnten, sei - auch unter Einbeziehung des Art. 12 Abs. 1 GG - zu verneinen. Die Überprüfung der normativen Regelungen, die den Honoraransprüchen zu Grunde lagen, und ihrer Auswirkungen habe ergeben, dass kein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit vorlag. Das Gericht ist der Auffassung, dass radiologische Praxen bei durchschnittlicher Ausstattung auch unter der Geltung der angegriffenen Bestimmungen wirtschaftlich tragfähig betrieben werden konnten. Soweit diese Voraussetzungen in Einzelfällen möglicherweise nicht mehr vorgelegen haben sollten, werde zu prüfen sein, ob die beklagte KV in Anwendung der einschlägigen Vorschriften ihres HVM verpflichtet sei, aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung bzw. unter Härtefallgesichtspunkten auf Antrag Ausgleichszahlungen zu leisten.

Das Bundessozialgericht hat damit die in seinem Urteil vom 03.03.1999 (Az.: B 6 KA 8/98 R) begonnene Rechtsprechung fortgesetzt, wonach aus dem Grundsatz der "Angemessenheit der Vergütung" nach § 72 Abs. 2 SGB V und dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG) kein Anspruch des einzelnen Arztes oder einer Arztgruppe besteht, Leistungen mit einem höheren Punktwert vergütet zu bekommen, als dies bei anderen Arztgruppen der Fall ist (vgl. BSG NJW 1995, S. 375).

Die nachfolgende Darstellung soll einen Überblick über die Grundlagen der Honorarverteilung in der vertragsärztlichen Versorgung geben und die Frage beleuchten, ob und unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf eine "angemessene Vergütung" unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundessozialgerichts durchsetzbar ist.

Rechtsanwälte Wigge Kleinke Frehse

Rechtsanwalt Dr. Peter Wigge

Münster/Westfalen

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