Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(14): 893-897
DOI: 10.1055/s-2005-865104
Übersichten
Kardiologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Besonderheiten zur Entente von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Adipositas

Ein Kommentar der Nationalen Herz-Kreislauf-Konferenz (NHKK)Obesity and cardiovascular morbidityA comment of the National Heart and Circulation Conference (NHKK)A. Berg, G. Bönner
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eingereicht: 30.7.2004

akzeptiert: 18.2.2005

Publication Date:
30 March 2005 (online)

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Epidemiologie und Bewertung der Adipositas mit zunehmendem Lebensalter

Die Notwendigkeit, auf die Bedeutung des Übergewichts als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und auf einen diesbezüglichen Kommentar der Nationalen Herz-Kreislauf-Konferenz (NHKK) hinzuweisen, ergibt sich aus der Tatsache, dass der Anteil der Übergewichtigen sowohl bei Erwachsenen als auch bei Heranwachsenden erschreckend zunimmt und Übergewichtige, im Sinne der Risikostratifizierung von Herz-Kreislauferkrankungen, in jedem Lebensalter einer vermehrten ärztlichen und therapeutischen Aufmerksamkeit bedürfen [32] [33].

Durch seinen gleichzeitigen Bezug zu metabolischen, endokrinologischen und rheologischen Faktoren wird Übergewicht für den menschlichen Organismus zu einem pro-atherogenen und pro-inflammatorischen Faktor [3]. Die Rolle des Übergewichts als eigenständiger Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurde lange Zeit kontrovers diskutiert. Kritische epidemiologische Untersuchungen, in denen Zusammenhänge zwischen koronarer Morbidität und Mortalität und Übergewicht in Abgrenzung von klassischen Risikofaktoren wie Hypertonie, Dyslipoproteinämie und Hyperinsulinämie überprüft wurden, lieferten jedoch eindeutige Beweise für den Risikowert des Übergewichts [27] [32]. Diese Aussage gilt altersunabhängig für Männer und Frauen [40]. Die Bedeutung des Übergewichts als Risikofaktor wird verstärkt, wenn nicht allein das situative Körpergewicht, sondern auch die Gewichtsentwicklung sowie der Körperfettanteil und die Körperfettverteilung (abdominelle oder viszerale Fettlokalisation) berücksichtigt werden [26]. Diese Zusatzaspekte sind für die Ausprägung der kardiovaskulären Risikofaktoren mitverantwortlich [5] [6]. Auch wenn ethnische und familiäre Unterschiede in der Verteilung des Body-Mass-Index (BMI) als Messgröße für die Körperkomposition bekannt sind [25], dient der BMI weltweit als Kriterium zur Diskriminierung zwischen Normal- und Übergewicht bzw. Adipositas.

Die Bewertung der Gewichtsentwicklung mit zunehmendem Alter erscheint deshalb von besonderer Bedeutung, da eine mittlere Gewichtszunahme von 1 kg und mehr pro Jahr mit einer gegenüber dem normalen Altersgang überdurchschnittlichen Zunahme des Herz-Kreislauf-Risikos verbunden ist [15] [40]. Dies hat seine Begründung darin, dass die klassischen Risikofaktoren Blutdruck und Lipidprofil unabhängig vom Altersbezug mit dem BMI korrelieren [35]. Interessanterweise weisen Männer und Frauen mit zunehmendem Lebensalter nicht die gleiche Gewichtsentwicklung auf. Bezogen auf die Daten der Prospective Cardiovascular Münster (PROCAM-) Studie für die deutsche Bevölkerung [1] findet man bei Männern in den vier ersten Lebensdekaden des Erwachsenenalters eine kontinuierliche Gewichtszunahme von 23,2 auf 26,5 kg/m2 und bei Frauen eine diskontinuierliche Gewichtszunahme von 21,9 auf 26,6 kg/m2 mit erhöhter Gewichtszunahme um das 40. Lebensjahr [35]. Nachweislich ist der Übergang in die Menopause mit einer erhöhten Gewichtszunahme und einem erhöhten Herz-Kreislauf-Risiko verbunden.

kurzgefasst: Der Anteil an Übergewichtigen nimmt bei Erwachsenen und Heranwachsenden erschreckend zu. Mit der Gewichtszunahme korrelieren die klassischen Herz-Kreislauf- Risikofaktoren. Das Herz-Kreislauf-Risiko ist am höchsten bei abdomineller Fettverteilung, unabhängig vom Geschlecht.