Handchir Mikrochir Plast Chir 2005; 37(5): 323-331
DOI: 10.1055/s-2005-865898
Originalarbeit

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Indikationen und Ergebnisse der operativen Therapie bei geburtstraumatischer Läsion des Plexus brachialis[1]

Indications and Results of Operative Treatment in Birth-Related Brachial Plexus InjuriesR. Hierner1 , 3 , M. Becker2 , 3 , A. Berger3
  • 1Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, Zentrum für Mikrochirurgie, Handchirurgie, Verbrennung, Universitätsklinikum Gasthuisberg, Katholische Universität, Leuven, Belgien
  • 2Praxis Priv.-Doz. Dr. Michael Becker, Aachen
  • 3Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie - Schwerverbranntenzentrum, Medizinische Hochschule Hannover
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Publication History

Eingang des Manuskriptes: 12.1.2005

Angenommen: 29.6.2005

Publication Date:
14 November 2005 (online)

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Zusammenfassung

Die Durchsicht der Literatur zeigt, dass es trotz intensiver konservativer Therapie alleine oder in Kombination mit sekundären Ersatzoperationen (Muskel/Sehnentransplantation) bei 4 bis 43 % der Fälle einer geburtstraumatischen Läsion des Plexus brachialis zu einer Defektheilung mit gravierender funktioneller und ästhetischer Beeinträchtigung (Gruppe III) kommt. In diesen Fällen gilt es, keine Zeit zu verlieren und nicht auf ein frustranes Spontanregenerationsergebnis zu warten. Durch Einsatz des vorgestellten Flussschemas können diese Patienten zwischen dem dritten und sechsten Lebensmonat mit hoher Wahrscheinlichkeit herausgefiltert werden. Durch die frühzeitige mikrochirurgische Exploration des Plexus brachialis, alleine oder in Kombination mit sekundären Ersatzoperationen, kann bei 80 bis 90 % der Kinder mit schwerer Schädigung des Plexus brachialis (Gruppe III) eine Regeneration ohne nennenswerte funktionelle und ästhetische Beeinträchtigung erzielt werden (Gruppe II). Darüberhinaus kann durch die operative Plexusrekonstruktion auch die Anzahl der für sekundäre Ersatzoperationen zur Verfügung stehenden Muskeln deutlich erhöht werden.

Abstract

Introduction: A review of the literature reveals that under conventional treatment alone or in combination with secondary muscle/tendon transfer about 4 to 43 % of cases show incomplete recovery with severe functional and/or aesthetic impairment. When these patients undergo early microsurgical brachial plexus revision, a regeneration without any significant functional and/or aesthetic impairment can be achieved in 80 to 90 % of the cases. Moreover, microsurgical reconstruction of the brachial plexus does increase the possibilities of secondary muscle/tendon transfers. Materials and Methods: Our concept is based on our experience with more than 1700 patients presenting with brachial plexus lesions between 1981 and 2000 who were treated in our institution. Patient selection is done according a standardized algorithm which is presented. There were 418 obstetrical brachial plexus lesions. 189 could be treated conservatively. In 225 cases operative treatment was necessary. 104 cases underwent early revision of the brachial plexus and secondary tendon transfer was done in 121 patients. Results: Personal results and an analysis of the literature reveal that in C5/C6 lesions good shoulder function can be achieved in 60 to 80 %, especially if the accessory nerve is routinely used. Good elbow function can be expected in over 90 %. In C5/C6/C7 lesions, there are only slightly inferior results. In both groups there is a significant functional improvement by secondary tendon transfer at the age of two to three years. In the rare C5 - Th1 lesions, the functional results depend on the number and quality of the remaining roots. Conclusions: Provided there is good patient selection, severe obstetrical brachial plexus injuries should be scheduled for early microsurgical revision. There is no need to wait for a frustrating spontaneous recovery.

1 Zusammenfassung

1 Die Durchsicht der Literatur zeigt, dass es trotz intensiver konservativer Therapie alleine oder in Kombination mit sekundären Ersatzoperationen (Muskel/Sehnentransplantation) bei 4 bis 43 % der Fälle einer geburtstraumatischen Läsion des Plexus brachialis zu einer Defektheilung mit gravierender funktioneller und ästhetischer Beeinträchtigung (Gruppe III) kommt. In diesen Fällen gilt es, keine Zeit zu verlieren und nicht auf ein frustranes Spontanregenerationsergebnis zu warten. Durch Einsatz des vorgestellten Flussschemas können diese Patienten zwischen dem dritten und sechsten Lebensmonat mit hoher Wahrscheinlichkeit herausgefiltert werden. Durch die frühzeitige mikrochirurgische Exploration des Plexus brachialis, alleine oder in Kombination mit sekundären Ersatzoperationen, kann bei 80 bis 90 % der Kinder mit schwerer Schädigung des Plexus brachialis (Gruppe III) eine Regeneration ohne nennenswerte funktionelle und ästhetische Beeinträchtigung erzielt werden (Gruppe II). Darüberhinaus kann durch die operative Plexusrekonstruktion auch die Anzahl der für sekundäre Ersatzoperationen zur Verfügung stehenden Muskeln deutlich erhöht werden.

1 Plexus brachialis · geburtstraumatische Lähmung · Diagnose · Differenzialtherapie