Pneumologie 2005; 59 - 21
DOI: 10.1055/s-2005-867168

Ich habe doch gar nicht geschlafen – Schlafwahrnehmung im MSLT

W Cassel 1, T Ploch 1, J Rack 1, T Penzel 1
  • 1Schlafmedizinisches Labor, SP Pneumologie, Klinik für Innere Medizin, Klinikum der Philipps-Universität, Marburg

Einleitung: In vielen Alltagssituationen wird deutlich, dass durch Verhaltensbeobachtung eindeutig erkennbarer Schlaf vom Betroffenen nicht adäquat erinnert bzw. erst auf der Basis von Gedächtnislücken akzeptiert wird. Untersuchungen haben gezeigt, dass ca. 25% aller über der Wahrnehmungs- aber unter der Weckschwelle liegende akustische Stimuli im Schlaf Stadium I nach Rechtschaffen und Kales durch eine motorische Reaktion quittiert werden. Im Schlaf Stadium II war dies nur noch für 1,6%, in den anderen Schlafstadien für unter 0,1% der Stimuli der Fall. Schlaf im Sinne von Abwesenheit des Wachbewusstseins liegt also oft erst ab Schlaf Stadium II vor. In dieser Untersuchung wurde der Frage nachgegangen, wie die Schlafwahrnehmung bzw. Schlaferinnerung nach einem Durchgang des Mehrfachen Schlaf-Latenz-Testes (MSLT) mit „objektivem“ Schlaf Stadium I bzw. II nach Rechtschaffen und Kales korrespondiert. Methoden: Patienten des Schlafmedizinischen Labors der Klinik für Innere Medizin, bei denen eine Indikation für die Durchführung des MSLT bestand, füllten nach jedem MSLT-Durchgang einen Fragebogen aus, in dem Eintreten von Schlaf (ja/nein), die Einschlaflatenz und die Schlafdauer, bei Nichteintreten von Schlaf Nähe zum Schlaf und eventuelle Störungen, die Schlaf verhindert haben, erfragt wurden. Als Kriterium für Eintreten von Schlaf galt mindestens eine Epoche Schlaf Stadium I (S1) bzw. eine Epoche Schlaf Stadium II (S2). Ergebnisse: Im fünfmonatigen Untersuchungszeitraum wurden 76 Patienten in die Studie aufgenommen. Häufigste Diagnose waren Schlafbezogene Atmungsstörungen (n=58, 76%). Die mittlere Einschlaflatenz (S1) über alle Patienten lag bei 13,55±4,41 Minuten (Standardabweichung) bzw. bei 17,22±2,9 (S2) Minuten. Bei 194 von 304 Testdurchgängen (63,8%) wurde Schlaf (S1) beobachtet. S2 trat in 122 (40,1%) Durchgängen auf. Der Eintritt von Schlaf wurde mit einer Sensitivität von 0,54 (S1) bzw. 0,69 (S2) und Spezifität von 0,89 (S1) bzw. 0,82 (S2) zutreffend erinnert (Chi2 je p<0,001). Für 187 Durchgänge wurde kein Schlaf erinnert. In 98 (S1) bzw. 149 (S2) dieser Durchgänge trat tatsächlich kein Schlaf ein – d.h. in 48% (S1) bzw. 20% (S2) dieser Durchgänge trat Schlaf nach objektiven Kriterien auf, obwohl die Patienten sich direkt nach dem Testdurchgang nicht daran erinnerten. Diskussion: Die Schlafwahrnehmung bzw. -erinnerung direkt nach einem 20-minütigem MSLT-Durchgang korrespondiert nur mäßig gut mit tatsächlichem Einschlafen. Die Selbstbeurteilung des Schlafes z.B. über die gesamte Nacht sollte daher grundsätzlich und nicht nur bei Patienten mit Schlafwahrnehmungsstörung sehr vorsichtig bewertet werden. Übereinstimmend mit Untersuchungen zur Reaktionsbereitschaft in verschiedenen Schlafstadien entspricht auch bei der Schlaferinnerung S2 besser der subjektiven Wahrnehmung als S1.