Z Orthop Ihre Grenzgeb 2005; 143(2): 129
DOI: 10.1055/s-2005-868438
Orthopädie aktuell

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"Robodoc"-Urteil

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Publication Date:
29 April 2005 (online)

 

Sowohl unter Medizinern als auch Juristen steht die computergestützte Implantation von Hüftgelenksendoprothesen mithilfe des sog. "Robodoc"-Verfahrens in Streit. Mit dem Urteil des OLG Frankfurt a.M. vom 7.12. 2004 (Az. 8 U 194/03) liegt nunmehr ein erstes obergerichtliches Urteil zu der Frage vor, ob der Einsatz des "Robodoc" zur computergestützten Implantation einer Hüftgelenksendoprothese eine zulässige ärztliche Behandlungsmethode darstellt.

In dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall litt die Klägerin an einer Dysplasie-Koxarthrose. Unter Einsatz des "Robodoc" erfolgte im September 1995 die computergestützte Implantation einer zementfreien HüftTotalendoprothese. Durch die Operation wurde der Nervus ischiadicus geschädigt. Die Klägerin behauptete, die Schädigung des Nerves sei auf einen Behandlungsfehler der behandelnden Ärzte zurückzuführen, da die "Robodoc"-Methode nicht habe angewandt werden dürfen; zudem sei sie nicht ausreichend über die Risiken der "Robodoc"-Methode und bestehende alternative Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt worden.

Das OLG Frankfurt a.M. hatte sich in diesem Fall im Wesentlichen mit folgenden drei Fragen zu befassen:

1. Liegt bereits in der Anwendung der "Robodoc"-Methode ein ärztlicher Behandlungsfehler?

2. Sind im Verlauf der Operation konkrete Behandlungsfehler aufgetreten?

3. Welche Anforderungen sind beim Einsatz des "Robodoc" an die ärztliche Aufklärungspflicht zu stellen?

Für die Beantwortung der ersten Frage ist zunächst die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur freien Therapiewahl des Arztes zu berücksichtigen. Danach kann der Arzt grundsätzlich unter verschiedenen eingeführten und bewährten Therapiemethoden seine konkrete Anwendungsmethode frei wählen, soweit die zur Auswahl stehenden Therapiemethoden hinsichtlich Heilungsaussichten, Eingriffsbelastung und Schadensrisiko im Wesentlichen gleichwertig sind. Handelt es sich - wie hier - um eine neue Therapiemethode, steht die Anwendung der vom Arzt ausgewählten Therapiemethode unter der Voraussetzung, dass der Arzt im Blick auf seine speziellen Kenntnisse und Vorerfahrungen sowie im Blick auf die Beherrschung der konkreten Behandlungsrisiken die erforderliche Methodensicherheit gewährleistet.

Nach Auffassung des OLG Frankfurt a.M. waren diese Voraussetzungen im konkreten Fall erfüllt. So hat der gerichtlich bestellte Sachverständige in seinem Gutachten festgestellt, dass durch medizinisch-wissenschaftliche Publikationen zwischenzeitlich bewiesen sei, dass die roboterassistierten Operationen mit einem konventionellen Operationsschnitt, der Präparation des Hüftbereichs und der Lagerung bei verstärkter Abduktion des Beines mit keinem höheren Komplikationsrisiko behaftet seien als die herkömmlichen Verfahren. Daraus hat das OLG Frankfurt a.M. die Schlussfolgerung gezogen, dass die "Robodoc"-Methode dem herkömmlichen manuellen Verfahren bei Abwägung sämtlicher Vor- und Nachteile nicht unterlegen war. Nach den weiteren Feststellungen des Gerichts bestand das Operationsteam des Krankenhauses aus besonders trainierten Ärzten, die an einer hochspezialisierten Klinik arbeiteten, so dass die Komplikationsrate hier niedriger war als an anderen Krankenhäusern. Unter diesen Umständen konnten die beteiligten Ärzte der Patientin die Anwendung der "Robodoc"-Methode als alternative Behandlungsmöglichkeit vorschlagen.

Zur Beantwortung der zweiten Frage geht das OLG Frankfurt a. M. auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens für den konkreten Fall auch von einer lege artis erfolgten Implantation der Hüftgelenkendoprothese mittels des "Robodoc"-Verfahrens aus. Auch insofern ist ein Behandlungsfehler durch das Gericht daher verneint worden.

Ausgangspunkt für die Beantwortung der dritte Frage ist schließlich das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Zwar ist die Auswahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes, doch muss dem Patienten nach der Rechtsprechung bei mehreren medizinisch gleichermaßen indizierten Behandlungsmethoden mit unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen die eigenverantwortliche Entscheidung darüber belassen werden, auf welchem Weg die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen möchte. Um eine solche Entscheidung treffen zu können, ist der Patient notwendigerweise durch den Arzt umfassend über die zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten und die damit jeweils verbundenen Risiken aufzuklären. Dies gilt nach Ansicht des OLG Frankfurt a.M. insbesondere dann, wenn sich der Arzt mit der von ihm vorgeschlagenen Behandlungsmethode auf Neuland begibt und die Risiken der Behandlungsmethode noch nicht endgültig abgeklärt sind; in diesen Fällen muss der Patient vollständig über diese Tatsache sowie die Vor- und Nachteile dieser und alternativer Verfahren aufgeklärt werden.

Nach Ansicht des OLG Frankfurt a.M. kommt es insofern nicht darauf an, ob die Risiken, über die nicht hinreichend aufgeklärt worden ist, tatsächlich eingetreten sind oder nicht, da die Einwilligung des Patienten in eine Verletzung seiner körperlichen Integrität nur dann wirksam ist, wenn der Betroffene die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs versteht. Nach umfangreicher Beweisaufnahme ist das OLG Frankfurt a.M. zu der Auffassung gelangt, dass die Ärzte im konkreten Fall ihren Aufklärungspflichten gerecht geworden sind. Es konnte daher weder ein Behandlungs- noch ein Aufklärungsfehler festgestellt werden, so dass die Klage keinen Erfolg hatte.

Es bleibt allerdings abzuwarten, wie das OLG Frankfurt a.M. in den anhängigen Parallelverfahren entscheiden wird, da in diesen Verfahren andere Gutachter als Sachverständige bestellt sind. Ausreichende Rechtssicherheit bietet das vorliegende Urteil des OLG Frankfurt a.M. daher noch nicht.

Dr. Stefan Bäune, Rechtsanwalt

Sozietät Schmidt, von der Osten und Huber

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