Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(19): 1227-1229
DOI: 10.1055/s-2005-868707
Medizingeschichte

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Richard Siebeck - ein Exponent der „Heidelberger Schule”

Rückblick auf einen großen Arzt in seinem 40. TodesjahrRichard Siebeck - an important exponent of the „Heidelberg School“ A memoir of a famous physicianK. Engelhardt
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Publikationsverlauf

eingereicht: 13.1.2005

akzeptiert: 14.4.2005

Publikationsdatum:
04. Mai 2005 (online)

Richard Siebeck (Abb. [1]), geboren am 10. April 1883 in Freiburg, gestorben am 14. Mai 1965 in Heidelberg, war einer der bedeutendsten Internisten des 20. Jahrhunderts. Nach Professuren für Innere Medizin in Bonn (1924 - 31) und Berlin (1934 - 41) wurde er zweimal Direktor der Ludolf-Krehl-Klinik in Heidelberg (1931 - 34 und 1941 - 53), die nach seinem verehrten Lehrer, dem Begründer der „Heidelberger Schule”, benannt ist. Vor schweren Schicksalsschlägen wurde Siebeck nicht verschont. 1922 besuchte die junge Frau Siebeck Karl Barth, den bekannten Theologen, und seine Familie in Göttingen, wo sie plötzlich starb. Der mit Richard Siebeck befreundete Karl Barth schrieb über diesen Schock: „Ihr Mann kam noch rechtzeitig, um sie noch 1œ Tage selber behandeln und pflegen zu können. Aber es handelte sich um eine schwere Lungenentzündung und es war Alles umsonst... Vier Kinder von 1 - 11 Jahren !! Es ist furchtbar traurig.” [3].

Abb. 1 Richard Siebeck (10.4.1883-14.5.1965). (Quelle: Dtsch Med Wochenschr 1965;90:1443).

Siebeck hatte eigene wissenschaftliche Schwerpunkte, er wusste, dass Spezialisierung unaufhaltsam ist, gleichzeitig trat er für die Notwendigkeit einer allgemeinen inneren Medizin ein, um sie nicht in Fragmente zerfallen zu lassen. Die Titel einiger seiner Bücher zeigen bereits das Programm: „Die Beurteilung und Behandlung der Nierenkranken” (1920), „Über Beurteilung und Behandlung Kranker” (1928), „Die Beurteilung und Behandlung Herzkranker” (1947). Sie werden von seinem Opus magnum, der „Medizin in Bewegung”, gekrönt, die 1949 bei Thieme erschien. Das Programm enthält einen kategorischen Imperativ: Nicht nur Krankheiten diagnostizieren und therapieren sondern auch sich den betroffenen Kranken persönlich zuwenden. Als er 1934 die Leitung der 1. medizinischen Universitätsklinik der Charité in Berlin antritt, sagt er in der Antrittsvorlesung [11]: So viel Naturwissenschaft und Technik für die Medizin bedeuten, „so sind die Erscheinungen am Kranken in ihrem eigentlichen Wesen ... nur aus der Gesamtverfassung des Kranken und aus seiner Lebensgeschichte richtig zu verstehen.” Anamnese und Kommunikation mit dem Patienten sind für ihn zentral. Dem entspricht die Abschiedsvorlesung [14], die er 1953 in der Heidelberger Ludolf-Krehl-Klinik über die Basedowsche Krankheit hält: „Wir müssen den Kranken in seiner Geschichte ... und in seiner Situation und wir müssen die verschiedenen Symptome je in ihrer Bedeutung und ihrem Zusammenhang verstehen.” Nach seiner Emeritierung blieb Siebeck aktiv. Wie vorher verfasste er medizinische Aufsätze und Rezensionen. Eine seiner Hauptaufgaben war die Betreuung der Studenten des Evangelischen Studienwerks Villigst in Heidelberg, die sich alle vier Wochen in seinem Haus trafen, damit die verschiedenen Fakultäten im Sinne des Studium generale miteinander ins Gespräch kommen. In dieser Funktion, der er sich mit nicht nachlassender Fürsorge und stets wachbleibendem Interesse für die ihm anvertrauten Studenten widmete, durfte ihn der Verfasser dieser Zeilen drei Jahre lang erleben.

Literatur

  • 1 Barth K. Grußwort. Mohr, Tübingen, Thieme, Stuttgart In: Medicus Viator, Festschrift zum 75. Geburtstag R. Siebecks, hrsg. v. P. Christian und D. Rössler 1959: S.1ff.
  • 2 Barth K. Briefe 1961 - 1968,. Theol. Verlag, Zürich hrsg. v. J. Fangmeier u. H. Stoevesandt 1975: 420.
  • 3 Barth K, Rade M. Ein Briefwechsel,. Mohr Gütersloh hrsg. v. C. Schwöbel 1981: 174f.
  • 4 Bauer A W. Rückkehr der Seele in die naturwissenschaftliche Medizin? Erste Schritte der Psychosomatik zu Beginn des 20. Jahrhunderts.  Dtsch Med Wochenschr. 2000;  125 236-237
  • 5 Engelhardt K. Kranke Medizin. Das Abhandenkommen des Patienten. Agenda, Münster 1999
  • 6 Jacob W. Macht und Ohnmacht des Kranken. a. a.O In: Medicus Viator 236
  • 7 Jaspers K. Allgemeine Psychopathologie,. 9. Aufl Springer, Berlin 1973: 206
  • 8 Kümmel W F. Die Ausschaltung rassisch und politisch mißliebiger Ärzte. Kiepenheuer und Witsch, Köln In: F. Kudlien. Ärzte im Nationalsozialismus 1985: 56ff.
  • 9 Kütemeyer W. Die Krankheit Europas,. Suhrkamp, Frankfurt a. M 1951: 96.
  • 10 Middeke M. Zukunft braucht Herkunft - Die DMW im Jahr 2000.  Dtsch Med Wochenschr. 2000;  125 1099-1102
  • 11 Siebeck R. Aufgaben der klinischen Medizin in der Gegenwart.  Dtsch Med Wochenschr. 1934;  60 885-889
  • 12 Siebeck R. Eröffnungsrede zum Internistenkongress 1937. Bergmann, München In: Hundert Jahre Deutsche Gesellschaft für innere Medizin 1882 - 1982, hrsg. v. H. G. Lasch und B. Schlegel 1982
  • 13 Siebeck R. Medizin in Bewegung. Thieme Stuttgart 1949: S. VII, 420, 511.
  • 14 Siebeck R. Basedowsche Krankheit.  Dtsch Med Wochenschr. 1953;  78 508-510
  • 15 Siebeck R. Die Einheit von Leib und Seele in der theologischen Anthropologie und in der anthropologischen Medizin. Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen In: Viktor v. Weizsäcker. Arzt im Irrsal der Zeit, hrsg v. P. Vogel 1956: 54-65
  • 16 Siebeck R. Vom geistigen Standort der modernen Medizin.  Dtsch Med Wochenschr. 1959;  84 1469-1473
  • 17 von Weizsäcker V. Fälle und Probleme,. Enke, Stuttgart 1951: 91

Prof. Dr. K. Engelhardt

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