Zentralbl Gynakol 2005; 127 - V61
DOI: 10.1055/s-2005-870726

Sonographische Beurteilung der Plazentaverhältnisse und der fetalen Nackentransparenz bei Zwillingsschwangerschaften im ersten Trimenon und deren Einfluss auf den Schwangerschaftsausgang

K Sader 1, C Winkler 1, S Spahn 1, K Trautmann 2, S Neubert 2, F Bahlmann 1
  • 1Frauenklinik des Bürgerhospitals Frankfurt, Dr. Senckenbergische Stiftung
  • 2Universitäts-Frauenklinik, Mainz

Fragestellung: Das Risiko für einen intrauterinen Fruchttod oder das Versterben in der Neonatalperiode ist bei Mehrlingen gegenüber Einlingen um den Faktor 5 erhöht. Die Chorionizität spielt für die Risikoeinschätzung von Zwillingen eine entscheidene Rolle. Die sonographische Evaluierung der Plazentaverhältnisse im ersten Trimenon (11–14 SSW) ist somit eine wichtige Untersuchung zur Einschätzung der pränatalen und geburtshilflichen Prognose sowie zur Planung einer optimalen Schwangerenvorsorge. Ziel der vorliegenden prospektiv angelegten Untersuchung war es zu überprüfen, inwieweit die Chorionizität (Vergleich: monochorial vs. dichorial) einen Einfluss auf den pränatalen und geburtshilflichen Schwangerschaftsausgang ausübt.

Methode: Seit 1993 wurden 288 Zwillingsschwangerschaften im ersten Trimenon seriell zwischen 11 und 14 SSW untersucht. Beurteilt wurden die Plazentaverhältnisse und die Nackentransparenz der beiden Feten. Alle Untersuchungen wurden transabdominal mit hochauflösenden High-End-Ultraschallsystemen mit einer Ultraschallsondenfrequenz von 5MHz durchgeführt. Bei Nachweis von zwei getrennten Plazenten bzw. einer zipfeligen plazentaren Aussackung im Bereich der Eihäute (sog. Lambda-Zeichen) bei fusionierten Plazenten wurde die Plazenta als dichorial beurteilt. Die Messung der fetalen Nackentransparenz erfolgte nach den Kriterien der Fetal Medicine Foundation London (FMF) – eine Nackentransparenz von mehr als 2,5mm wurde als pathologisch bewertet. Alle Untersuchungen wurden von erfahrenen Untersuchern durchgeführt. Bei unsicheren Ultraschallbefunden erfolgte eine Zweituntersuchung durch einen erfahrenen Kollegen (DEGUM II/III). Der Nachweis der Zygotie erfolgte postpartal in Form einer klinischen Plazentabeurteilung bzw. bei unsicherer Beurteilung durch eine plazentahistologische Untersuchung.

Ergebnisse: Bei Durchführung der Ultraschalluntersuchung lag das Schwangerschaftsalter im Median bei 12+5 SSW (Range: 11+0 und 13+6 SSW). Es wurden 64 Schwangere mit einer monochorialen und 224 Schwangere mit einer dichorialen Zwillingsschwangerschaft diagnostiziert Im Vergleich zur dichorialen Zwillingsschwangerschaft fand sich bei der monochorialen Schwangerschaft eine 6-fach höhere fetale Verlustrate unterhalb der 24 SSW, eine 2-fach höhere perinatale Mortalität, eine 2-fach höhere Frühgeburteraten unterhalb der 32. Schwangerschaftswoche sowie eine 3-fach höhere Rate an niedrigen Geburtsgewichten unterhalb der 5. Perzentile. Der Anteil der Schwangerschaften mit einer Gewichtsdiskordanz von mehr als 500g war in beiden Gruppen gleich. Auch war die Rate an einer Nackentransparenzmessung von mehr als 2,5mm in beiden Gruppen gleich. Eine pathologische Nackentransparenzmessung korreliert bei dichorialen Zwillingsschwangerschaften mit einer höheren Rate an Aneuploidien und strukturellen Fehlbildungen im Vergleich zu monochorialen Zwillingsschwangerschaften. Im Gegensatz hierzu korreliert eine Nackentransparenzmessung von mehr als 2,5mm bei monochorialen Schwangerschaften mit einem erhöhten Risiko für das Entstehen eines fetofetalen Transfusionssyndroms.

Schlussfolgerung: Die Beurteilung der Plazentaverhältnisse gelingt im Zeitraum zwischen 11 und 14 SSW mit hochauflösenden Ultraschallsystemen und erfahrenen Untersuchern sicher. Während dieser Untersuchung lassen sich eine Vielzahl schwerwiegender Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen nachweisen sowie frühzeitig Hinweise für Nabelschnurinsertionsstörungen, für die Entwicklung eines fetofetalen Transfusionssyndroms oder chromosomale Aberrationen finden. Monochoriale Zwillingsschangerschaften weisen 2–3-fach höhere Komplikationen gegenüber dichorialen Zwillingsschwangerschaften auf. Monochoriale Zwillingsschwangerschaften bedürfen daher eine sorgfältige Schwangerschaftsvorsorge mit engmaschigen Ultraschalluntersuchungen.