Pneumologie 2005; 59(8): 554-561
DOI: 10.1055/s-2005-870955
Serie: Auditorium maximum - Pneumologie 2005 (2)
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Idiopathische Interstitielle Pneumonien: Pathomechanismen und Therapieoptionen

Idiopathic Interstitial Pneumonias: Pathomechanisms and Therapeutic OptionsP.  Markart1 , L.  Hundack1 , A.  Ghofrani1 , F.  Grimminger1 , W.  Seeger1 , A.  Günther1
  • 1University of Gießen Lung Center, Gießen
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Publikationsdatum:
18. August 2005 (online)

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Interstitielle Lungenerkrankungen (ILD) repräsentieren eine Gruppe von mehr als 100 verschiedenen Entitäten, an deren Ende oft eine schwergradige Lungenfibrose steht. ILD treten assoziiert mit Systemerkrankungen wie Kollagenosen und Vaskulitiden auf oder werden durch Medikamente (z. B. Bleomycin, Amiodaron) oder inhalative Noxen (z. B. Asbestose, Silikose, Allergene) ausgelöst; in vielen Fällen bleibt die Ursache jedoch nach wie vor unbekannt. Letztere Gruppe umfasst u. a. die so genannten Idiopathischen Interstitiellen Pneumonien (IIP), die granulomatösen Lungenerkrankungen (z. B. Sarkoidose) und weitere seltene Erkrankungsbilder (Eosinophile Pneumonie, Histiozytosis X, Lymphangioleiomyomatose). Dieser Übersichtsartikel fokussiert auf aktuelle Erkenntnisse hinsichtlich der Pathogenese und Therapie der Idiopathischen Interstitiellen Pneumonien und hier vor allem auf die nach wie vor schlecht therapierbare Idiopathische Pulmonale Fibrose (IPF).

Die Idiopathischen Interstitiellen Pneumonien werden nach der aktuell gültigen Klassifikation der American Thoracic Society (ATS) und der European Respiratory Society (ERS) aus dem Jahr 2002 in 7 verschiedene Entitäten eingeteilt: Idiopathische Pulmonale Fibrose (IPF = CFA), Nicht-spezifische Interstitielle Pneumonitis (NSIP), kryptogene organisierende Pneumonie (COP = Bronchiolitis obliterans organisierende Pneumonie), Akute Interstitielle Pneumonitis (AIP = Hamman-Rich-Syndrom), Respiratorische Bronchiolitis-ILD (RB-ILD), Desquamative Interstitielle Pneumonitis (DIP) und Lymphoide Interstitielle Pneumonie (LIP) [1]. Die IPF stellt die größte Gruppe innerhalb der Idiopathischen Interstitiellen Pneumonien dar und nimmt aus verschiedenen Gründen eine Sonderstellung ein, insbesondere aufgrund der schlechten Prognose. Die mittlere Überlebenszeit liegt bei 2 - 4 Jahren und ist insgesamt deutlich kürzer als die der NSIP [2] [3].

Die Prävalenz interstitieller Lungenerkrankungen wurde in einer Populations basierenden Studie aus Bernalillo County, New Mexico, USA, mit 67,5/100 000 (Frauen) bzw. 80,9/100 000 (Männer) ermittelt. Die Inzidenz lag bei 26,1/100 000 (Frauen) bzw. 31,5/100 000 (Männer). Für die IPF wurde in dieser Studie eine Prävalenzrate von 20,2/100 000 (Männer) bzw. 13,2/100 000 (Frauen) und einer Inzidenzrate von 10,7/100 000 (Männer) und 7,4/100 000 (Frauen) angegeben: demnach würden etwa 20 - 30 % aller Patienten mit ILD an einer IPF leiden [4]. Auch in europäischen Studien wurde der Anteil der IPF an den interstitiellen Lungenerkrankungen mit ca. 20 - 30 % angegeben [59]. Von diesen Zahlen ausgehend gibt es in Deutschland schätzungsweise 100 000 Patienten mit IPF.

Klinische Leitsymptome der IPF sind Dyspnoe, zunächst bei körperlicher Belastung, später in Ruhe, und ein trockener, oft quälender Reizhusten. Bei der körperlichen Untersuchung imponieren häufig Trommelschlegelfinger und spätinspiratorisch ein feines Knisterrasseln („Sklerosiphonie”). Am Anfang der Diagnostik stehen eine ausführliche Anamnese, eine körperliche Untersuchung, eine Röntgen-Thoraxaufnahme in zwei Ebenen und eine Lungenfunktionsprüfung (siehe Abb. [1]). Bei Patienten mit begründetem Verdacht auf das Vorliegen einer Idiopathischen Interstitiellen Pneumonie sollte eine hochauflösende Thorax-Computertomographie (HR-CT) durchgeführt werden. Am Ende der diagnostischen Maßnahmen steht dann die Bronchoskopie mit Durchführung einer bronchoalveolären Lavage (BAL), die oft eine weiterführende Differenzierung erlaubt. In einigen Fällen lässt sich dann aufgrund der klinischen, radiologischen und BAL-Befunde die Diagnose einer IPF oder einer anderen Idiopathischen Interstitiellen Pneumonie mit großer Wahrscheinlichkeit stellen. Die definitive Diagnose einer IPF, mit entsprechendem histologischem Nachweis eines „usual interstitial pneumonitis” Musters, oder einer anderen Idiopathischen Interstitiellen Pneumonie bleibt jedoch der chirurgischen Lungenbiopsie vorbehalten, die vor allem bei radiologisch nicht IPF-typischen Befunden prinzipiell anzustreben ist. Von der Internationalen ATS/ERS-Konsensuskonferenz wurden im Jahr 2000 klinische Kriterien zur Diagnostik der IPF definiert, die bei fehlender Durchführbarkeit einer offenen Lungenbiopsie die Wahrscheinlichkeit der Korrektheit der Diagnose IPF erhöhen [6]. Gefordert sind das Vorliegen aller vier Hauptkriterien und von mindestens 3 der 4 Nebenkriterien (siehe Abb. [2]). Für die sichere Diagnose interstitieller Lungenerkrankungen ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Pneumologen, Radiologen und Pathologen im Rahmen interdisziplinärer Konferenzen wünschenswert.

Abb. 1 Diagnostik Interstitieller Lungenerkrankungen. Am Anfang der Diagnostik stehen eine ausführliche Anamnese, eine körperliche Untersuchung, eine Röntgen-Thoraxaufnahme in zwei Ebenen und eine Lungenfunktionsprüfung. Lässt sich aufgrund der HR-CT- und Bronchoskopie/BAL-Befunde keine sichere Diagnose stellen, ist in der Regel die Durchführung einer offenen Lungenbiopsie indiziert. UIP = Usual Interstitial Pneumonitis, NSIP = Nicht-spezifische Interstitielle Pneumonitis, RB = Respiratorische Bronchiolitis, DIP = Desquamative Interstitielle Pneumonitis, DAD = Diffuse Alveoläre Schädigung, OP = organisierende Pneumonie, LIP = Lymphoide Interstitielle Pneumonie, BAL = bronchoalveoläre Lavage, TBB = transbronchiale Biopsie, ILD = interstitielle Lungenerkrankung.
Abbildung modifiziert nach [1].

Abb. 2 Klinische Diagnosekriterien der IPF. Klinische Kriterien zur Diagnostik der IPF entsprechend der internationalen ATS/ERS-Konsensuskonferenz aus dem Jahre 2000 [6].

Literatur

P. Markart

University of Giessen Lung Center

Klinikstraße 36

35392 Gießen ·

eMail: Philipp.Markart@innere.med.uni-giessen.de