NOTARZT 2006; 22(3): 92-95
DOI: 10.1055/s-2005-915407
Fortbildung
Der toxikologische Notfall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Durst mit Folgen

F.  Martens1
  • 1Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. Ulrich Frei), Berlin
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Publication Date:
29 May 2006 (online)

Fall 1

Alarmierung des Notarztes in den späten Abendstunden in ein großes Berliner Hotel unter dem Stichwort „Heftiger Brustschmerz”. Dort werden die Rettungskräfte in die Großküche des Hauses gebracht. Ein Hilfskoch hatte nach Restaurantschluss einen Teil seiner Küche gesäubert. Da er ziemlich durstig war, hatte er einen großen Schluck aus einer Flasche mit einem Etikett „Apfelsaft” genommen, die er auf einem Küchenregal entdeckt hatte. Unmittelbar nach dem Herunterschlucken verspürte er heftigsten Schmerz hinter dem Brustbein, der auch durch das Nachtrinken von reichlich Wasser kaum zu bessern war. Auch einmaliges Erbrechen änderte die Situation nicht. Daher alarmierten Kollegen den Rettungsdienst.

Die Untersuchung zeigte einen etwa 25-jährigen Mann ohne Zyanose, jedoch mit schmerzgequältem Gesichtsausdruck. Der Blutdruck lag mit 135/75 mm Hg im Normalbereich, die Herzfrequenz war mit 120/min deutlich erhöht. Die pulsoxymetrische Sättigung betrug 96 %. Weder im Monitor-EKG noch im EKG mit 12 Ableitungen zeigten sich außer der Tachykardie pathologische Befunde. Nach Legen einer Venenverweilkanüle und Gabe von 5 mg Morphin besserten sich die Schmerzen.

Zwischenzeitlich inspizierten die Rettungssanitäter die Apfelsaftflasche. Deren Inhalt roch jedoch nicht typisch nach Apfelsaft, sondern wies einen seifigen Geruch auf. Daher vermutete der Notarzt eine Verätzung und brachte den Patienten in eine nahe gelegene Klinik mit der Möglichkeit, jederzeit zu endoskopieren.

Die dort sofort durchgeführte Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) zeigte verquollene Ösophagusschleimhaut, z. T. flache Ulzerationen und kleinere Blutungen im unteren Anteil, hingegen einen unauffälligen Magen. Damit konnte die Verdachtsdiagnose einer Ösophagusverätzung II° gesichert werden. Im Anschluss an die Untersuchung wurde eine weiche nasogastrale Sonde eingelegt. Kontroll-ÖGDs in den folgenden Tagen zeigten eine rasche Heilungstendenz, sodass der Patient ohne Schluckstörungen nach einer Woche wieder entlassen werden konnte.

Literatur

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens

Charité - Universitätsmedizin Berlin · Campus Virchow Klinikum · Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin

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Email: frank.martens@charite.de