Pneumologie 2005; 59(10): 704-714
DOI: 10.1055/s-2005-915558
Serie: Auditorium maximum - Pneumologie 2005 (4)
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Feinstaub - eine gesundheitspolitische Herausforderung

Extremely Fine Dust - A Challenge in Health Care PolicyU.  Lahl1 , W.  Steven1
  • 1Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitMinisterialdirektor Dr. habil. Uwe Lahl
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Publikationsdatum:
14. Oktober 2005 (online)

Zusammenfassung

Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass Feinstaub (Partikel - PM10) schwere Gesundheitsschäden und ein Ansteigen der Sterblichkeitsrate infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs verursacht. Nach Untersuchungen der Weltgesundheitsbehörde (WHO) wurde im Jahr 2000 durch Partikel die durchschnittliche Lebenszeit aller Europäer (EU25) im Mittel um 8,6 Monate und in Deutschland sogar um 10,2 Monate verkürzt. Die WHO, die EU-Kommission sowie der National Research Council und die US-amerikanische Umweltschutzbehörde EPA stellen die Wirkung von Partikeln auf die menschliche Gesundheit als eines der gegenwärtig vorrangigen umwelthygienischen Schwerpunktthemen heraus.

In der 22. BImSchV sind Immissionsgrenzwerte für Feinstaub (PM10) insbesondere zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgelegt, die ab dem 1.1.2005 eingehalten werden müssen. Im Vergleich mit diesen Werten ist die aktuelle Belastung der Umgebungsluft mit PM10 in Deutschland deutlich zu hoch. Nach § 45 Abs. 1 BImSchG müssen die zuständigen Behörden die zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte erforderlichen Maßnahmen ergreifen.

Zu den zu ergreifenden Maßnahmen gehören insbesondere Luftreinhalte- und Aktionspläne. Auch der Verkehr muss entsprechend seinem Verursacheranteil in den Maßnahmenkatalog einbezogen werden. In vielen betroffenen Regionen enthält der Luftreinhalteplan bzw. der Aktionsplan aufgrund der dominierenden Rolle der Verkehrsemissionen in den Gebieten mit Grenzwertüberschreitung schwerpunktmäßig verkehrslenkende Maßnahmen [1]. Verkehrsbeschränkungen, wie die Sperrung von einzelnen Straßen für den gesamten Kfz-Verkehr oder Teilmengen (nicht schadstoffarme Autos, Autos ohne Partikelfilter oder LKW ohne Partikelfilter) kommen insbesondere in den Fällen infrage, in denen verkehrsplanerische Maßnahmen allein nicht zielführend sind. Solche Maßnahmen sind durch die zuständigen Straßenverkehrsbehörden umzusetzen. Sie sind in diesen Fällen zulässig und geboten.

Diesel-Pkw und -Lkw müssen umfassend und so schnell wie möglich mit Partikelfiltern ausgerüstet werden. Neue Diesel-Fahrzeuge sollten nicht ohne einen geeigneten Partikelfilter gekauft werden. Im Bereich der Industrieanlagen und Kraftwerke wird durch eine Verschärfung der TA Luft und der Großfeuerungsanlagenverordnung (13. BImSchV) eine deutliche Reduzierung von Feinstaub und den Vorläufersubstanzen erreicht werden.

Durch die Gesetzgebung werden z. B. im Falle von PM10 vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2020 in der EU u. a. folgende gesundheitliche Positiveffekte erreicht:

Reduzierung des Lebenszeitverlustes (Sterblichkeit - Langzeiteinwirkung) durch PM10-Belastung um 1,1 Mio. Jahre (von ca. 3 Mio. Jahren), Reduzierung der Kindersterblichkeit von 600 auf 300 Fälle, Reduzierung der chronischen Bronchitis von 136 000 auf 98 000 Fälle und Reduzierung der Krankenhauseinweisungen wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen von 32 000 auf 20 000 Fälle.

Insgesamt werden danach die Krankheitseffekte durch Feinstaub um rund ein Drittel bis zur Hälfte gesenkt. Für Deutschland ergeben sich ungefähr gleiche proportionale Verhältnisse. Diese Positiveffekte können nur erreicht werden, wenn die bestehenden gesetzlichen Vorgaben auch eingehalten werden.

Literatur

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  • 9 CAFE Working Group an Particulate Matter .Second Position Paper on Particulate Matter. CAFE-Report 2003
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  • 27 World Health Organization .Meta-analysis of time-series studies and panel studies of particulate matter (PM) and ozone (O3). (document EUR/04/5 042 688) (http://www.euro.who.int/document/E82792.pdf. Copenhagen, WHO Regional Office for Europe 2004
  • 28 Weitere Beispiele siehe [2]. 
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  • 37 Mensch und Umwelt. GSF-Forschungszentrum; http://www.gsf.de/Aktuelles/mensch+umwelt/index.phtml. März 2004 Heft 1: 2-3
  • 38 Eikmann T, Seitz H, Herr C. Feinstaub ein Menetekel für Umweltpolitiker und Umweltverwaltung?. Umweltmed Forsch Prax 2005 10 (3)
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  • 40 Richtlinie 2001/81 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe. 
  • 41 Luftqualitätsrahmenrichtlinie (1996/62/EG) nebst dreier Tochterrichtlinien (1999/30/EG; 2000/69/ EG; 2002/3/EG). 
  • 42 Krzyzanowski M (WHO). Latest health evidence: the impetus for further air quality improvement, Vortrag auf der Konferenz” Managing Air Quality”. London; 25. - 26. August 2004
  • 43 Die in der 1. Tochterrichtlinie enthaltenen Werte für das Jahr 2010 sind Richtgrenzwerte, die noch einer weiteren Überprüfung unterzogen werden müssen. 
  • 44 Diese Grenzwerte werden im Lichte der Erkenntnis des fehlenden Schwellenwertes, der neuen Ergebnisse zu Gesundheitsbeeinträchtigungen und der Hinweise der besonderen Gefahren durch PM2,5 und UFP in der EU zurzeit einer Prüfung unterworfen. 
  • 45 Lahl U, Salomon N. Möglichkeiten der Emissionsminderung stationärer Anlagen zur Einhaltung der Feinstaub-Emissionsgrenzwerte, Gefahrstoffe - Reinhaltung der Luft. 2005 (7/8) http://www.bmu.de/luftreinhaltung/feinstaub/doc/35830-pHp
  • 46 Kommission der Europäischen Gemeinschaften .Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Entwicklung einer thematischen Strategie für städtische Umwelt. Kom (2004) 60. http://europa.eu.int/eur-lex/de/com/cnc/2004/com2004_0060de01.pdf.

RD Dr. Wilhelm Steven

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