Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2005; 37(4): 176-177
DOI: 10.1055/s-2005-918024
Forschung
Neues aus der Onkologie
Karl F. Haug Verlag, in: MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Wie nutzen Krebspatienten das Internet?

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Publication Date:
14 December 2005 (online)

Das Internet stellt eine rasant wachsende Informationsquelle für Gesundheitsfragen dar. Wann und warum Krebspatienten das Internet nutzen, und wie sich dies auf die Psyche der Betroffenen und die Arzt-Patienten-Beziehung auswirkt, untersuchte eine britische Arbeitsgruppe in einer qualitativen Studie.

Sue Ziebland von der Universität Oxford und Kollegen interviewten 175 Frauen und Männer, bei denen seit 1992 ein Prostata-, Hoden-, Mamma-, Zervix- oder Kolonkarzinom diagnostiziert worden war, bezüglich ihrer Interneterfahrungen. Die Patienten waren zwischen 19 und 83 Jahren alt und befanden sich zum Zeitpunkt des Interviews in verschiedenen Krankheitsphasen (BMJ. 2004; 328: 564-567).

Das Internet wurde von vielen Studienteilnehmern als Informationsquelle benutzt, sei es direkt, über Freunde oder über Familienangehörige. Männer mit Hodenkrebs (59 %) gingen am häufigsten ins Netz, gefolgt von Frauen mit Brustkrebs (51 %) und mit Gebärmutterhalskrebs (48 %). Deutlich zurückhaltender waren ältere Patienten mit Prostata und Kolonkarzinomen (35 % bzw. 25 %). Die Gründe für die Internetnutzung waren vielschichtig und variierten je nach Krankheitsphase.

Sie reichten von Hilfestellungen bei der Symptominterpretation, über Einholen einer Zweitmeinung bis zu Kommunikation und Erfahrungsaustausch mit anderen Patienten, Informationen über Untersuchungs- und Therapiemöglichkeiten, Hilfe bei der Deutung von ärztlichen Konsultationen und Erstellen von Fragen an den behandelnden Arzt. Weitere Themen waren die Gesprächsführung mit Angehörigen, Isolationsängste und ein generell höheres Bewusstsein für die Krebserkrankung. Außerdem schätzten viele Patienten die Anonymität, die es u.a. ermöglicht ärztliche Leistungen zu „checken”, ohne das Arzt-Patienten-Verhältnis zu belasten. Hinzu kommt, dass viele krebskranke Internetnutzer eine Stärkung des Selbstwertgefühls empfinden, da sie sich in ihrer Rolle als informierter Patient trotz schwerer Krankheit als kompetentes Mitglied der Gesellschaft erleben.

Fazit: Die Ergebnisse zeigen, dass Krebspatienten das Internet zur Beschaffung von zahlreichen Informationen und Hilfestellungen nutzen, zu denen sie sonst kaum Zugang hätten. Außerdem deutet die Studie an, dass sich die Internetnutzung positiv auf die Arzt-Patienten-Beziehung und auf das Selbstwertgefühl der Patienten auswirken kann. Nach Ansicht der Autoren ist die Untersuchung als Wegbereiter für weitere qualitative und quantitative Studien zu verstehen.

Renate Ronge

Münster