Fortschr Neurol Psychiatr 2005; 73 - A57
DOI: 10.1055/s-2005-918143

Psychosoziale Merkmale von Frauen und Männern in psychologischer Kinderwunsch-Beratung

T Wischmann 1, H Stammer 1, H Scherg 1, T Strowitzki 2, R Verres 1
  • 1Institut für Medizinische Psychologie, Zentrum für Psychosoziale Medizin, und
  • 2Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen, Universitätsklinikum Heidelberg

Einführung: 15 bis 20% ungewollt kinderloser Paare benötigen psychologische Beratung. Diese Studie beschreibt die Charakteristika von Frauen und Männern in psychologischer Kinderwunsch-Beratung.

Material und Methode: 974 Frauen und 906 Männer der „Heidelberger Kinderwunsch-Sprechstunde“ füllten Fragebögen zu soziodemographischen Daten, zur Kinderwunschmotivation (FKW), zur subjektiven Ursachenzuschreibung (SUTUK), zur Lebenszufriedenheit (FLZ) und eine Symptomcheckliste (SCL 90-R) aus. 314 Frauen und 296 Männer dieser Stichprobe nahmen psychologische Kinderwunsch-Beratung bzw. -Therapie wahr. Verglichen wurden die Antworten der zwei Gruppen „ohne Beratung“ und „mit Beratung/Therapie“. Die statistische Analyse umfasste T-Tests, Berechnung von Effektstärken (ES) und eine schrittweise Diskriminanzanalyse.

Ergebnisse: Die Frauen unserer Interventionsstudie litten im Durchschnitt stark unter erhöhter Depressivität (ES=.49) und unter dem unerfüllten Kinderwunsch, während ihre Partner sich etwas unzufriedener mit der Sexualität und der Partnerschaft zeigten. Beide Partner konnten sich eine mögliche psychosoziale Verursachung ihrer Fertilitätsstörung vorstellen: Frauen sahen diese eher in subjektiver Überforderung, wohingegen ihre Partner sie eher in Partnerschaftsproblemen und sexuellen Schwierigkeiten vermuteten (alle ES klein). Die Diskriminanzanalyse der Paardatensätze über die zwei Gruppen ergab, dass vorwiegend die Merkmale der Frauen, die auf ihre im Schnitt deutliche emotionale Belastung und die subjektive Überforderung als mögliche Verursachung hinweisen, maßgeblich waren für die Inanspruchnahme von Beratung bzw. Psychotherapie.

Schlussfolgerungen: Paare mit unerfülltem Kinderwunsch, die eine psychologische Kinderwunsch-Beratung aufsuchen, weisen ein hohes Niveau von psychologischem Stress auf, der insbesondere die Frauen betrifft. Die psychologischen Merkmale der Frau sind für die Inanspruchnahme von psychosozialer Hilfe weitaus bedeutsamer als die des Mannes.